Bewerbermangel
Dieser Hoteldirektor kann sich vor Bewerbern kaum retten

Von Fachkräftemangel keine Spur: Während andere in seiner Branche händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern suchen, stehen Bewerber bei Hoteldirektor Henzler Schlange. Wie ihm das gelingt.

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Christian Henzler (2. von rechts) mit Mitarbeitern bei der Party zum ersten Geburtstag des Hotels. Motto: Superhelden.
Christian Henzler (2. von rechts) mit Mitarbeitern bei der Party zum ersten Geburtstag des Hotels. Motto: Superhelden.
© Jonas Reuter

Zu wenig Mitarbeiter, aber keine Bewerber – der Fachkräftemangel bereitet Unternehmern in vielen Branchen Schwierigkeiten. Eine dieser Branchen: Das Hotelgewerbe. Laut einer Studie der Tourismuswebsite Tripadvisor beklagen 70 Prozent aller Eigentümer von Unterkünften in Europa, dass sie zu wenig qualifiziertes Personal finden.

Dass es auch anders geht, zeigt Christian Henzler, Hoteldirektor des Moxy Frankfurt East. Bei ihm bewerben sich so viele Kandidaten, dass er sich niemals um Personalnachschub sorgen muss. Was er anders macht und wie er Bewerber begeistert.

impulse: Herr Henzler, wie viele Menschen bewerben sich bei Ihnen auf eine freie Stelle?

Christian Henzler: Für Reservierungsmitarbeiter oder jemanden, der am Check-in und an der Bar arbeitet, bekommen wir um die 100 Bewerbungen innerhalb von vier Wochen.

Ganz schön viel.

Für meinen Geschmack ist das schon zu viel, wir feilen gerade noch an der gezielteren Ansprache. Ich habe zum Glück auch Kandidaten in petto und muss daher nicht unbedingt Stellen ausschreiben. Ich halte den Kontakt, lade sie zu Events ein und spreche sie an, wenn sich etwas ergibt.

In Ihrer Branche sind Sie damit eher die Ausnahme. Warum hat die Hotellerie so große Personalprobleme?

Zur Person
Christian Henzler ist Coach für Persönlichkeitsentwicklung und Hoteldirektor des Moxy Frankfurt East. Das Hotel gehört zur Marriott Gruppe und zur Bierwirth und Kluth Management GmbH.  

Nach der Ausbildung gehen viele aus der Branche raus und arbeiten dann in Berufen, die feste Arbeitszeiten haben, oft eine hohe Kundenfrequenz aufweisen und bessere Gehälter zahlen.

Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten können Sie sich vor Bewerbern kaum retten. Wie machen Sie das? Bessere Arbeitszeiten, mehr Gehalt?

(lacht) Wir zahlen etwas über Tarif und haben ein Prämiensystem. Aber das ist bei Arbeitgebern in Metropolen wie Frankfurt üblich, weil die Lebenshaltungskosten hier so hoch sind. Das ginge gar nicht anders. Wir haben drei Schichten, der Nachtdienst geht von 22.30 Uhr bis 7 Uhr, die Bar hat 24 Stunden auf, da gibt’s viel zu tun.

An den Arbeitszeiten und am Gehalt liegt es also nicht. Wie gelingt es Ihnen dann, Bewerber zu begeistern?

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Meine Mitarbeiter sind tolle Werbeträger. Wir haben viele Kollegen gefunden, weil jetzige Mitarbeiter sie angeworben haben. Außerdem präsentieren wir uns in Hotelfachschulen, auch darüber finden wir Personal. Und wir veranstalten tolle Partys für unsere Mitarbeiter, davon teilen wir Fotos bei Instagram und Facebook. Wir haben zu unserem ersten Geburtstag zum Beispiel eine Superheldenparty gemacht, da hat jeder Mitarbeiter ein T-Shirt mit seinem individuellen Superheldennamen bekommen.

Und sonst?

