Umarmungen am Arbeitsplatz
6 Regeln fürs Umarmen von Mitarbeitern

Soll ich als Chefin meine Mitarbeiter umarmen? impulse-Chefredakteurin Antonia Götsch haderte lange mit dieser Frage – und fragte schließlich, wie andere Chefs das handhaben. Aus den Antworten lassen sich 6 Regeln ableiten.

, von

Kommentieren
Umarmungen am Arbeitsplatz - ja oder nein? An dieser Frage scheiden sich die Geister.
Umarmungen am Arbeitsplatz - ja oder nein? An dieser Frage scheiden sich die Geister.
© fantom_rd / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

„Umarmen Sie Ihre Mitarbeiter?“, hatte ich die Leser meines Newsletters kürzlich gefragt. Die Antworten überraschten mich. Erst einmal die schiere Fülle – offenbar hatte ich einen Nerv getroffen. Überrascht hat mich aber auch die Bandbreite der Zuschriften. Allein zur Begrüßung sind nicht nur ein Handschlag, eine Umarmung und ein Hallo in die Runde üblich: In einigen Teams gibt es morgens Küsschen links und rechts oder den Faustgruß; auch wird abgeklatscht oder auf den Tisch geklopft.

Große Unterschiede bei den Antworten gab es je nach Branche, Geschlechterverteilung im Team und Unternehmensstandort. In Frauenteams wird offenbar eher geherzt als in solchen, in denen auch oder ausschließlich Männer arbeiten. Der Handschlag ist im Osten Deutschlands noch weiter verbreitet als im Westen, aber auch in Westfalen oder Bayern noch üblich. Und in Handwerk und Industrie pflegt man einen weniger innigen Umgang als in den meisten Büros.

Das zeigt: Eine eindeutige Antwort scheint es nicht zu geben auf die Frage, ob man seine Mitarbeiter umarmen sollte oder nicht. Aus den Antworten habe ich allerdings 6 Regeln für Umarmungen abgeleitet:

Regel 1: Seien Sie authentisch

„Man muss sich als Vorgesetzter erst einmal die Frage beantworten, ob ich überhaupt der Typ bin, der andere umarmen kann und diese Nähe zulassen kann. Sei ehrlich zu dir selbst und sei du selbst: authentisch!“ – diesen Rat gibt Giovanni Serpi anderen Lesern mit auf den Weg. Er selbst habe gute Erfahrungen mit Umarmungen gemacht: „Grade vorgestern habe ich eine Mitarbeiterin aus der Personalabteilung umarmt, die sich für zwei Wochen in den Urlaub verabschiedet hat, und ihr noch gesagt, dass ich das brauche, da ich sie nun für zwei Wochen entbehren muss. Das kam gut an!“

Andere fühlen sich wohler, wenn sie Umarmungen sparsamer dosieren, und manche entscheiden sich für Führung ohne Körperkontakt: „Ich umarme gar nicht“, schreibt Bastian Hahnen, „keine Mitarbeiter (dort habe ich es thematisiert), keine Ranggleichgestellten, keine Geschäftsfreunde. Wirkt auf den ersten Blick kühl und distanziert, fühlt sich für mich aber richtig und professionell an.“

Regel 2: Schauen Sie auf das Umfeld

„Umarmungen müssen in den Arbeitskontext und zur Organisationskultur passen!“, findet Andrea Spiller. Diese Auffassung schimmert in vielen E-Mails durch, die mich erreicht haben: „Stellen Sie sich bitte mal vor, wenn ich auf eine Baustelle komme und alle Mitarbeiter umarmen würde!“, schreibt etwa Andreas Schmidt, der ein Dach- und Fassadenbauunternehmen mit 40 Mitarbeitern führt.

Was aber auf die Mitarbeiter eines Kieswerks oder die Fahrer einer Lkw-Flotte befremdlich wirken mag, kann in einem jungen Büroteam durchaus völlig normal sein. „Bei uns im Unternehmen umarmen wir uns zur Begrüßung und küssen uns links, rechts und links nochmals auf den Wangen!“, schreibt beispielsweise Philipp Hofer. „Bei uns ist das schon fast ein tägliches Ritual, da wir uns im Betrieb auch als gute Freunde und jeder unser gesamtes Team auch als Familie sieht.“

Regel 3: Machen Sie’s von der Situation abhängig

Bei Geburtstagen und Jubiläen ist die Umarmung weit verbreitet – zumindest in den Teams meiner Newsletter-Leser. Doch auch in anderen Situationen kann eine Umarmung angemessen sein. Artenca Hövermann beispielsweise umarmt ihre Mitarbeiter, „wenn es um einen emotionalen Moment in ihrem Leben geht oder wenn ich merke, dass sie an ihre Grenzen stoßen“.

