Eigenverantwortung fördern
Ihr meistert das!

Mitarbeiter mit Eigenverantwortung können Entscheidungen auch ohne ihre Chefin treffen. Genau das will Unternehmerin Vanessa Weber fördern. Wie, das beschreibt sie in ihrem impulse-Blog.

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Den Mitarbeitern das Steuerrad in die Hand geben ist für den Chef nicht immer leicht, hat aber auch viele Vorteile.
Den Mitarbeitern das Steuerrad in die Hand geben ist für den Chef nicht immer leicht, hat aber auch viele Vorteile.
© thomaslerchphoto - Fotolia.com

Jahrelang hatte ich meinen Schreibtisch im Großraumbüro. Ich saß mittendrin im Geschehen, habe mitbekommen, was meine Mitarbeiter beschäftigt, und bei Fragen war ich für sie immer greifbar. Mit dem Umbau der Büroräume vor über einem Jahr hatte ich dann plötzlich mein eigenes Büro im ersten Stock – zwangsweise: Der Umzug war nicht geplant, sondern einer Renovierung geschuldet.

Ganz allein zu sein, war am Anfang sehr ungewohnt. Aber die neue Lage hatte auch Vorteile. Jetzt habe ich mehr Distanz zum Tagesgeschäft. Früher sind wegen alltäglichen Angebotskalkulationen und Aufräumen im Lager strategische Aufgaben oft liegen geblieben. Dabei braucht man als Geschäftsführer den Adlerblick: Man muss über den Dingen stehen, um planen zu können.

Wie soll das Warenwirtschaftssystem weiterentwickelt, wie können Mitarbeiter gefördert werden, wie können wir Kunden an uns binden und die Digitalisierung vorantreiben? Für diese Fragen habe ich seit dem Umzug viel mehr Zeit – und auch Lösungen: Zum Beispiel habe ich kürzlich einen E-Commerce-Manager eingestellt, um uns bei der Digitalisierung zu unterstützen. Das ist ungewöhnlich für kleinen Betrieb mit nur 20 Mitarbeitern.

Am meisten hat sich seit dem Umzug aber die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern verändert – hin zu mehr Eigenverantwortung für jeden einzelnen. Dieser Prozess ist langwierig und auch für mich als Chefin eine Herausforderung, aber die gewonnene Zeit ist kostbar.

7 Tipps, wie Sie die Eigenverantwortung Ihrer Mitarbeiter fördern können:

Ein eigenes Büro beziehen
Dass ich mich auf die strategischen unternehmerischen Entscheidungen besser konzentrieren kann, war der wichtige Effekt des Umzugs in ein eigenes Büro. Doch das ging nur unter der Bedingung, dass meine Mitarbeiter selbstständige Entscheidungen treffen würden.

Dabei hat mir ein eigentlich ganz trivialer Fakt geholfen: die Treppe in den ersten Stock. Im Großraumbüro konnten sie mir ihre Fragen durch den Raum zurufen, jetzt gibt es eine gedankliche Barriere. Meine Mitarbeiter fragen sich nun automatisch zweimal selbst, ob sie das Problem nicht alleine lösen können, bevor sie sich auf den Weg in den ersten Stock machen.

Stärkenprofil der Mitarbeiter erstellen
Schon einige Monate vor dem Büroumbau haben wir bei einem Pferdecoaching ein Stärkenprofil jedes Mitarbeiters erstellen lassen: Welche Aufgaben liegen dem Mitarbeiter, welche weniger? Auf dieser Grundlage haben wir einige Stellen verändert und umbesetzt.

Diese Strategie hat die Motivation der Mitarbeiter erhöht, nun können wir Kompetenzen effektiver nutzen. Damit ist eine gute Basis für mehr Selbstständigkeit gelegt. Denn in ihrem Expertenbereich sollen meine Mitarbeiter möglichst viele operative Aufgaben selbst verantworten, zum Beispiel, ob sie Mahnungen rausschicken sollen, eine Gutschrift vergeben oder Skonto erlassen.

Gegenfragen stellen
Kommen Mitarbeiter zu mir ins Büro und fragen mich etwas, zum Beispiel zur Kalkulation für ein Angebot, habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder beantworte ich ihre Frage direkt und wähle einen Preis aus – oder ich stelle eine Gegenfrage. Früher habe ich meist selbst entschieden, aber heute frage ich: „Was würdest Du denn an meiner Stelle tun?“ Damit gebe ich den Mitarbeitern die Chance, selbst über das Problem nachzudenken.