Wir arbeiten mit Influencern zusammen, die wir zu Events einladen oder die hier übernachten. Denen muss ich gar nicht viel erzählen, die merken meist sofort, was wir für eine tolle Atmosphäre haben, wie gut die Mitarbeiter auf die Gäste eingehen. Die posten oft von sich aus etwas in diese Richtung.

Sie sagten eben, Sie müssen nicht unbedingt Stellen ausschreiben, weil Sie Kandidaten in petto haben. Wenn Sie doch mal eine Stelle ausschreiben, wie formulieren Sie die Anzeigen, um aufzufallen?

Wir stellen unser Konzept klar vor, das sich von der klassischen Hotellerie unterscheidet. Wir haben keine klassischen Abteilungen: Derjenige, der einen Hotelgast eincheckt, backt im nächsten Moment eine Pizza. Das ist in anderen Hotels strikt voneinander getrennt. Hier ist Flexibilität gefragt, die Musik ist lauter, die Mitarbeiter haben wirklich zu tun. Daher eignen sich unsere Stellen besonders für Persönlichkeiten, die es lieben, vielseitig aufgestellt und viel gefordert zu sein.

Sie sprechen damit eher junge Mitarbeiter an.

Das Moxy-Wording spricht tatsächlich eher jüngere Bewerber an. Und gleichzeitig ist es uns wichtig, auch erfahrene Mitarbeiter einzustellen. Im Herzen jung zu sein ist wichtiger als das Alter im Pass.

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Was würden Sie anderen Arbeitgebern raten, die sich über fehlende Bewerber beklagen?

Aus meiner Sicht müssen sie zwei Hausaufgaben machen. Die eine: die Bewerber sehr zielgruppengerecht ansprechen. Die zweite ist: sich darauf zu konzentrieren, die Mitarbeiter, die sie haben, zu halten und weiterzuentwickeln. Wenn ich die Zeit, die ich sonst in Vorstellungsgespräche investieren muss, darin investieren kann, meine Mitarbeiter zu unterstützen, dann ist das viel wertvoller.

Wie gelingt es Ihnen denn konkret, Mitarbeiter zu binden?

Was zum Beispiel ein schönes Ritual ist: Wir umarmen uns jeden Tag zur Begrüßung.

Sie umarmen Ihre Mitarbeiter? Finden die das nicht komisch?

Anfangs fanden einige das komisch. Zwei, drei Kollegen wollen das nicht jeden Tag, das ist vollkommen okay. Das Ritual hat sich so eingebürgert; es gibt uns das Gefühl, dass wir nicht nur unter Kollegen sind, sondern unter Freunden. Und für mich ist es wie ein Fieberthermometer: Ich merke genau, wie gut die Verbindung gerade ist, wenn jemand sich mal zurückhält.

Aber tägliche Umarmungen reichen wohl kaum, um Mitarbeiter langfristig zu halten.

Ein Schlüsselfaktor, Mitarbeiter zu halten, ist ihnen zuzuhören und die richtigen Fragen zu stellen. Und ansonsten den Mund zu halten. Ihnen Freiheit geben, vertrauen. Ich bin ausgebildeter Coach für Persönlichkeitsentwicklung und trainiere meine Mitarbeiter regelmäßig. Das schafft eine hohe Verbundenheit. Und gleichzeitig dürfen sie so sein, wie sie sind.

Und das ist in anderen Hotels anders?

Anderswo gibt es oft strengere Vorschriften, was Äußerlichkeiten betrifft. Und Skripts, wie man Gäste zu begrüßen hat. Bei uns ist das nicht so: Wer Lust hat, sich die Haare pink zu färben oder sich ein Tattoo stechen zu lassen, soll das tun und auch so zur Arbeit kommen.

Was melden Ihnen Mitarbeiter zurück, die vorher in anderen Hotels gearbeitet haben?

