Unrealistische Stellenanzeigen
„Wer zu viel fordert, macht die Tür für Bewerbende zu“

Unternehmen suchen Kreativköpfe, Allrounder und Alleskönner. Doch unrealistische Erwartungen schrecken Interessenten ab. Wie es besser geht, erklärt Recruiting-Experte Marcus Wagner im Interview.

6. November 2025, 13:07 Uhr, von Lena Kaltenbach, Redakteurin

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Drei Bulletpoints, zwei sind mit Haken versehen, der dritte mit einem Kreuz. Das Motiv ist gelb und pink vor knalligem, türkisenem Hintergrund.
Ist jede Fähigkeit ein Muss? Zu viele Anforderungen in Stellenanzeigen vergraulen gute Fachkräfte.
© Adrienne Bresnahan / Moment / Getty Images Plus

impulse: Marcus, viele Stellenanzeigen lesen sich, als würde statt einer Person ein ganzes Team gesucht werden. Was lösen ellenlange Anforderungslisten bei Bewerbenden aus?
Marcus Wagner: Wer fachlich stark ist, aber wenig Selbstbewusstsein hat, liest eine überladene Anzeige, fühlt sich überfordert – und bewirbt sich nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die passenden Bewerbenden angezogen werden, sinkt immens mit der achten, neunten oder zehnten Anforderung. Heißt für die Firmen: Sie erhalten weniger Bewerbungen und verlieren möglicherweise top-qualifizierte Interessenten. Die Menschen werden abgeschreckt.

Wie kommt es, dass Anzeigen oft so überladen sind?
Fachabteilungen neigen dazu, alles haben zu wollen. Oder sie sind unsicher, was unverzichtbar ist oder sich kompensieren lässt. Sie hoffen, dass Bewerbende für sich herausfiltern, was sie können, und sich dann bewerben. Das Ergebnis sind diese unrealistische Anforderungen, die nicht einmal die aktuellen Mitarbeitenden erfüllen könnten. 

Wie geht es besser?
Allgemein empfehle ich, nicht mehr als fünf bis sechs Stichpunkte unter Anforderungen aufzulisten. Wer zu viele Anforderungen in Stellenanzeigen schreibt, macht die Tür für Bewerbende zu. Kleine Änderungen an den Formulierungen können schon helfen. Schreibe beispielsweise öfter mal „oder“.

Statt „Sicherer Umgang in Canva, Photoshop und InDesign“ könntest du schreiben „Kenntnisse in Bildbearbeitung, zum Beispiel Canva oder Photoshop“ oder du ergänzt „…oder Lust sich einzuarbeiten“. Du kannst es auch frischer formulieren, etwa: „Du kennst dich mit einem dieser Programme aus oder bringst Ideen für ganz andere mit? Dann bist du bei uns richtig!“

Der Experte

Marcus Wagner

Marcus Wagner ist Recruiting-Experte und Geschäftsführer der Firma TeamSpirit Personal, einer Personalvermittlungsagentur für Industrie- und Handwerksbetriebe.

Also sollte man die Anforderungen sprachlich abschwächen?
Ja. Anstatt eine Hardcore-Anforderungsliste runterzubeten, kann man positiv formulieren, wie vielfältig die Stelle ist, dass man eventuell mit vielen Schnittstellen zu tun hat. Das Ziel sollte sein: Bilder zu transportieren und Emotionen zu wecken.

Wie geht das?
Oft sehe ich als ersten Punkt „Bachelorabschluss“. Löst das Emotionen aus? Wohl kaum. Es kommt auf die Branche an, wie ich die Leute reinziehe. Wenn eine Mitarbeiterin im Tierschutz gesucht wird, dann stelle ich nicht das Gehalt nach oben, sondern die Vision, dass man hier einen Unterschied bewirken kann.

Im Handwerk sind eher praktisch veranlagte Menschen unterwegs. Wenn es da losgeht mit „Du hast Erfahrung mit dieser und jener Maschine und weißt wie du sie einsetzt“ freut sich die passende Person: „Ja, logisch kann ich das.“ Sie setzt gedanklich einen Haken und liest positiv gestimmt weiter.

Hast du noch andere Tipps, wie man die Anforderungen aussagekräftiger formuliert?
Denke immer daran, wen du mit der Anzeige erreichen willst. Den Quereinsteiger oder den Profi? Für ersteren kannst du für eine Stelle als Dachdecker schreiben „Du hast ein Händchen für Holz?“.

Für den Profi ist das klar, den lockst du eher mit Informationen: „Gedanken über die Kleidung musst du dir nicht machen, wir stellen die Ausrüstung von Firma XY und übernehmen den Wäscheservice.“ Die Person denkt sich: Cool, endlich hat es jemand verstanden. 

