Eskalationsstufen
So können Chefs Konflikte im Team erkennen und richtig reagieren

Um Streit im Team zu verhindern, müssen Führungskräfte Konflikte im Team erkennen und rechtzeitig eingreifen. Das Modell der 9 Eskalationsstufen zeigt, wann welche Reaktion angebracht ist.

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© Epoxydude / Getty Images

Dass Teammitglieder sich mal streiten, ist normal – ob es um die Vorgehensweise bei einem Projekt geht oder darum, dass einer über den anderen gelästert hat.

Doch manchmal eskalieren solche Konflikte: Aus kleinen Sticheleien werden offene Anfeindungen, es bilden sich Lager im Unternehmen und die Parteien versuchen, den jeweils anderen schlecht zu machen. Um zu verhindern, dass sich die Fronten derart verhärten, die Arbeit darunter leidet und womöglich sogar jemand kündigt, müssen Führungskräfte Konflikte erkennen können.

Der österreichische Organisations- und Konfliktforscher Friedrich Glasl ist überzeugt, dass jeder Konflikt nach dem gleichen Muster abläuft; egal ob Streit mit dem Ehepartner, unter Kollegen oder politische Auseinandersetzungen. Er hat ein Modell mit drei Konfliktebenen und neun Eskalationsstufen entwickelt, das hilft, Streit zu erkennen – und aufzeigt, ob Chefs noch selbst eingreifen können oder Hilfe von außen notwendig ist.

Erste Konfliktebene: Win-Win – noch können beide den Konflikt unbeschadet überstehen

Die erste Konfliktebene ist vergleichsweise harmlos. Die Streitenden können ohne Schaden aus dem Konflikt gehen, wenn sie selbst ein klärendes Gespräch suchen oder die Führungskraft eingreift.

Stufe 1: Spannung, Verhärtung

„Die erste Stufe ist der Beginn: Zwei Parteien sind unterschiedlicher Meinung. Aber das ist normaler Alltag“, sagt Rechtsanwalt, Coach und Mediator Thorsten Blaufelder. Er nutzt Glasls Modell, wenn er in Firmen Streit schlichtet – und kennt als Arbeitsrechtler auch Konflikte, die Unternehmen vor Gericht ausfechten.

Auf Stufe 1 entstehen erste Spannungen, die die Beteiligten häufig selbst lösen können. Chefs müssen hier in der Regel nicht eingreifen.

Zur Person
Thorsten Blaufelder arbeitet als Fachanwalt für Arbeitsrecht und hat sich nach zehn Jahren im Beruf zum Coach und Mediator weitergebildet. So löst er Konflikte in Unternehmen auch außergerichtlich.

Stufe 2: Debatte und Polemik

Jetzt wird der Umgangston rauer. Konfliktexperte Blaufelder: „Hier tauschen beide Seiten ihre Meinungen aus, aber beispielsweise mit sarkastischem Unterton, etwa: ‚Du hattest schon immer eine blödsinnige Einstellung.‘ Sie sticheln sich gegenseitig, die Argumente sind nicht immer sachlich.“

Das sollten Unternehmer tun, wenn sie den Konflikt bemerken: Hier kann der Chef eingreifen. Er sollte mit den streitenden Mitarbeitern sprechen und ihre jeweilige Sichtweise anhören. Das genügt laut Blaufelder häufig, um den Konflikt zu klären.

Seiner Erfahrung nach richten es aber viele Chefs zeitlich nicht ein, um sich in solchen Situationen mit den Streitenden zusammenzusetzen: „Man schafft die Arbeit ohnehin kaum und kann sich dann nicht mal eben eine halbe Stunde nehmen, um kleine Konflikte zu klären“, so der Mediator. Das kann dazu führen, dass der Konflikt Stufe 3 erreicht.