Sie sind nicht gewohnt, dass der Arbeitgeber sich so viel mit den Mitarbeitern beschäftigt. Und sie sagen, dass wir die Distanz zwischen Mitarbeiter und Gast nicht haben, die es sonst in Hotels gibt.

Wie kann man sich das vorstellen? Trinken Ihre Mitarbeiter abends mal ein Bier mit den Gästen?

(lacht) Das nicht. Aber die spielen schon mal eine Kickerrunde gegen Gäste. Wenn der Gast gewinnt, bekommt er ein Bier ausgegeben.

Zu wenig Mitarbeiter, aber keine Bewerber – der Fachkräftemangel bereitet Unternehmern in vielen Branchen Schwierigkeiten. Eine dieser Branchen: Das Hotelgewerbe. Laut einer Studie der Tourismuswebsite Tripadvisor beklagen 70 Prozent aller Eigentümer von Unterkünften in Europa, dass sie zu wenig qualifiziertes Personal finden. Dass es auch anders geht, zeigt Christian Henzler, Hoteldirektor des Moxy Frankfurt East. Bei ihm bewerben sich so viele Kandidaten, dass er sich niemals um Personalnachschub sorgen muss. Was er anders macht und wie er Bewerber begeistert. impulse: Herr Henzler, wie viele Menschen bewerben sich bei Ihnen auf eine freie Stelle? Christian Henzler: Für Reservierungsmitarbeiter oder jemanden, der am Check-in und an der Bar arbeitet, bekommen wir um die 100 Bewerbungen innerhalb von vier Wochen. Ganz schön viel. Für meinen Geschmack ist das schon zu viel, wir feilen gerade noch an der gezielteren Ansprache. Ich habe zum Glück auch Kandidaten in petto und muss daher nicht unbedingt Stellen ausschreiben. Ich halte den Kontakt, lade sie zu Events ein und spreche sie an, wenn sich etwas ergibt. In Ihrer Branche sind Sie damit eher die Ausnahme. Warum hat die Hotellerie so große Personalprobleme? Nach der Ausbildung gehen viele aus der Branche raus und arbeiten dann in Berufen, die feste Arbeitszeiten haben, oft eine hohe Kundenfrequenz aufweisen und bessere Gehälter zahlen. Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten können Sie sich vor Bewerbern kaum retten. Wie machen Sie das? Bessere Arbeitszeiten, mehr Gehalt? (lacht) Wir zahlen etwas über Tarif und haben ein Prämiensystem. Aber das ist bei Arbeitgebern in Metropolen wie Frankfurt üblich, weil die Lebenshaltungskosten hier so hoch sind. Das ginge gar nicht anders. Wir haben drei Schichten, der Nachtdienst geht von 22.30 Uhr bis 7 Uhr, die Bar hat 24 Stunden auf, da gibt’s viel zu tun. An den Arbeitszeiten und am Gehalt liegt es also nicht. Wie gelingt es Ihnen dann, Bewerber zu begeistern? Meine Mitarbeiter sind tolle Werbeträger. Wir haben viele Kollegen gefunden, weil jetzige Mitarbeiter sie angeworben haben. Außerdem präsentieren wir uns in Hotelfachschulen, auch darüber finden wir Personal. Und wir veranstalten tolle Partys für unsere Mitarbeiter, davon teilen wir Fotos bei Instagram und Facebook. Wir haben zu unserem ersten Geburtstag zum Beispiel eine Superheldenparty gemacht, da hat jeder Mitarbeiter ein T-Shirt mit seinem individuellen Superheldennamen bekommen. Und sonst? Wir arbeiten mit Influencern zusammen, die wir zu Events einladen oder die hier übernachten. Denen muss ich gar nicht viel erzählen, die merken meist sofort, was wir für eine tolle Atmosphäre haben, wie gut die Mitarbeiter auf die Gäste eingehen. Die posten oft von sich aus etwas in diese Richtung. Sie sagten eben, Sie müssen