Marketing in Kriegszeiten
Was Sie im Marketing momentan lieber lassen sollten

Können Unternehmen angesichts des Leids in der Ukraine auf Facebook werben? Oder ihre Newsletter wie gewohnt verschicken? Ein Psychologe und eine Kommunikationsexpertin geben Orientierung.

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Marketing in Zeiten des Ukrainekriegs ist schwierig
© MicroStockHub / iStock/Getty Images Plus / Getty Images

Die Worte „Freiheit ist ein Lebensmittel“ stehen auf Blau und Gelb, den Farben der ukrainischen Flagge. Mit dem Slogan wollte der Lebensmittelkonzern Edeka wenige Tage nach dem Angriff auf die Ukraine Solidarität mit den Menschen in dem Land zeigen. Aus vielen Kommentaren auf Facebook lässt sich herauslesen: Der Versuch ging daneben. Edekas Post wirkt auf die Verfasserinnen und Verfasser der Kritik, als versuche das Unternehmen nur, das eigene Image aufzupolieren und Profit aus dem Leid zu schlagen.

Verzichten Sie auf Imagepflege

„Mit Werbung, die darauf abzielt, ein Image aufzubauen oder zu pflegen, wäre ich aktuell extrem vorsichtig“, sagt der Psychologe Karl Peter Fischer, der als Professor an der Münchner Hochschule für angewandtes Management Marketing, Markt- und Werbepsychologie lehrt.

Das eigene Firmenlogo ist mit ein paar Klicks gelb-blau eingefärbt, ein paar Worte über den Wert der Freiheit schnell geschrieben – aber Unternehmer sollten ihre Intention hinterfragen, bevor sie einen gutgemeinten Post absetzen. „Solche anlassbezogene Werbung zielt darauf, das Image zu verbessern. Das geht schnell nach hinten los. Die Positionierung gelingt nur, wenn sie extrem glaubwürdig ist, weil man sich schon länger immer wieder sichtbar engagiert hat“, sagt Fischer. Eine Bäckerei, die beispielsweise seit Jahren in ihrer Region Hilfskräfte bei Hochwassern mit Brötchen versorgt, könne sich so eine politische Positionierung erlauben.

Die Kommunikationsexpertin Kathrin Behrens berät seit mehr als 20 Jahren Unternehmen zu PR- und Krisenstrategien. Sie beobachtet schon länger: Konsumenten wollen, dass Unternehmen Stellung zu gesellschaftlichen und politischen Themen beziehen. „Aber das muss nicht jetzt alles mit der Axt passieren“, sagt Behrens.

Handeln ist momentan wichtiger als reden

Viele Unternehmen suchen gerade nach Möglichkeiten, Geld- und Materialspenden für die Ukraine zu sammeln. Behrens rät engagierten Unternehmerinnen und Unternehmern, sich erstmal noch auf das Machen zu konzentrieren: „Ich finde es unethisch, den Krieg für clevere Markenstrategien auszuschlachten. Wir brauchen derzeit Unternehmen, die mitdenken, aktiv werden, konkrete Hilfe leisten. Manchmal ist es sogar stilvoller, auf die Kommunikation nach außen zu verzichten.“ Eine Ausnahme seien Aufrufe oder Angebote, die einer Kommunikation bedürfen, wie der Gebührenverzicht der Telekom bei Anrufen und SMS in die Ukraine.

Mehr dazu: Engagement für die Ukraine: Wie Unternehmen jetzt helfen können

Thematisieren Sie echte Gefühle

Wer seit dem Überfall Russlands versucht hat, motivierende Newsletter zu verschicken oder einen Gute-Laune-Podcast aufzunehmen, dürfte gemerkt haben: Momentan fühlt sich das falsch an. Die Kommunikations-Expertin Behrens rät dazu, auf das Bauchgefühl zu hören und den Newsletter oder den Podcast tatsächlich kurzzeitig zu pausieren. „Jeder muss abwägen, welcher Weg zu ihm und seinem Thema passt. Eine andere Möglichkeit ist, die Emotionen zu thematisieren und ehrlich zu sagen: Heute bin ich nachdenklich. Was die Menschen jetzt nicht wollen, sind hohle Phrasen. Sie wollen Authentizität.“

