Risikobereitschaft
So lernen Sie, mutiger zu sein

Angst ist ein riesiger Kostenfaktor für Unternehmen, sagt Patrick Herrmann. Doch wie können Chefs und Mitarbeiter mutiger werden? Ein Interview über Mutproben, Glückshormone und mutstiftende Führung.

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Sprung ins Ungewisse:  Mutproben helfen, als Unternehmer mehr – gesunde – Risikobereitschaft zu zeigen.
Sprung ins Ungewisse: Mutproben helfen, als Unternehmer mehr – gesunde – Risikobereitschaft zu zeigen.
© jdirmeitis / photocase.de

impulse: Herr Herrmann, Sie bezeichnen sich selbst als „Mutstifter“. Wie definieren Sie Mut?

Patrick Herrmann: Mut ist für mich die Bereitschaft, trotz Risiko, Angst und Unsicherheit zu handeln. Wichtig: Die Handlung sollte auf ein moralisches Ziel ausgerichtet sein – sonst wäre der Räuber mutig, der eine alte Frau überfällt und ihr die Handtasche klaut.

Kann man lernen, mutiger zu sein?

Wir können Mut trainieren wie alles andere auch, davon bin ich überzeugt. Kinder machen das automatisch: Sie klettern jeden Tag im Baum ein Stückchen höher, bis sie irgendwann ganz oben angekommen sind.

Ich soll auf Bäume klettern?

Nicht unbedingt. Schreiben Sie eine Liste mit 20 Dingen, vor denen Sie Angst haben – ganz schön viel Angst oder auch nur ein bisschen. Die einzige Bedingung: Bei diesen 20 Herausforderungen sollte ein persönliches Risiko dabei sein, beispielsweise das Risiko des Scheiterns.

Was könnte das sein?

Zur Person
Patrick Herrmann ist Speaker, Trainer und Coach für positive Psychologie mit Schwerpunkt Mut und bietet Seminare in mutstiftender Führung an. Sein Credo: "Mut schafft Veränderung und bietet einmalige Chancen." Herrmanns Buch "30 Minuten Mut" ist im Gabal Verlag erschienen.

Zum Beispiel: Ich gebe in meiner Firma Verantwortung an einen Mitarbeiter ab. Ich stehe dazu, einen Fehler gemacht zu haben. Oder auch: Ich lege mich mitten in der Fußgängerzone für 30 Sekunden auf den Boden.

Was kann dabei schon schiefgehen?

Es kann passieren, dass die Leute über Sie lachen, wenn sie das tun. Ausgrenzung aus der Gruppe, davor haben viele Menschen Angst. Eine nachvollziehbare Angst: Für unsere Ahnen war es tödlich, ausgegrenzt zu werden.

Okay, ich habe meine Liste. Was jetzt?

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Jetzt ordnen Sie die 20 Dinge in drei Kategorien ein: „Das mache ich auf gar keinen Fall“, „Das mache ich vielleicht“ und „Das kann ich mir vorstellen.“

Ich ahne, wie es weitergeht. Als Nächstes suche ich mir einen Punkt von meiner „Kann ich mir vorstellen“-Liste aus …

… und dann tun Sie’s, ganz genau.

Und diese Mutprobe soll mir helfen, mutige unternehmerische Entscheidungen zu treffen? Wieso das?

Weil Sie dadurch lernen: Ich bin in der Lage, meine Angst zu überwinden und zu handeln. Und: Wenn ich meine Angst überwinde und handle, passiert nicht immer etwas Schlimmes. Durch diese Erfahrung werden Sie handlungsbereiter und lernen, mit Angst und Unsicherheit umzugehen. Das ist ein ganz einfaches neurologisches Phänomen.

Was meinen Sie damit?

Wenn wir Angst haben, schüttet der Körper Adrenalin aus: Das Herz pumpt schneller, der Puls steigt, vielleicht werden die Hände etwas feucht. Wenn wir unsere Angst überwinden und Erfolg haben, spüren wir Glückshormone. Diese Erfahrung speichert der Körper ab.

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Kann ich noch etwas tun, um das zu unterstützen?

Machen Sie sich Ihren Erfolg bewusst. Sagen Sie sich im Spiegel: „Hey, ich bin echt stolz darauf, dass ich mich überwunden habe.“ Es mag verrückt klingen, aber dem Hirn ist es egal, ob Sie selbst das zu sich sagen oder jemand anderes.

Mit anderen Worten: Wenn ich bereit bin, meine Komfortzone zu verlassen, kann ich mein Hirn auf Mut polen.