nicht unbedingt Stellen ausschreiben, weil Sie Kandidaten in petto haben. Wenn Sie doch mal eine Stelle ausschreiben, wie formulieren Sie die Anzeigen, um aufzufallen? Wir stellen unser Konzept klar vor, das sich von der klassischen Hotellerie unterscheidet. Wir haben keine klassischen Abteilungen: Derjenige, der einen Hotelgast eincheckt, backt im nächsten Moment eine Pizza. Das ist in anderen Hotels strikt voneinander getrennt. Hier ist Flexibilität gefragt, die Musik ist lauter, die Mitarbeiter haben wirklich zu tun. Daher eignen sich unsere Stellen besonders für Persönlichkeiten, die es lieben, vielseitig aufgestellt und viel gefordert zu sein. Sie sprechen damit eher junge Mitarbeiter an. Das Moxy-Wording spricht tatsächlich eher jüngere Bewerber an. Und gleichzeitig ist es uns wichtig, auch erfahrene Mitarbeiter einzustellen. Im Herzen jung zu sein ist wichtiger als das Alter im Pass. Was würden Sie anderen Arbeitgebern raten, die sich über fehlende Bewerber beklagen? Aus meiner Sicht müssen sie zwei Hausaufgaben machen. Die eine: die Bewerber sehr zielgruppengerecht ansprechen. Die zweite ist: sich darauf zu konzentrieren, die Mitarbeiter, die sie haben, zu halten und weiterzuentwickeln. Wenn ich die Zeit, die ich sonst in Vorstellungsgespräche investieren muss, darin investieren kann, meine Mitarbeiter zu unterstützen, dann ist das viel wertvoller. Wie gelingt es Ihnen denn konkret, Mitarbeiter zu binden? Was zum Beispiel ein schönes Ritual ist: Wir umarmen uns jeden Tag zur Begrüßung. Sie umarmen Ihre Mitarbeiter? Finden die das nicht komisch? Anfangs fanden einige das komisch. Zwei, drei Kollegen wollen das nicht jeden Tag, das ist vollkommen okay. Das Ritual hat sich so eingebürgert; es gibt uns das Gefühl, dass wir nicht nur unter Kollegen sind, sondern unter Freunden. Und für mich ist es wie ein Fieberthermometer: Ich merke genau, wie gut die Verbindung gerade ist, wenn jemand sich mal zurückhält. Aber tägliche Umarmungen reichen wohl kaum, um Mitarbeiter langfristig zu halten. Ein Schlüsselfaktor, Mitarbeiter zu halten, ist ihnen zuzuhören und die richtigen Fragen zu stellen. Und ansonsten den Mund zu halten. Ihnen Freiheit geben, vertrauen. Ich bin ausgebildeter Coach für Persönlichkeitsentwicklung und trainiere meine Mitarbeiter regelmäßig. Das schafft eine hohe Verbundenheit. Und gleichzeitig dürfen sie so sein, wie sie sind. Und das ist in anderen Hotels anders? Anderswo gibt es oft strengere Vorschriften, was Äußerlichkeiten betrifft. Und Skripts, wie man Gäste zu begrüßen hat. Bei uns ist das nicht so: Wer Lust hat, sich die Haare pink zu färben oder sich ein Tattoo stechen zu lassen, soll das tun und auch so zur Arbeit kommen. Was melden Ihnen Mitarbeiter zurück, die vorher in anderen Hotels gearbeitet haben? Sie sind nicht gewohnt, dass der Arbeitgeber sich so viel mit den Mitarbeitern beschäftigt. Und sie sagen, dass wir die Distanz zwischen Mitarbeiter und Gast nicht haben, die es sonst in Hotels gibt. Wie kann man sich das vorstellen? Trinken Ihre Mitarbeiter abends mal ein Bier mit den Gästen? (lacht) Das nicht. Aber die spielen schon mal eine Kickerrunde gegen Gäste. Wenn der Gast gewinnt, bekommt er ein Bier ausgegeben.
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