Stufe 3: Taten

Auf anfängliche Diskussionen und Sticheleien folgen nun Taten. Typische Beispiele, die Blaufelder oft erlebt: Mitarbeiter lassen sich krankschreiben, um dem Konflikt zu entgehen. Oder sie halten bewusst Informationen vor einem Kollegen zurück, nehmen ihn aus einem E-Mail-Verteiler und isolieren ihn so. „Das kann dazu führen, dass ein Mitarbeiter beispielsweise nicht über ein Meeting informiert ist und dann blöd dasteht, weil die anderen denken, er hat es verpennt“, sagt Blaufelder.

Das sollten Unternehmer tun, wenn sie den Konflikt bemerken: Dem Experten zufolge können Chefs auf Stufe 3 noch selbst schlichten. Es sei aber oft schwierig herauszufinden, wer die Schuld trägt. Blaufelder: „Das ist eigentlich auch egal, denn man muss schauen, wie die beiden in Zukunft gut zusammenarbeiten.“ Dabei helfe die Suche nach dem Sündenbock wenig weiter. Greift niemand ein und eskaliert der Streit weiter, erreicht er die zweite Ebene.

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Zweite Konfliktebene: Win-Lose – ein Gewinner, ein Verlierer

Jetzt wird es ernst. Auf den Eskalationsstufen 4, 5 und 6 geht es den beiden Streithähnen darum, als Sieger aus dem Konflikt hervorzugehen. Hier reicht es meist nicht mehr, wenn der Chef eingreift – Hilfe von außen muss her.

Stufe 4: Koalitionen

Es bilden sich Lager: Streitende Mitarbeiter suchen Verbündete. Die Strategie dahinter: „Wenn man als Gruppe zum Chef geht und sagt, dass alle ein Problem mit dem Kollegen haben, dann wirkt es für den Chef glaubwürdig – wenn sich so viele beschweren, muss ja etwas dran sein“, sagt Blaufelder.

Derjenige, der schneller Verbündete auf seine Seite zieht, lässt den anderen als Schuldigen dastehen. Chefs, die sich nicht genauer mit den Vorwürfen der Gruppe auseinandersetzen, bestrafen dann den vermeintlichen Sündenbock, etwa indem sie ihn ermahnen oder abmahnen.

Das kann zu einem Teufelskreis führen: „Wer für den Chef quasi der Böse ist, sucht sich Verbündete, um zurückzuschlagen“, so Blaufelder. „Unter dem Motto: Die nächste Abmahnung bekommt der Kollege.“

Was Unternehmer hier tun können: Bilden sich Lager zwischen verschiedenen Abteilungen, halten etwa Vertriebler zusammen und wettern gegen den Innendienst, wird es für Unternehmer schwierig. Sie können hier meist nur abmahnen, Mitarbeiter versetzen oder sogar kündigen – und damit die Situation womöglich noch verschärfen. Blaufelder empfiehlt nur in Sachen Konfliktbewältigung geschulten Chefs, jetzt noch selbst zu schlichten.

Allen anderen rät er, einen externen Coach oder Mediator einzuschalten. Ausgebildete Streitschlichter können in solchen Fällen seiner Erfahrung nach gut zwischen den Parteien vermitteln. Ein häufiger Fehler laut Blaufelder: Viele Arbeitgeber wollen das Honorar für einen Coach oder Mediator einsparen und hoffen, dass sich der Konflikt von selbst erledigt – wenn aber der Streit weiter eskaliert, können durch Kündigungen, Abfindungen oder Prozesse vorm Arbeitsgericht wesentlich höhere Kosten entstehen.

Stufe 5: Gesichtsverlust

Die beiden Lager schreiten zur Tat, um die andere Streitpartei bloßzustellen oder zu diffamieren. Blaufelder: „Ein typisches Beispiel ist, dass ein Lager versucht, die Personalabteilung auf seine Seite zu ziehen und erklärt: ‚Wir machen als Vertriebler einen guten Job, aber unsere Bemühungen werden torpediert, weil wir keine Unterstützung vom Innendienst haben‘.“

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Die Streitenden versuchen also mit hinterlistigen Mitteln, diejenigen zu beeinflussen, die über Sanktionen, Kündigungen und Neueinstellungen entscheiden. Dabei greifen sie auch zu rechtswidrigen Mitteln und fälschen beispielsweise Dokumente und Unterschriften oder machen Falschaussagen.