Zur Person
Karl Peter Fischer Wirtschaftspsychologe Karl Peter Fischer ist Psychologe und lehrt als Professor an der Hochschule für angewandtes Management. Seine Schwerpunkte: Markt- und Werbepsychologie sowie (Online-)Marketing. Kathrin Behrens ist Expertin für Kommunikation und Partnerin bei elfvorzwölf, einer Transformations-Beratung mit Fokus Business-Culture, Purpose und Branding.

Behrens findet darum auch: „Wir sind in einer hochemotionalen Zeit. Hier sollten weder Strategie noch Kalkül im Vordergrund stehen. Wenn es aber jemandem ein Anliegen ist, seine Betroffenheit über Twitter, Facebook oder auf einem anderen Kanal mitzuteilen, dann ist das durchaus willkommen.“

Achten Sie auf Ihre Sprache

Unternehmen müssen nicht ihr komplettes Marketing neu planen. „Nicht jeder positive Beitrag kommt verwerflich rüber. Aber Botschaften müssen dringend darauf geprüft werden, ob sie in diese Zeit passen“, findet Behrens. „Wir müssen viel sensibler mit dem umgehen, was wir kommunizieren.“

Das gilt für eine Anzeige genauso wie für den nächsten Beitrag auf der Facebook-Seite des Unternehmens. Bei der Abwägung hilft, die Kundenperspektive einzunehmen und sich zum Beispiel zu fragen: Wie fassen Personen meinen Post auf, die seine Entstehungsgeschichte nicht kennen? Und: Können meine Worte in einem anderen Kontext anders verstanden werden, als ich sie meine? Könnten sie jemanden verletzen?

Vorsicht mit offensiven Anzeigen

Um besser unterscheiden zu können, was momentan angebracht ist, rät der Psychologe Karl Peter Fischer, zwischen Pull- und Push-Marketing-Maßnahmen zu unterscheiden. „Pull-Marketing richtet sich an Menschen, die sich schon für das interessieren, was ich anbiete“, erklärt Fischer. Die Maßnahmen, wie Suchmaschinenoptimierung und Content-Marketing, richten sich an Kunden, die nach einem bestimmten Produkt oder eine Dienstleistung suchen.

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Push-Marketing hingegen will die Bekanntheit eines Unternehmens oder eines Produktes erhöhen, zum Beispiel mit Anzeigen – und kann momentan unangemessen wirken. „Wer ein Produkt anbietet, das auf Freizeit und positive Gefühle abzielt, wie etwa Luxusreisen, sollte insbesondere auf Werbung in sozialen Medien aktuell verzichten“, so Fischer. Eine Anzeige für den nächsten Urlaub im Viersterne-Hotel zwischen den Bildern flüchtender Frauen und Kinder stößt auf, insbesondere jetzt, wo die Betroffenheit groß ist. Die wird laut Fischer – so zynisch das klingt – nach dem ersten Schock nachlassen. „Studien zeigen, dass Menschen sich nach sechs Wochen an eine Krise gewöhnt haben. Sie fallen dann wieder in alte Handlungsmuster zurück“, sagt der Psychologe.

Sorgen Sie dafür, dass Sie künftig gefunden werden

Während er beim Push-Marketing momentan zur Zurückhaltung rät, empfiehlt Fischer, das Pull-Marketing beizubehalten, besonders die Suchmaschinenoptimierung. „Die Maßnahmen richten sich an Kunden, die nach einer Lösung suchen, die Ihr Unternehmen im besten Fall bieten kann. Sie müssen dafür sorgen, dass Sie auffindbar und sichtbar sind.“

Gerade kleine Unternehmen ohne eigene Marketing-Abteilung sollten sich aus Fischers Sicht darauf fokussieren und überlegen: „Zu welchem Problemen führt diese Krise und wie könnten mein Angebot in Zukunft helfen? Die Sanktionen werden ja auch Folgen für Verbraucher haben“, so Fischer. Heizungsbauern könnten zum Beispiel überlegen, sich künftig mit ihren Marketing-Maßnahmen an Menschen zu richten, die ihre Heizung austauschen möchten. Oder IT-Dienstleister auf die Gefahr durch russische Hacker hinweisen. Jedoch gilt auch hier: Schnellen Profit aus der Krise schlagen zu wollen, ist pietätlos – und dafür haben Kunden ein Gespür.