Mittlerweile kommen meine Mitarbeiter schon mit konkreten Vorschlägen zu mir ins Büro, in gut 90 Prozent der Fälle hätte ich genauso entschieden. Wenn ich etwas ändern möchte, begründe ich meine Entscheidung detailliert, sodass sie meine Gedanken nachvollziehen und das nächste Mal auch so handeln können.

Selbstdisziplin wahren
Es ist gar nicht so leicht, sich zu zwingen, bei diesem Gegenfrage-Jargon zu bleiben. Schneller wäre ich Aufgabe wahrscheinlich erledigt, wenn ich anstelle von Gegenfragen wie „Was würdest Du denn tun?“ einfach sagen würde: „Ach, gibt her, ich mach das schon“. Das ist mir an Anfang gar nicht leicht gefallen.

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
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Sicherheit geben
Die meisten Mitarbeiter motiviert es sehr, eigene Entscheidungen treffen zu dürfen. Aber natürlich gibt es auch weniger risikofreudige, die nicht gerne Verantwortung übernehmen möchten. Ich möchte Sicherheit geben und niemanden mit seinen Aufgaben überfordern. Das geht am besten in dieser Reihenfolge: erklären, nachfragen, Feedback geben, loben.

Damit meine Mitarbeiter sich sicher fühlen, sage ich ihnen im Vorhinein ganz bewusst: „Du darfst die Entscheidung treffen und das Angebot kalkulieren.“ Diese direkte Aufforderung und viele Erklärungen sind vor allem dann wichtig, wenn die Mitarbeiter neue Aufgaben bekommen. Sonst würden sie ja in einem luftleeren Raum schweben, ohne die Konsequenzen abschätzen zu können.

Fehler zulassen
Fehler passieren jedem. „Einmal läufst du gegen die Wand, das nächste Mal gehst du außen herum“, hat mein Vater mir immer gesagt. Deswegen ist mein Motto auch: „Ein Fehler darf passieren, aber kein Fehler zwei Mal.“ Man muss sich bewusst sein, dass auch Fehler passieren können, wenn Mitarbeiter selbst Entscheidungen treffen: zum Beispiel dass ein falsch kalkuliertes Angebot an den Kunden geschickt wird. Man muss behutsam mit diesen Situationen umgehen, denn sonst wird der Mitarbeiter Angst haben, weitere Entscheidungen allein zu treffen.

Kaizen und Lean im Büro
Eine große Hilfe beim Wandel der Unternehmenskultur hin zu mehr Selbstständigkeit war ein Vortrag von Christian Elbert. Er arbeitet bei der Firma Wika, die selbst auf Eigenverantwortlichkeit setzt. Für meine Mitarbeiter war es interessant, das Thema aus der Sicht eines Angestellten erklärt zu bekommen. Außerdem wurden wir in die Philosophie von Kaizen und Lean eingeführt, die das erfolgreiche eigenverantwortliche Arbeiten unterstützt. Die Begriffe stehen für den Wandel zu einer schlanken Unternehmenskultur, die Verschwendung auf allen Ebenen vermeidet und damit kontinuierlich Qualität, Produktivität und Lieferzuverlässigkeit verbessert.

Ihr Büro hat die Unternehmerin Vanessa Weber bewußt eingerichtet: nach den Kriterien von Kaizen und Lean. © Dirk Möller

Ihr Büro hat die Unternehmerin Vanessa Weber bewußt eingerichtet: nach den Kriterien von Kaizen und Lean. © Dirk Möller© Dirk Möller

Jeder Mitarbeiter hat sich dabei selbst hinterfragt und festgestellt, wo Optimierungsbedarf besteht. Seitdem wird dieser Prozess weitergeführt. Die Buchhaltung hat ihr Ablagesystem komplett umgestellt, jeden Donnerstag hat eine Abteilung einen Lean-Tag und räumt die eigenen Arbeitsräume auf und um. In jeder Abteilung gibt es einen Verantwortlichen für den Kaizen-Lean-Prozess. Demnächst soll es ein erstes Feedback-Treffen mit allen Mitarbeiter geben.

Als Chefin muss ich als gutes Vorbild vorangehen. Das erfordert viel Selbstdisziplin. Aber es lohnt sich, denn wenn man sein Büro regelmäßig aufräumt, kann man nicht nur produktiver arbeiten, sondern fühlt sich auch viel besser.