Was Arbeitgeber jetzt tun können: Die eine Seite behauptet, die Wahrheit zu sagen, die andere fühlt sich diskreditiert. Wer jetzt keine Hilfe von außen sucht und sich einen Coach oder Mediator ins Unternehmen holt, könnte bald vor einem großen Problem stehen: Mitarbeiter streiten dauernd, vernachlässigen die Arbeit und fügen der Firma so Schaden zu oder kündigen. „Eigentlich dürfte man es gar nicht so weit kommen lassen“, sagt Blaufelder. Aber: Ausgebildete Streitschlichter können hier noch helfen – bei der nächsten Stufe dagegen wird ein Erfolg unwahrscheinlicher.

Stufe 6: Drohen

„Wenn du die anderen nicht rausschmeißt, gehe ich!“ Droht oder erpresst ein Mitarbeiter seinen Chef mit einem Satz wie diesem, ist Konfliktstufe 6 erreicht. Noch krasser: „Chef, ich weiß, dass du die eine Baustelle schwarz abgerechnet hast. Wenn du mich abmahnst, petze ich das beim Finanzamt.“

Ein Fall, den Blaufelder selbst erlebt hat: „In einem Friseurbetrieb mit zwei Angestellten wurde eine Mitarbeiterin schwanger. Im Zuge der Überlegungen, wie der Betrieb in ihrer Elternzeit weiterlaufen soll, stritten sich die beiden Friseurinnen, bis die Schwangere die andere mit einer Flasche bewarf. Das ist versuchte Körperverletzung. Die andere Kollegin setzte dem Chef ein Ultimatum: Entweder schmeiße der Chef die schwangere Mitarbeiterin raus oder sie gehe selbst.“

Wer jetzt noch helfen kann: „Ein Mediator kann hier noch helfen, aber das ist eine ziemlich große Herausforderung“, sagt Blaufelder. Ein anderer Ausweg könne sein, einen der Mitarbeiter in eine andere Abteilung zu versetzen oder ihm zu kündigen. Das schütze aber nicht davor, dass der Entlassene die Kündigung anficht und der Arbeitgeber im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses eine Abfindung zahlen muss. Um das zu vermeiden, empfiehlt Blaufelder, einen Aufhebungsvertrag aufzusetzen, in dem der Chef eine Abfindung festlegt. Achtung: Der Mitarbeiter kann den Aufhebungsvertrag natürlich auch ablehnen.

Der Streit im Friseursalon endete übrigens damit, dass der Chef die schwangere Frau entließ – weil sie ihre Kollegin angegriffen hatte, konnte er das trotz des besonderen Kündigungsschutzes der werdenden Mutter tun.

Dritte Konfliktebene: Lose-Lose – beide gehen als Verlierer aus dem Konflikt

Auf den letzten drei Konfliktstufen gibt es nur Verlierer: Streitende versuchen, den Ruf des anderen zu ruinieren und schaden dabei sich selbst. Blaufelder zufolge erreichen Streits in Unternehmen fast nie diese Stufen – es sind eher (Ehe-)Paare, die Trennungen nicht verkraften, bei denen die Emotionen viel tiefer reichen als bei Kollegen. Trauer, Enttäuschung oder Eifersucht verleiten zu Taten der letzten drei Eskalationsstufen.