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Die Worte „Freiheit ist ein Lebensmittel“ stehen auf Blau und Gelb, den Farben der ukrainischen Flagge. Mit dem Slogan wollte der Lebensmittelkonzern Edeka wenige Tage nach dem Angriff auf die Ukraine Solidarität mit den Menschen in dem Land zeigen. Aus vielen Kommentaren auf Facebook lässt sich herauslesen: Der Versuch ging daneben. Edekas Post wirkt auf die Verfasserinnen und Verfasser der Kritik, als versuche das Unternehmen nur, das eigene Image aufzupolieren und Profit aus dem Leid zu schlagen. Verzichten Sie auf Imagepflege „Mit Werbung, die darauf abzielt, ein Image aufzubauen oder zu pflegen, wäre ich aktuell extrem vorsichtig“, sagt der Psychologe Karl Peter Fischer, der als Professor an der Münchner Hochschule für angewandtes Management Marketing, Markt- und Werbepsychologie lehrt. Das eigene Firmenlogo ist mit ein paar Klicks gelb-blau eingefärbt, ein paar Worte über den Wert der Freiheit schnell geschrieben – aber Unternehmer sollten ihre Intention hinterfragen, bevor sie einen gutgemeinten Post absetzen. „Solche anlassbezogene Werbung zielt darauf, das Image zu verbessern. Das geht schnell nach hinten los. Die Positionierung gelingt nur, wenn sie extrem glaubwürdig ist, weil man sich schon länger immer wieder sichtbar engagiert hat“, sagt Fischer. Eine Bäckerei, die beispielsweise seit Jahren in ihrer Region Hilfskräfte bei Hochwassern mit Brötchen versorgt, könne sich so eine politische Positionierung erlauben. Die Kommunikationsexpertin Kathrin Behrens berät seit mehr als 20 Jahren Unternehmen zu PR- und Krisenstrategien. Sie beobachtet schon länger: Konsumenten wollen, dass Unternehmen Stellung zu gesellschaftlichen und politischen Themen beziehen. „Aber das muss nicht jetzt alles mit der Axt passieren“, sagt Behrens. Handeln ist momentan wichtiger als reden Viele Unternehmen suchen gerade nach Möglichkeiten, Geld- und Materialspenden für die Ukraine zu sammeln. Behrens rät engagierten Unternehmerinnen und Unternehmern, sich erstmal noch auf das Machen zu konzentrieren: „Ich finde es unethisch, den Krieg für clevere Markenstrategien auszuschlachten. Wir brauchen derzeit Unternehmen, die mitdenken, aktiv werden, konkrete Hilfe leisten. Manchmal ist es sogar stilvoller, auf die Kommunikation nach außen zu verzichten.“ Eine Ausnahme seien Aufrufe oder Angebote, die einer Kommunikation bedürfen, wie der Gebührenverzicht der Telekom bei Anrufen und SMS in die Ukraine. Mehr dazu: Engagement für die Ukraine: Wie Unternehmen jetzt helfen können Thematisieren Sie echte Gefühle Wer seit dem Überfall Russlands versucht hat, motivierende Newsletter zu verschicken oder einen Gute-Laune-Podcast aufzunehmen, dürfte gemerkt haben: Momentan fühlt sich das falsch an. Die Kommunikations-Expertin Behrens rät dazu, auf das Bauchgefühl zu hören und den Newsletter oder den Podcast tatsächlich kurzzeitig zu pausieren. „Jeder muss abwägen, welcher Weg zu ihm und seinem Thema passt. Eine andere Möglichkeit ist, die Emotionen zu thematisieren und ehrlich zu sagen: Heute bin ich nachdenklich. Was die Menschen jetzt nicht wollen, sind hohle Phrasen. Sie wollen Authentizität.