Und Arnold Gertsch schreibt: „Bei uns in der Kiesbranche geht es zuweilen ziemlich laut und rau zu und her. Was aber nicht heißen will, dass es nicht schon Umarmungen gegeben hat, wenn Mitarbeiter bei etwas Pech hatten (beispielsweise Maschinen kaputtgemacht) oder bei bewegten Ereignissen!“

Regel 4: Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl

Wie immer, wenn starre Regeln versagen, hilft es, auf das eigene Bauchgefühl zu hören, um sich in kniffligen Situationen richtig zu entscheiden – und dann die Situation des Gegenübers genau zu beobachten.

„Ich verlasse mich in der Regel auf meine Intuition“, schreibt Helga Ranft. „Kommt es auf 50/50 raus, teste ich beim nächsten Mal mit Handschlag an und beobachte die Reaktion, um dann ggf. auf eine Umarmung zu erweitern.“

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
Machen ist wie wollen, nur krasser
Die impulse-Mitgliedschaft - Rückenwind für Unternehmerinnen und Unternehmer

So ähnlich handhabt es auch Susan Kindler: „Meist höre ich auf mein Bauchgefühl, wenn ich unsicher bin – soll ich umarmen oder nicht? Wenn mein Impuls nicht erwidert wird oder ich spüre, dass der andere unangenehm berührt ist oder auf Distanz geht, lasse ich es bleiben (spätestens beim nächsten Mal).“

Regel 5: Achten Sie auf Signale

Wilhelm Dallmann, in dessen Firma zu Geburtstagen oder nach langer Abwesenheit umarmt wird, achtet bei der Entscheidung für oder gegen eine Umarmung darauf, wie formell der Mitarbeiter sich sonst gibt: „Wer mit dem Du zurückhaltend ist, der/die wird auch nicht umarmt.“

Auch Lutz Götze behält nonverbale Signale genau im Blick: „Am Ende entscheidet jeder selbst, wenn schon nicht per Aussage, dann über Körpersprache. Wer sich nicht wohl fühlt, lässt es sich anmerken. Dann Hände weg.“

Regel 6: Fragen Sie nach

„Ich habe mir angewöhnt, meine Mitarbeiter einfach direkt zu fragen, ob es okay ist, sie zu umarmen“, schrieb beispielsweise Tom Seiler. So handhabt es auch Henrike Hoppe – etwa mit den Worten: „Darf ich dich umarmen?“ oder: „Dafür könnte ich dich drücken … darf ich?!“

Christian Dietz entschied sich für einen formelleren Weg: Er sprach das Thema im Personalgespräch mit jedem einzelnen Mitarbeiter an. Das war ihm auch deshalb wichtig, weil er fast nur mit Frauen zusammenarbeitet: „Da ist das Thema männlicher Chef / weibliche Mitarbeiterin ja nochmal ein anderes, daher wollte ich auf Nummer sicher gehen.“ Die Reaktionen seiner Mitarbeiterinnen überraschten ihn: „Die meisten haben sich gewundert, über was ich mir so Gedanken mache, und meinten, dass sie mit einer Umarmung gar keine Probleme hätten.“