Stufe 7: Vernichten

Willkommen im Bereich des Strafrechts: Auf Stufe 7 versuchen Streitende, den anderen zu verleumden und ihn zu schädigen. Sie verbreiten Lügen über soziale Netzwerke, schrecken auch nicht vor Körperverletzungen zurück. Blaufelder: „Ich habe erlebt, dass jemand seinen Kollegen hat zusammenschlagen lassen, ein anderer hat den Reifen vom Auto zerstochen oder die Bremse vom Fahrrad manipuliert.“

Was hilft jetzt noch? „Mit Mediation kommt man hier nicht mehr weiter“, sagt Blaufelder. Gespräche helfen nicht mehr, jetzt muss die Polizei eingreifen oder ein Anwalt hinzugezogen werden.

Stufe 8: Zersplitterung

Hier geht es um eine Zuspitzung von Stufe 7, also heftigere Körperverletzungen. Oft machen die Parteien dann auch die Familie des anderen schlecht und versuchen so, dessen Reputation zu vernichten. „Wer hier angekommen ist, dem ist alles egal“, so Blaufelder, „der wirft auch schon mal einen Stein durchs Wohnzimmerfenster des anderen, obwohl darin gerade das Kind mit Legosteinen spielt.“ In Extremfällen könne Stufe 8 sogar in einem Mordversuch enden – allerdings so gut wie nie im beruflichen Kontext, sondern meist, wenn ehemalige (Ehe-)Partner aus Eifersucht oder Rache handeln.

Was hilft jetzt noch? Auch hier gilt: Polizei, Rechtsanwälte und Gerichte müssen sich der Sache annehmen.

Stufe 9: Gemeinsamer Untergang

Jetzt ist alles zu spät: Die Streitparteien versuchen, sich gegenseitig massiv zu schädigen, ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Um den Ruf das anderen vollends zu ruinieren, nehmen sie in Kauf, dass sie sich selbst damit ins Aus befördern. In den schlimmsten Fällen könne das laut Blaufelder sogar im erweiterten Suizid enden – wenn also jemand andere tötet und sich dabei selbst das Leben nimmt, wie es bei Familiendramen, Geiselnahmen oder Terrorakten passiert.

„Das habe ich zum Glück noch nie erlebt“, sagt Blaufelder. „Stufe 7 kommt im Arbeitsrecht schon mal vor – aber selten –, 8 und 9 sind mir noch nicht untergekommen. Das sind fast immer Familienrechts-Fälle.“

Was hilft jetzt noch? Um das Schlimmste zu verhindern, müssen auch hier Polizei oder Gerichte eingreifen.