“ Behrens findet darum auch: „Wir sind in einer hochemotionalen Zeit. Hier sollten weder Strategie noch Kalkül im Vordergrund stehen. Wenn es aber jemandem ein Anliegen ist, seine Betroffenheit über Twitter, Facebook oder auf einem anderen Kanal mitzuteilen, dann ist das durchaus willkommen.“ Achten Sie auf Ihre Sprache Unternehmen müssen nicht ihr komplettes Marketing neu planen. „Nicht jeder positive Beitrag kommt verwerflich rüber. Aber Botschaften müssen dringend darauf geprüft werden, ob sie in diese Zeit passen“, findet Behrens. „Wir müssen viel sensibler mit dem umgehen, was wir kommunizieren.“ Das gilt für eine Anzeige genauso wie für den nächsten Beitrag auf der Facebook-Seite des Unternehmens. Bei der Abwägung hilft, die Kundenperspektive einzunehmen und sich zum Beispiel zu fragen: Wie fassen Personen meinen Post auf, die seine Entstehungsgeschichte nicht kennen? Und: Können meine Worte in einem anderen Kontext anders verstanden werden, als ich sie meine? Könnten sie jemanden verletzen? Vorsicht mit offensiven Anzeigen Um besser unterscheiden zu können, was momentan angebracht ist, rät der Psychologe Karl Peter Fischer, zwischen Pull- und Push-Marketing-Maßnahmen zu unterscheiden. „Pull-Marketing richtet sich an Menschen, die sich schon für das interessieren, was ich anbiete“, erklärt Fischer. Die Maßnahmen, wie Suchmaschinenoptimierung und Content-Marketing, richten sich an Kunden, die nach einem bestimmten Produkt oder eine Dienstleistung suchen. Push-Marketing hingegen will die Bekanntheit eines Unternehmens oder eines Produktes erhöhen, zum Beispiel mit Anzeigen – und kann momentan unangemessen wirken. „Wer ein Produkt anbietet, das auf Freizeit und positive Gefühle abzielt, wie etwa Luxusreisen, sollte insbesondere auf Werbung in sozialen Medien aktuell verzichten“, so Fischer. Eine Anzeige für den nächsten Urlaub im Viersterne-Hotel zwischen den Bildern flüchtender Frauen und Kinder stößt auf, insbesondere jetzt, wo die Betroffenheit groß ist. Die wird laut Fischer – so zynisch das klingt – nach dem ersten Schock nachlassen. „Studien zeigen, dass Menschen sich nach sechs Wochen an eine Krise gewöhnt haben. Sie fallen dann wieder in alte Handlungsmuster zurück“, sagt der Psychologe. Sorgen Sie dafür, dass Sie künftig gefunden werden Während er beim Push-Marketing momentan zur Zurückhaltung rät, empfiehlt Fischer, das Pull-Marketing beizubehalten, besonders die Suchmaschinenoptimierung. „Die Maßnahmen richten sich an Kunden, die nach einer Lösung suchen, die Ihr Unternehmen im besten Fall bieten kann. Sie müssen dafür sorgen, dass Sie auffindbar und sichtbar sind.“ Gerade kleine Unternehmen ohne eigene Marketing-Abteilung sollten sich aus Fischers Sicht darauf fokussieren und überlegen: „Zu welchem Problemen führt diese Krise und wie könnten mein Angebot in Zukunft helfen? Die Sanktionen werden ja auch Folgen für Verbraucher haben“, so Fischer. Heizungsbauern könnten zum Beispiel überlegen, sich künftig mit ihren Marketing-Maßnahmen an Menschen zu richten, die ihre Heizung austauschen möchten. Oder IT-Dienstleister auf die Gefahr durch russische Hacker hinweisen. Jedoch gilt auch hier: Schnellen Profit aus der Krise schlagen zu wollen, ist pietätlos – und dafür haben Kunden ein Gespür.
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