Außerhalb der Komfortzone mag es anstrengend und unbequem sein, aber ich muss sogar noch ein Stückchen weiter gehen. Ich muss rein in die Mutzone: dahin, wo ich am liebsten gar nicht hinmöchte – weil ich Angst habe. Nur dort erlange ich Handlungsbereitschaft trotz Risiko und Angst. Und die brauchen Unternehmer heute mehr denn je.

Warum?

Durch die Digitalisierung verändern sich die Märkte heute schneller als je zuvor. Als Unternehmer muss ich daher bereit sein, auch mich und mein Unternehmen zu verändern. Veränderung birgt immer das Risiko, dass ich mich falsch entscheide und scheitere; sie birgt aber auch die Chance auf Erfolg. Verfalle ich dagegen in Schockstarre und handle gar nicht oder werde ich aktionistisch, bringt das auf jeden Fall unkalkulierbare Risiken mit sich.

Doch was, wenn ich eine mutige Entscheidung treffe und sie sich hinterher als falsch erweist? Ich gebe Verantwortung an einen Mitarbeiter ab und verliere dadurch einen wichtigen Kunden. Ich gebe einen Fehler zu und werde ausgelacht.

Dann muss ich aufstehen und weitermachen.

Leichter gesagt als getan.

Wir haben das in uns, sonst würden wir niemals laufen lernen. Kleinkinder sagen schließlich auch nicht: Jetzt bin ich dreimal auf die Windel geknallt, ich lass‘ das lieber sein mit dem Laufen. Dennoch muss man sich das erarbeiten, das braucht seine Zeit. Aber durch die Mutproben erfahre ich Selbstwirksamkeit. Ich verstehe, dass Scheitern nicht das Ende ist, sondern nur eine neue Erfahrung. Und dass ich aus jedem Fehler lernen kann.

Aus Fehlern lernen – das hört sich immer so leicht an. In vielen Unternehmen ist es doch eher so, dass Fehler vertuscht werden.

Ja, Fehlerkultur in Unternehmen ist ein ganz wichtiges Thema! Chefs brauchen nicht nur selber Mut – sie sollten auch ihre Mitarbeiter ermutigen, sich etwas zuzutrauen, und es aushalten, wenn in der Firma mal was schiefgeht. Denn wenn ein Mitarbeiter einen Fehler begeht und ich als Chef mache den daraufhin vor allen anderen zur Sau, schüre ich Angst. Und Angst ist nicht nur zwischenmenschlich eine Katastrophe, sondern auch ökonomisch.

Warum das?

Angst ist ein riesiger Kostenfaktor für Unternehmen: Wer Angst vor dem Chef hat, oder Angst, den Job zu verlieren, der arbeitet weniger effizient. Wissenschaftler gehen davon aus, dass verängstigte Mitarbeiter 20 Prozent weniger leistungsfähig sind. 2006, zu Zeiten der Wirtschaftskrise, hat man ausgerechnet, dass deutsche Unternehmen jährlich mindestens 100 Milliarden Euro durch Angst verlieren.

Wie nehme ich meinen Leuten die Angst?

Durch das Konzept der „mutstiftenden Führung“. Wenn einem Mitarbeiter immer alle Entscheidungen abgenommen wurden, hat er im Ernstfall nicht das Selbstvertrauen, eine Entscheidung zu treffen. Daher muss ich als Chef Verantwortung an meine Mitarbeiter abgeben, damit sie ihre eigenen Erfahrungen machen können.