Dass Teammitglieder sich mal streiten, ist normal – ob es um die Vorgehensweise bei einem Projekt geht oder darum, dass einer über den anderen gelästert hat. Doch manchmal eskalieren solche Konflikte: Aus kleinen Sticheleien werden offene Anfeindungen, es bilden sich Lager im Unternehmen und die Parteien versuchen, den jeweils anderen schlecht zu machen. Um zu verhindern, dass sich die Fronten derart verhärten, die Arbeit darunter leidet und womöglich sogar jemand kündigt, müssen Führungskräfte Konflikte erkennen können. Der österreichische Organisations- und Konfliktforscher Friedrich Glasl ist überzeugt, dass jeder Konflikt nach dem gleichen Muster abläuft; egal ob Streit mit dem Ehepartner, unter Kollegen oder politische Auseinandersetzungen. Er hat ein Modell mit drei Konfliktebenen und neun Eskalationsstufen entwickelt, das hilft, Streit zu erkennen – und aufzeigt, ob Chefs noch selbst eingreifen können oder Hilfe von außen notwendig ist. Erste Konfliktebene: Win-Win – noch können beide den Konflikt unbeschadet überstehen Die erste Konfliktebene ist vergleichsweise harmlos. Die Streitenden können ohne Schaden aus dem Konflikt gehen, wenn sie selbst ein klärendes Gespräch suchen oder die Führungskraft eingreift. Stufe 1: Spannung, Verhärtung „Die erste Stufe ist der Beginn: Zwei Parteien sind unterschiedlicher Meinung. Aber das ist normaler Alltag“, sagt Rechtsanwalt, Coach und Mediator Thorsten Blaufelder. Er nutzt Glasls Modell, wenn er in Firmen Streit schlichtet – und kennt als Arbeitsrechtler auch Konflikte, die Unternehmen vor Gericht ausfechten. Auf Stufe 1 entstehen erste Spannungen, die die Beteiligten häufig selbst lösen können. Chefs müssen hier in der Regel nicht eingreifen. Stufe 2: Debatte und Polemik Jetzt wird der Umgangston rauer. Konfliktexperte Blaufelder: „Hier tauschen beide Seiten ihre Meinungen aus, aber beispielsweise mit sarkastischem Unterton, etwa: ‚Du hattest schon immer eine blödsinnige Einstellung.‘ Sie sticheln sich gegenseitig, die Argumente sind nicht immer sachlich.“ Das sollten Unternehmer tun, wenn sie den Konflikt bemerken: Hier kann der Chef eingreifen. Er sollte mit den streitenden Mitarbeitern sprechen und ihre jeweilige Sichtweise anhören. Das genügt laut Blaufelder häufig, um den Konflikt zu klären. Seiner Erfahrung nach richten es aber viele Chefs zeitlich nicht ein, um sich in solchen Situationen mit den Streitenden zusammenzusetzen: „Man schafft die Arbeit ohnehin kaum und kann sich dann nicht mal eben eine halbe Stunde nehmen, um kleine Konflikte zu klären“, so der Mediator. Das kann dazu führen, dass der Konflikt Stufe 3 erreicht. Stufe 3: Taten Auf anfängliche Diskussionen und Sticheleien folgen nun Taten. Typische Beispiele, die Blaufelder oft erlebt: Mitarbeiter lassen sich krankschreiben, um dem Konflikt zu entgehen. Oder sie halten bewusst Informationen vor einem Kollegen zurück, nehmen ihn aus einem E-Mail-Verteiler und isolieren ihn so. „Das kann dazu führen, dass ein Mitarbeiter beispielsweise nicht über ein Meeting informiert ist und dann blöd dasteht, weil die anderen denken, er hat es verpennt“, sagt Blaufelder. Das sollten Unternehmer tun, wenn sie den Konflikt bemerken: Dem Experten zufolge können Chefs auf Stufe 3 noch selbst schlichten. Es sei aber oft schwierig herauszufinden, wer die Schuld trägt. Blaufelder: „Das ist eigentlich auch egal, denn man muss schauen, wie die beiden in Zukunft gut zusammenarbeiten.