Die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter nimmt ständig zu. Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich sagen, dass wir bei 8,5 sind. Natürlich geht so etwas nicht von heute auf morgen, und Nachbessern ist erlaubt! Im Vergleich zur Zeit des Umzugs haben wir einen großen Sprung nach vorne gemacht. Ich vertraue meinen Mitarbeitern und weiß: Die meistern das!

 

Jahrelang hatte ich meinen Schreibtisch im Großraumbüro. Ich saß mittendrin im Geschehen, habe mitbekommen, was meine Mitarbeiter beschäftigt, und bei Fragen war ich für sie immer greifbar. Mit dem Umbau der Büroräume vor über einem Jahr hatte ich dann plötzlich mein eigenes Büro im ersten Stock - zwangsweise: Der Umzug war nicht geplant, sondern einer Renovierung geschuldet. Ganz allein zu sein, war am Anfang sehr ungewohnt. Aber die neue Lage hatte auch Vorteile. Jetzt habe ich mehr Distanz zum Tagesgeschäft. Früher sind wegen alltäglichen Angebotskalkulationen und Aufräumen im Lager strategische Aufgaben oft liegen geblieben. Dabei braucht man als Geschäftsführer den Adlerblick: Man muss über den Dingen stehen, um planen zu können. Wie soll das Warenwirtschaftssystem weiterentwickelt, wie können Mitarbeiter gefördert werden, wie können wir Kunden an uns binden und die Digitalisierung vorantreiben? Für diese Fragen habe ich seit dem Umzug viel mehr Zeit - und auch Lösungen: Zum Beispiel habe ich kürzlich einen E-Commerce-Manager eingestellt, um uns bei der Digitalisierung zu unterstützen. Das ist ungewöhnlich für kleinen Betrieb mit nur 20 Mitarbeitern. Am meisten hat sich seit dem Umzug aber die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern verändert – hin zu mehr Eigenverantwortung für jeden einzelnen. Dieser Prozess ist langwierig und auch für mich als Chefin eine Herausforderung, aber die gewonnene Zeit ist kostbar. 7 Tipps, wie Sie die Eigenverantwortung Ihrer Mitarbeiter fördern können: Ein eigenes Büro beziehen Dass ich mich auf die strategischen unternehmerischen Entscheidungen besser konzentrieren kann, war der wichtige Effekt des Umzugs in ein eigenes Büro. Doch das ging nur unter der Bedingung, dass meine Mitarbeiter selbstständige Entscheidungen treffen würden. Dabei hat mir ein eigentlich ganz trivialer Fakt geholfen: die Treppe in den ersten Stock. Im Großraumbüro konnten sie mir ihre Fragen durch den Raum zurufen, jetzt gibt es eine gedankliche Barriere. Meine Mitarbeiter fragen sich nun automatisch zweimal selbst, ob sie das Problem nicht alleine lösen können, bevor sie sich auf den Weg in den ersten Stock machen. Stärkenprofil der Mitarbeiter erstellen Schon einige Monate vor dem Büroumbau haben wir bei einem Pferdecoaching ein Stärkenprofil jedes Mitarbeiters erstellen lassen: Welche Aufgaben liegen dem Mitarbeiter, welche weniger? Auf dieser Grundlage haben wir einige Stellen verändert und umbesetzt. Diese Strategie hat die Motivation der Mitarbeiter erhöht, nun können wir Kompetenzen effektiver nutzen. Damit ist eine gute Basis für mehr Selbstständigkeit gelegt. Denn in ihrem Expertenbereich sollen meine Mitarbeiter möglichst viele operative Aufgaben selbst verantworten, zum Beispiel, ob sie Mahnungen rausschicken sollen, eine Gutschrift vergeben oder Skonto erlassen. Gegenfragen stellen Kommen Mitarbeiter zu mir ins Büro und fragen mich etwas, zum Beispiel zur Kalkulation für ein Angebot, habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder beantworte ich ihre Frage direkt und wähle einen Preis aus - oder ich stelle eine Gegenfrage. Früher habe ich meist selbst entschieden, aber heute frage ich: „Was würdest Du denn an meiner Stelle tun?