„Umarmen Sie Ihre Mitarbeiter?“, hatte ich die Leser meines Newsletters kürzlich gefragt. Die Antworten überraschten mich. Erst einmal die schiere Fülle – offenbar hatte ich einen Nerv getroffen. Überrascht hat mich aber auch die Bandbreite der Zuschriften. Allein zur Begrüßung sind nicht nur ein Handschlag, eine Umarmung und ein Hallo in die Runde üblich: In einigen Teams gibt es morgens Küsschen links und rechts oder den Faustgruß; auch wird abgeklatscht oder auf den Tisch geklopft. Große Unterschiede bei den Antworten gab es je nach Branche, Geschlechterverteilung im Team und Unternehmensstandort. In Frauenteams wird offenbar eher geherzt als in solchen, in denen auch oder ausschließlich Männer arbeiten. Der Handschlag ist im Osten Deutschlands noch weiter verbreitet als im Westen, aber auch in Westfalen oder Bayern noch üblich. Und in Handwerk und Industrie pflegt man einen weniger innigen Umgang als in den meisten Büros. Das zeigt: Eine eindeutige Antwort scheint es nicht zu geben auf die Frage, ob man seine Mitarbeiter umarmen sollte oder nicht. Aus den Antworten habe ich allerdings 6 Regeln für Umarmungen abgeleitet: Regel 1: Seien Sie authentisch „Man muss sich als Vorgesetzter erst einmal die Frage beantworten, ob ich überhaupt der Typ bin, der andere umarmen kann und diese Nähe zulassen kann. Sei ehrlich zu dir selbst und sei du selbst: authentisch!“ – diesen Rat gibt Giovanni Serpi anderen Lesern mit auf den Weg. Er selbst habe gute Erfahrungen mit Umarmungen gemacht: „Grade vorgestern habe ich eine Mitarbeiterin aus der Personalabteilung umarmt, die sich für zwei Wochen in den Urlaub verabschiedet hat, und ihr noch gesagt, dass ich das brauche, da ich sie nun für zwei Wochen entbehren muss. Das kam gut an!“ Andere fühlen sich wohler, wenn sie Umarmungen sparsamer dosieren, und manche entscheiden sich für Führung ohne Körperkontakt: „Ich umarme gar nicht“, schreibt Bastian Hahnen, „keine Mitarbeiter (dort habe ich es thematisiert), keine Ranggleichgestellten, keine Geschäftsfreunde. Wirkt auf den ersten Blick kühl und distanziert, fühlt sich für mich aber richtig und professionell an.“ Regel 2: Schauen Sie auf das Umfeld „Umarmungen müssen in den Arbeitskontext und zur Organisationskultur passen!“, findet Andrea Spiller. Diese Auffassung schimmert in vielen E-Mails durch, die mich erreicht haben: „Stellen Sie sich bitte mal vor, wenn ich auf eine Baustelle komme und alle Mitarbeiter umarmen würde!“, schreibt etwa Andreas Schmidt, der ein Dach- und Fassadenbauunternehmen mit 40 Mitarbeitern führt. Was aber auf die Mitarbeiter eines Kieswerks oder die Fahrer einer Lkw-Flotte befremdlich wirken mag, kann in einem jungen Büroteam durchaus völlig normal sein. „Bei uns im Unternehmen umarmen wir uns zur Begrüßung und küssen uns links, rechts und links nochmals auf den Wangen!“, schreibt beispielsweise Philipp Hofer. „Bei uns ist das schon fast ein tägliches Ritual, da wir uns im Betrieb auch als gute Freunde und jeder unser gesamtes Team auch als Familie sieht.“ Regel 3: Machen Sie’s von der Situation abhängig Bei Geburtstagen und Jubiläen ist die Umarmung weit verbreitet – zumindest in den Teams meiner Newsletter-Leser. Doch auch in anderen Situationen kann eine Umarmung angemessen sein. Artenca Hövermann beispielsweise umarmt ihre Mitarbeiter, „wenn es um einen emotionalen Moment in ihrem Leben geht oder wenn ich merke, dass sie an ihre Grenzen stoßen“. Und Arnold Gertsch schreibt: „Bei uns in der Kiesbranche geht es zuweilen ziemlich laut und rau zu und her. Was aber nicht heißen will, dass es nicht schon Umarmungen gegeben hat, wenn Mitarbeiter bei etwas Pech hatten (beispielsweise Maschinen kaputtgemacht) oder bei bewegten Ereignissen!“ Regel 4: Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl Wie immer, wenn starre Regeln versagen, hilft es, auf das eigene Bauchgefühl zu hören, um sich in kniffligen Situationen richtig zu entscheiden – und dann die Situation des Gegenübers genau zu beobachten. „Ich verlasse mich in der Regel auf meine Intuition“, schreibt Helga Ranft. „Kommt es auf 50/50 raus, teste ich beim nächsten Mal mit Handschlag an und beobachte die Reaktion, um dann ggf. auf eine Umarmung zu erweitern.“ So ähnlich handhabt es auch Susan Kindler: „Meist höre ich auf mein Bauchgefühl, wenn ich unsicher bin - soll ich umarmen oder nicht? Wenn mein Impuls nicht erwidert wird oder ich spüre, dass der andere unangenehm berührt ist oder auf Distanz geht, lasse ich es bleiben (spätestens beim nächsten Mal).“ Regel 5: Achten Sie auf Signale Wilhelm Dallmann, in dessen Firma zu Geburtstagen oder nach langer Abwesenheit umarmt wird, achtet bei der Entscheidung für oder gegen eine Umarmung darauf, wie formell der Mitarbeiter sich sonst gibt: „Wer mit dem Du zurückhaltend ist, der/die wird auch nicht umarmt.“ Auch Lutz Götze behält nonverbale Signale genau im Blick: „Am Ende entscheidet jeder selbst, wenn schon nicht per Aussage, dann über Körpersprache. Wer sich nicht wohl fühlt, lässt es sich anmerken. Dann Hände weg.“ Regel 6: Fragen Sie nach „Ich habe mir angewöhnt, meine Mitarbeiter einfach direkt zu fragen, ob es okay ist, sie zu umarmen“, schrieb beispielsweise Tom Seiler. So handhabt es auch Henrike Hoppe – etwa mit den Worten: "Darf ich dich umarmen?" oder: "Dafür könnte ich dich drücken ... darf ich?!" Christian Dietz entschied sich für einen formelleren Weg: Er sprach das Thema im Personalgespräch mit jedem einzelnen Mitarbeiter an. Das war ihm auch deshalb wichtig, weil er fast nur mit Frauen zusammenarbeitet: „Da ist das Thema männlicher Chef / weibliche Mitarbeiterin ja nochmal ein anderes, daher wollte ich auf Nummer sicher gehen.“ Die Reaktionen seiner Mitarbeiterinnen überraschten ihn: „Die meisten haben sich gewundert, über was ich mir so Gedanken mache, und meinten, dass sie mit einer Umarmung gar keine Probleme hätten.“