“ Dabei helfe die Suche nach dem Sündenbock wenig weiter. Greift niemand ein und eskaliert der Streit weiter, erreicht er die zweite Ebene. Zweite Konfliktebene: Win-Lose – ein Gewinner, ein Verlierer Jetzt wird es ernst. Auf den Eskalationsstufen 4, 5 und 6 geht es den beiden Streithähnen darum, als Sieger aus dem Konflikt hervorzugehen. Hier reicht es meist nicht mehr, wenn der Chef eingreift – Hilfe von außen muss her. Stufe 4: Koalitionen Es bilden sich Lager: Streitende Mitarbeiter suchen Verbündete. Die Strategie dahinter: „Wenn man als Gruppe zum Chef geht und sagt, dass alle ein Problem mit dem Kollegen haben, dann wirkt es für den Chef glaubwürdig – wenn sich so viele beschweren, muss ja etwas dran sein“, sagt Blaufelder. Derjenige, der schneller Verbündete auf seine Seite zieht, lässt den anderen als Schuldigen dastehen. Chefs, die sich nicht genauer mit den Vorwürfen der Gruppe auseinandersetzen, bestrafen dann den vermeintlichen Sündenbock, etwa indem sie ihn ermahnen oder abmahnen. Das kann zu einem Teufelskreis führen: „Wer für den Chef quasi der Böse ist, sucht sich Verbündete, um zurückzuschlagen“, so Blaufelder. „Unter dem Motto: Die nächste Abmahnung bekommt der Kollege.“ Was Unternehmer hier tun können: Bilden sich Lager zwischen verschiedenen Abteilungen, halten etwa Vertriebler zusammen und wettern gegen den Innendienst, wird es für Unternehmer schwierig. Sie können hier meist nur abmahnen, Mitarbeiter versetzen oder sogar kündigen – und damit die Situation womöglich noch verschärfen. Blaufelder empfiehlt nur in Sachen Konfliktbewältigung geschulten Chefs, jetzt noch selbst zu schlichten. Allen anderen rät er, einen externen Coach oder Mediator einzuschalten. Ausgebildete Streitschlichter können in solchen Fällen seiner Erfahrung nach gut zwischen den Parteien vermitteln. Ein häufiger Fehler laut Blaufelder: Viele Arbeitgeber wollen das Honorar für einen Coach oder Mediator einsparen und hoffen, dass sich der Konflikt von selbst erledigt – wenn aber der Streit weiter eskaliert, können durch Kündigungen, Abfindungen oder Prozesse vorm Arbeitsgericht wesentlich höhere Kosten entstehen. Stufe 5: Gesichtsverlust Die beiden Lager schreiten zur Tat, um die andere Streitpartei bloßzustellen oder zu diffamieren. Blaufelder: „Ein typisches Beispiel ist, dass ein Lager versucht, die Personalabteilung auf seine Seite zu ziehen und erklärt: ‚Wir machen als Vertriebler einen guten Job, aber unsere Bemühungen werden torpediert, weil wir keine Unterstützung vom Innendienst haben‘.“ Die Streitenden versuchen also mit hinterlistigen Mitteln, diejenigen zu beeinflussen, die über Sanktionen, Kündigungen und Neueinstellungen entscheiden. Dabei greifen sie auch zu rechtswidrigen Mitteln und fälschen beispielsweise Dokumente und Unterschriften oder machen Falschaussagen. Was Arbeitgeber jetzt tun können: Die eine Seite behauptet, die Wahrheit zu sagen, die andere fühlt sich diskreditiert. Wer jetzt keine Hilfe von außen sucht und sich einen Coach oder Mediator ins Unternehmen holt, könnte bald vor einem großen Problem stehen: Mitarbeiter streiten dauernd, vernachlässigen die Arbeit und fügen der Firma so Schaden zu oder kündigen. „Eigentlich dürfte man es gar nicht so weit kommen lassen“, sagt Blaufelder. Aber: Ausgebildete Streitschlichter können hier noch helfen – bei der nächsten Stufe dagegen wird ein Erfolg unwahrscheinlicher. Stufe 6: Drohen „Wenn du die anderen nicht rausschmeißt, gehe ich!“ Droht oder erpresst ein Mitarbeiter seinen Chef mit einem Satz wie diesem, ist Konfliktstufe 6 erreicht. Noch krasser: „Chef, ich weiß, dass du die eine Baustelle schwarz abgerechnet hast. Wenn du mich abmahnst, petze ich das beim Finanzamt.“ Ein Fall, den Blaufelder selbst erlebt hat: „In einem Friseurbetrieb mit zwei Angestellten wurde eine Mitarbeiterin schwanger. Im Zuge der Überlegungen, wie der Betrieb in ihrer Elternzeit weiterlaufen soll, stritten sich die beiden Friseurinnen, bis die Schwangere die andere mit einer Flasche bewarf. Das ist versuchte Körperverletzung. Die andere Kollegin setzte dem Chef ein Ultimatum: Entweder schmeiße der Chef die schwangere Mitarbeiterin raus oder sie gehe selbst.