Oft liest man Bezeichnungen wie „Allrounder“. Ich habe zum Beispiel folgende Stellenanzeige gefunden:

Screenshot einer Stellenanzeige: Mitarbeiter/in (m/w/d) als Allrounder gesucht.

Wie schätzt du das ein?
Allrounder an sich ist ja nichts Schlechtes, es bedeutet schlicht: Hier werden Generalisten gesucht, keine Spezialisten. Aber: Niemand gibt bei der Jobsuche „Allrounder“ oder „Mitarbeiter“ in die Suchleiste ein. Man sucht nach Rollen oder Funktionen.

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Hier braucht es also dringend direkt im Titel noch einen Zusatz, welcher Bereich wirklich gemeint ist. Um auch Fachfremde anzusprechen kannst du beispielsweise den Zusatz „Quereinsteiger“ nutzen.

Überfordere ich Bewerbende auch, wenn ich zu viele „optionale“ Anforderungen stelle? Ich habe ein weiteres Beispiel:

Screenshot einer Stellenzeige: Beispiel für eine Anforderungsliste

Ich würde jeweils ergänzen, warum das wichtig ist. Wenn ich als Unternehmensberatung oder Agentur viele Projekte in Ungarn oder Polen habe, wäre es gut, wenn Bewerbende die Sprache beherrschen. Das kann man ja reinschreiben. Wenn ich generell ein internationales Team habe, kann ich das auch als Grund aufnehmen.

Jemand, der aus Ungarn oder Polen kommt, bewirbt sich vielleicht eher. Als Formulierung würde ich wie im Beispiel zu „optional“ oder „nicht zwingend notwendig“ oder „wäre von Vorteil“ raten – damit kann jeder was anfangen.

Wie sollte ich das Unternehmen in einer Stellenanzeige präsentieren?
Versuche immer so konkret wie möglich zu sein: Was machen wir besonders, was andere nicht machen? Arbeiten wir mit speziellen Materialien? Haben wir ein innovatives Werkzeug? Und hebe die Firmenkultur hervor. Aber bitte ohne Floskeln.

Also nicht von „flachen Hierarchien“ und „familiärem Umfeld“ sprechen, wie man es in jeder zweiten Anzeige liest?
Genau. Mein Tipp: Stell dir vor du tauschst das Logo und den Firmennamen aus. Könnte die Anzeige für eine andere Firma genauso funktionieren? Ja? Dann ist sie zu generisch. Schreib sie neu! Frage dich, was heißt denn „familiäres Umfeld“ konkret? Schreib lieber : „Wir gehen freitags Billard spielen“ Oder: „Wenn du umziehst, packen alle mit an.“

Welche typischen Fehler gilt es noch zu vermeiden?
Wenn ich nicht gerade eine bekannte Brand bin, sondern der Tischlerei- oder Sanitärbetrieb im Dorf, sollte ich die achtzigjährige Familiengeschichte in der Stellenanzeige aussparen. Das interessiert Bewerbende nicht. Es ist wie beim Dating: Wenn einer nur von sich redet, wird der andere schnell gelangweilt.

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Daher: Ganz oben kommen die Dinge, die du als Betrieb bietest. Unternehmensgeschichte und Erwartungen an Bewerbende ganz nach unten. Ein Tipp: Gib die Stellenanzeige einem Teammitglied und frage, ob es sich nochmal bewerben würde. Oder frage im Vorstellungsgespräch, was die Person überzeugt hat und was nicht. Dann schreibe die Stellenanzeige entsprechend um.

5 schnell umsetzbare Tipps für deine Stellenanzeige

Aus diesem Beispiel lassen sich nach Marcus Wagner 5 Tipps ableiten:

1. Cluster bilden: Du kannst vielleicht Maler und Tapezierer zusammen nehmen, aber nicht Bauhelfer und Techniker. Hier lohnen sich mehrere Anzeigen.

2. Titel optimieren: Der Titel ist extrem wichtig für Google. Dieser hier würde abgestraft werden, weil er zu viele verschiedene Keywords enthält und zu lang ist. Außerdem sollten Keywords mit „/“ und nicht mit Komma getrennt werden.

3. Schreibweise vereinheitlichen: Mal ist von Maler, dann von Techniker/in die Rede. Am besten du schreibst zuerst das Schlagwort (Maler), dann folgt „m/w/d“.

4. Reihenfolge beachten: Das wichtigste nach vorn. In dem Fall wäre es „Bauhelfer“. Wäre ich aber Techniker oder Technikerin und suche gezielt nach Stellen mit dem Stichwort „Techniker“, dann würde mir diese Anzeige vielleicht gar nicht erst angezeigt. Das ist suboptimal.

5. Gehaltsspanne sinnvoll angeben: Transparent eine Gehaltsspanne anzugeben ist an sich eine sehr gute Idee. Hier ist die Spanne aber viel zu groß, da so viele unterschiedliche Jobs zusammengepackt wurden.

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