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Ich stehe dazu, einen Fehler gemacht zu haben. Oder auch: Ich lege mich mitten in der Fußgängerzone für 30 Sekunden auf den Boden. Was kann dabei schon schiefgehen? Es kann passieren, dass die Leute über Sie lachen, wenn sie das tun. Ausgrenzung aus der Gruppe, davor haben viele Menschen Angst. Eine nachvollziehbare Angst: Für unsere Ahnen war es tödlich, ausgegrenzt zu werden. Okay, ich habe meine Liste. Was jetzt? Jetzt ordnen Sie die 20 Dinge in drei Kategorien ein: „Das mache ich auf gar keinen Fall“, „Das mache ich vielleicht“ und „Das kann ich mir vorstellen.“ Ich ahne, wie es weitergeht. Als Nächstes suche ich mir einen Punkt von meiner „Kann ich mir vorstellen“-Liste aus … … und dann tun Sie’s, ganz genau. Und diese Mutprobe soll mir helfen, mutige unternehmerische Entscheidungen zu treffen? Wieso das? Weil Sie dadurch lernen: Ich bin in der Lage, meine Angst zu überwinden und zu handeln. Und: Wenn ich meine Angst überwinde und handle, passiert nicht immer etwas Schlimmes. Durch diese Erfahrung werden Sie handlungsbereiter und lernen, mit Angst und Unsicherheit umzugehen. Das ist ein ganz einfaches neurologisches Phänomen. Was meinen Sie damit? Wenn wir Angst haben, schüttet der Körper Adrenalin aus: Das Herz pumpt schneller, der Puls steigt, vielleicht werden die Hände etwas feucht. Wenn wir unsere Angst überwinden und Erfolg haben, spüren wir Glückshormone. Diese Erfahrung speichert der Körper ab. Kann ich noch etwas tun, um das zu unterstützen? Machen Sie sich Ihren Erfolg bewusst. Sagen Sie sich im Spiegel: „Hey, ich bin echt stolz darauf, dass ich mich überwunden habe.“ Es mag verrückt klingen, aber dem Hirn ist es egal, ob Sie selbst das zu sich sagen oder jemand anderes. Mit anderen Worten: Wenn ich bereit bin, meine Komfortzone zu verlassen, kann ich mein Hirn auf Mut polen. Außerhalb der Komfortzone mag es anstrengend und unbequem sein, aber ich muss sogar noch ein Stückchen weiter gehen. Ich muss rein in die Mutzone: dahin, wo ich am liebsten gar nicht hinmöchte – weil ich Angst habe. Nur dort erlange ich Handlungsbereitschaft trotz Risiko und Angst. Und die brauchen Unternehmer heute mehr denn je. Warum? Durch die Digitalisierung verändern sich die Märkte heute schneller als je zuvor. Als Unternehmer muss ich daher bereit sein, auch mich und mein Unternehmen zu verändern. Veränderung birgt immer das Risiko, dass ich mich falsch entscheide und scheitere; sie birgt aber auch die Chance auf Erfolg. Verfalle ich dagegen in Schockstarre und handle gar nicht oder werde ich aktionistisch, bringt das auf jeden Fall unkalkulierbare Risiken mit sich. Doch was, wenn ich eine mutige Entscheidung treffe und sie sich hinterher als falsch erweist? Ich gebe Verantwortung an einen Mitarbeiter ab und verliere dadurch einen wichtigen Kunden. Ich gebe einen Fehler zu und werde ausgelacht. Dann muss ich aufstehen und weitermachen. Leichter gesagt als getan. Wir haben das in uns, sonst würden wir niemals laufen lernen. Kleinkinder sagen schließlich auch nicht: Jetzt bin ich dreimal auf die Windel geknallt, ich lass‘ das lieber sein mit dem Laufen. Dennoch muss man sich das erarbeiten, das braucht seine Zeit. Aber durch die Mutproben erfahre ich Selbstwirksamkeit. Ich verstehe, dass Scheitern nicht das Ende ist, sondern nur eine neue Erfahrung. Und dass ich aus jedem Fehler lernen kann. Aus Fehlern lernen – das hört sich immer so leicht an. In vielen Unternehmen ist es doch eher so, dass Fehler vertuscht werden. Ja, Fehlerkultur in Unternehmen ist ein ganz wichtiges Thema! Chefs brauchen nicht nur selber Mut – sie sollten auch ihre Mitarbeiter ermutigen, sich etwas zuzutrauen, und es aushalten, wenn in der Firma mal was schiefgeht. Denn wenn ein Mitarbeiter einen Fehler begeht und ich als Chef mache den daraufhin vor allen anderen zur Sau, schüre ich Angst. Und Angst ist nicht nur zwischenmenschlich eine Katastrophe, sondern auch ökonomisch. Warum das? Angst ist ein riesiger Kostenfaktor für Unternehmen: Wer Angst vor dem Chef hat, oder Angst, den Job zu verlieren, der arbeitet weniger effizient. Wissenschaftler gehen davon aus, dass verängstigte Mitarbeiter 20 Prozent weniger leistungsfähig sind. 2006, zu Zeiten der Wirtschaftskrise, hat man ausgerechnet, dass deutsche Unternehmen jährlich mindestens 100 Milliarden Euro durch Angst verlieren. Wie nehme ich meinen Leuten die Angst? Durch das Konzept der „mutstiftenden Führung“. Wenn einem Mitarbeiter immer alle Entscheidungen abgenommen wurden, hat er im Ernstfall nicht das Selbstvertrauen, eine Entscheidung zu treffen. Daher muss ich als Chef Verantwortung an meine Mitarbeiter abgeben, damit sie ihre eigenen Erfahrungen machen können.
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