“ Wer jetzt noch helfen kann: „Ein Mediator kann hier noch helfen, aber das ist eine ziemlich große Herausforderung“, sagt Blaufelder. Ein anderer Ausweg könne sein, einen der Mitarbeiter in eine andere Abteilung zu versetzen oder ihm zu kündigen. Das schütze aber nicht davor, dass der Entlassene die Kündigung anficht und der Arbeitgeber im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses eine Abfindung zahlen muss. Um das zu vermeiden, empfiehlt Blaufelder, einen Aufhebungsvertrag aufzusetzen, in dem der Chef eine Abfindung festlegt. Achtung: Der Mitarbeiter kann den Aufhebungsvertrag natürlich auch ablehnen. Der Streit im Friseursalon endete übrigens damit, dass der Chef die schwangere Frau entließ – weil sie ihre Kollegin angegriffen hatte, konnte er das trotz des besonderen Kündigungsschutzes der werdenden Mutter tun. Dritte Konfliktebene: Lose-Lose – beide gehen als Verlierer aus dem Konflikt Auf den letzten drei Konfliktstufen gibt es nur Verlierer: Streitende versuchen, den Ruf des anderen zu ruinieren und schaden dabei sich selbst. Blaufelder zufolge erreichen Streits in Unternehmen fast nie diese Stufen – es sind eher (Ehe-)Paare, die Trennungen nicht verkraften, bei denen die Emotionen viel tiefer reichen als bei Kollegen. Trauer, Enttäuschung oder Eifersucht verleiten zu Taten der letzten drei Eskalationsstufen. Stufe 7: Vernichten Willkommen im Bereich des Strafrechts: Auf Stufe 7 versuchen Streitende, den anderen zu verleumden und ihn zu schädigen. Sie verbreiten Lügen über soziale Netzwerke, schrecken auch nicht vor Körperverletzungen zurück. Blaufelder: „Ich habe erlebt, dass jemand seinen Kollegen hat zusammenschlagen lassen, ein anderer hat den Reifen vom Auto zerstochen oder die Bremse vom Fahrrad manipuliert.“ Was hilft jetzt noch? „Mit Mediation kommt man hier nicht mehr weiter“, sagt Blaufelder. Gespräche helfen nicht mehr, jetzt muss die Polizei eingreifen oder ein Anwalt hinzugezogen werden. Stufe 8: Zersplitterung Hier geht es um eine Zuspitzung von Stufe 7, also heftigere Körperverletzungen. Oft machen die Parteien dann auch die Familie des anderen schlecht und versuchen so, dessen Reputation zu vernichten. „Wer hier angekommen ist, dem ist alles egal“, so Blaufelder, „der wirft auch schon mal einen Stein durchs Wohnzimmerfenster des anderen, obwohl darin gerade das Kind mit Legosteinen spielt.“ In Extremfällen könne Stufe 8 sogar in einem Mordversuch enden – allerdings so gut wie nie im beruflichen Kontext, sondern meist, wenn ehemalige (Ehe-)Partner aus Eifersucht oder Rache handeln. Was hilft jetzt noch? Auch hier gilt: Polizei, Rechtsanwälte und Gerichte müssen sich der Sache annehmen. Stufe 9: Gemeinsamer Untergang Jetzt ist alles zu spät: Die Streitparteien versuchen, sich gegenseitig massiv zu schädigen, ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Um den Ruf das anderen vollends zu ruinieren, nehmen sie in Kauf, dass sie sich selbst damit ins Aus befördern. In den schlimmsten Fällen könne das laut Blaufelder sogar im erweiterten Suizid enden – wenn also jemand andere tötet und sich dabei selbst das Leben nimmt, wie es bei Familiendramen, Geiselnahmen oder Terrorakten passiert. „Das habe ich zum Glück noch nie erlebt“, sagt Blaufelder. „Stufe 7 kommt im Arbeitsrecht schon mal vor – aber selten –, 8 und 9 sind mir noch nicht untergekommen. Das sind fast immer Familienrechts-Fälle.“ Was hilft jetzt noch? Um das Schlimmste zu verhindern, müssen auch hier Polizei oder Gerichte eingreifen.
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