“ Damit gebe ich den Mitarbeitern die Chance, selbst über das Problem nachzudenken. Mittlerweile kommen meine Mitarbeiter schon mit konkreten Vorschlägen zu mir ins Büro, in gut 90 Prozent der Fälle hätte ich genauso entschieden. Wenn ich etwas ändern möchte, begründe ich meine Entscheidung detailliert, sodass sie meine Gedanken nachvollziehen und das nächste Mal auch so handeln können. Selbstdisziplin wahren Es ist gar nicht so leicht, sich zu zwingen, bei diesem Gegenfrage-Jargon zu bleiben. Schneller wäre ich Aufgabe wahrscheinlich erledigt, wenn ich anstelle von Gegenfragen wie "Was würdest Du denn tun?" einfach sagen würde: "Ach, gibt her, ich mach das schon". Das ist mir an Anfang gar nicht leicht gefallen. Sicherheit geben Die meisten Mitarbeiter motiviert es sehr, eigene Entscheidungen treffen zu dürfen. Aber natürlich gibt es auch weniger risikofreudige, die nicht gerne Verantwortung übernehmen möchten. Ich möchte Sicherheit geben und niemanden mit seinen Aufgaben überfordern. Das geht am besten in dieser Reihenfolge: erklären, nachfragen, Feedback geben, loben. Damit meine Mitarbeiter sich sicher fühlen, sage ich ihnen im Vorhinein ganz bewusst: „Du darfst die Entscheidung treffen und das Angebot kalkulieren.“ Diese direkte Aufforderung und viele Erklärungen sind vor allem dann wichtig, wenn die Mitarbeiter neue Aufgaben bekommen. Sonst würden sie ja in einem luftleeren Raum schweben, ohne die Konsequenzen abschätzen zu können. Fehler zulassen Fehler passieren jedem. "Einmal läufst du gegen die Wand, das nächste Mal gehst du außen herum", hat mein Vater mir immer gesagt. Deswegen ist mein Motto auch: "Ein Fehler darf passieren, aber kein Fehler zwei Mal." Man muss sich bewusst sein, dass auch Fehler passieren können, wenn Mitarbeiter selbst Entscheidungen treffen: zum Beispiel dass ein falsch kalkuliertes Angebot an den Kunden geschickt wird. Man muss behutsam mit diesen Situationen umgehen, denn sonst wird der Mitarbeiter Angst haben, weitere Entscheidungen allein zu treffen. Kaizen und Lean im Büro Eine große Hilfe beim Wandel der Unternehmenskultur hin zu mehr Selbstständigkeit war ein Vortrag von Christian Elbert. Er arbeitet bei der Firma Wika, die selbst auf Eigenverantwortlichkeit setzt. Für meine Mitarbeiter war es interessant, das Thema aus der Sicht eines Angestellten erklärt zu bekommen. Außerdem wurden wir in die Philosophie von Kaizen und Lean eingeführt, die das erfolgreiche eigenverantwortliche Arbeiten unterstützt. Die Begriffe stehen für den Wandel zu einer schlanken Unternehmenskultur, die Verschwendung auf allen Ebenen vermeidet und damit kontinuierlich Qualität, Produktivität und Lieferzuverlässigkeit verbessert. [caption id="attachment_2086869" align="alignleft" width="430"] Ihr Büro hat die Unternehmerin Vanessa Weber bewußt eingerichtet: nach den Kriterien von Kaizen und Lean. © Dirk Möller[/caption] Jeder Mitarbeiter hat sich dabei selbst hinterfragt und festgestellt, wo Optimierungsbedarf besteht. Seitdem wird dieser Prozess weitergeführt. Die Buchhaltung hat ihr Ablagesystem komplett umgestellt, jeden Donnerstag hat eine Abteilung einen Lean-Tag und räumt die eigenen Arbeitsräume auf und um. In jeder Abteilung gibt es einen Verantwortlichen für den Kaizen-Lean-Prozess. Demnächst soll es ein erstes Feedback-Treffen mit allen Mitarbeiter geben. Als Chefin muss ich als gutes Vorbild vorangehen. Das erfordert viel Selbstdisziplin. Aber es lohnt sich, denn wenn man sein Büro regelmäßig aufräumt, kann man nicht nur produktiver arbeiten, sondern fühlt sich auch viel besser. Die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter nimmt ständig zu. Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich sagen, dass wir bei 8,5 sind. Natürlich geht so etwas nicht von heute auf morgen, und Nachbessern ist erlaubt! Im Vergleich zur Zeit des Umzugs haben wir einen großen Sprung nach vorne gemacht. Ich vertraue meinen Mitarbeitern und weiß: Die meistern das!