Thomas Selters größter Fehler
„Ich habe in der Krise viel zu lange gewartet“

Thomas Selter, 67, Inhaber und Geschäftsführer des Nadelherstellers Gustav Selter, über sein Versäumnis, in einer schweren Krise entschlossen zu handeln.

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Thomas Selter, 67, ist Geschäftsführer des Nadelherstellers Gustav Selter.
Thomas Selter, 67, ist Geschäftsführer des Nadelherstellers Gustav Selter.
© Carsten Behler für impulse

Ich habe unser Unternehmen einmal massiv in Gefahr gebracht. Ehrlich gesagt, wären wir fast in die Pleite geschlittert. Wir stellen Strick- und Häkelnadeln in Westfalen her – mit mir bereits in sechster Generation.

Ende 1986 brach der Markt weltweit zusammen. Handarbeit war nach einem mehrjährigen Boom einfach out. Wir verloren rund 50 Prozent unseres Umsatzes in einem Jahr! Das ist für einen produzierenden Betrieb eigentlich ein Todesurteil. Von den 14 Stricknadelherstellern in Europa verschwanden damals 13 vom Markt.

Mein Fehler war, dass ich in der Krise viel zu lange gewartet habe. Ich dachte zunächst, das ist nur eine Delle, das wird sich wieder beruhigen. Ich kannte ja nur den Erfolg. Mit 24 Jahren war ich 1971 in den Familienbetrieb eingestiegen – und es ging jedes Jahr bergauf, mehr Umsatz, mehr Gewinn.

„Wir saßen an einem Tisch und hatten alle Tränen in den Augen“

Fast zwei Jahre vergingen, bis ich in der Krise die notwendigen Konsequenzen zog. 64 Arbeitsplätze mussten wir auf 27 reduzieren. Zum Glück gingen damals einige unserer Beschäftigten in Rente. Aber fünf Mitarbeitern habe ich auch auf einmal kündigen müssen. Wir saßen an einem Tisch und hatten alle Tränen in den Augen. Gerade als Familienunternehmer fällt es schwer, sich von Mitarbeitern zu trennen.

Heute muss ich sagen, mir fehlten lange der Mut und die Entschiedenheit, entschlossen zu handeln. Und ich war auch zu optimistisch mit meiner Einschätzung – eigentlich eine gute Eigenschaft für Unternehmer, die in der Krise aber fatal wirken kann.

„Ich habe seit der Krise meine sogenannten 86er-Antennen“

Wir haben die Durststrecke mit der kleinen Besatzung durchgestanden und neue Märkte erschlossen. Zunächst strickten und häkelten die Amerikaner wieder, dann folgte Europa, ab 1999 stieg die Nachfrage massiv. Wir erleben seitdem gute Zeiten, liefern in 50 Länder und sind heute wieder 100 Mitarbeiter.

Doch ich habe seit der Krise meine sogenannten 86er-Antennen. Ich schaue genau hin, wenn sich der Markt verändert – und reagiere im Zweifel viel schneller als 1986.

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Ich habe unser Unternehmen einmal massiv in Gefahr gebracht. Ehrlich gesagt, wären wir fast in die Pleite geschlittert. Wir stellen Strick- und Häkelnadeln in Westfalen her – mit mir bereits in sechster Generation. Ende 1986 brach der Markt weltweit zusammen. Handarbeit war nach einem mehrjährigen Boom einfach out. Wir verloren rund 50 Prozent unseres Umsatzes in einem Jahr! Das ist für einen produzierenden Betrieb eigentlich ein Todesurteil. Von den 14 Stricknadelherstellern in Europa verschwanden damals 13 vom Markt. Mein Fehler war, dass ich in der Krise viel zu lange gewartet habe. Ich dachte zunächst, das ist nur eine Delle, das wird sich wieder beruhigen. Ich kannte ja nur den Erfolg. Mit 24 Jahren war ich 1971 in den Familienbetrieb eingestiegen – und es ging jedes Jahr bergauf, mehr Umsatz, mehr Gewinn. "Wir saßen an einem Tisch und hatten alle Tränen in den Augen" Fast zwei Jahre vergingen, bis ich in der Krise die notwendigen Konsequenzen zog. 64 Arbeitsplätze mussten wir auf 27 reduzieren. Zum Glück gingen damals einige unserer Beschäftigten in Rente. Aber fünf Mitarbeitern habe ich auch auf einmal kündigen müssen. Wir saßen an einem Tisch und hatten alle Tränen in den Augen. Gerade als Familienunternehmer fällt es schwer, sich von Mitarbeitern zu trennen. Heute muss ich sagen, mir fehlten lange der Mut und die Entschiedenheit, entschlossen zu handeln. Und ich war auch zu optimistisch mit meiner Einschätzung – eigentlich eine gute Eigenschaft für Unternehmer, die in der Krise aber fatal wirken kann. "Ich habe seit der Krise meine sogenannten 86er-Antennen" Wir haben die Durststrecke mit der kleinen Besatzung durchgestanden und neue Märkte erschlossen. Zunächst strickten und häkelten die Amerikaner wieder, dann folgte Europa, ab 1999 stieg die Nachfrage massiv. Wir erleben seitdem gute Zeiten, liefern in 50 Länder und sind heute wieder 100 Mitarbeiter. Doch ich habe seit der Krise meine sogenannten 86er-Antennen. Ich schaue genau hin, wenn sich der Markt verändert – und reagiere im Zweifel viel schneller als 1986.
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