Verantwortung abgeben
„Chef, wir brauchen dich jetzt nicht“

Ein guter Chef muss erkennen, wann er überflüssig ist. impulse-Blogger Jürgen Krenzer hat auf die harte Tour gelernt, Verantwortung abzugeben.

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Einfach mal treiben lassen: Wenn Chefs Verantwortung abgeben, tut das auch den Mitarbeitern gut.
Einfach mal treiben lassen: Wenn Chefs Verantwortung abgeben, tut das auch den Mitarbeitern gut.
© AleksandarNakic/ E+ / Getty Images

Besonders jetzt in der Urlaubszeit stellt sich die Frage: „Wie entbehrlich sind Chefs und Führungskräfte eigentlich?“ Viele Unternehmer können gar nicht mehr abschalten, haben das Smartphone auch in den Ferien immer griffbereit. Zum Leidwesen ihrer Partner und Familien.

Urlaub dient der Erholung – so steht es im Bundesurlaubsgesetz. Was für Arbeitnehmer gilt, steht selbstverständlich auch Führungskräften zu. Erholung brauchen alle Menschen. Doch statt sich auszuruhen, greifen viele Unternehmer während ihres Urlaubs in das operative Geschäft ein – obwohl es meist gar nicht notwendig ist. Ganz im Gegenteil: Es könnte sich als demotivierend niederschlagen. Ja, im wahrsten Sinne des Wortes niederschlagend für die Mitarbeiter sein.

Ich muss mich nicht um alles kümmern

Ich finde es mehr als wichtig, dass Mitarbeiter in Abwesenheit des Chefs selbst Entscheidungen treffen. Daran können und müssen sie wachsen.

Wachstum tut immer weh. Das hat die Natur so vorgesehen. Auch bei mir war es ein langer, schmerzhafter Prozess bis zu der Erkenntnis: Der Chef muss sich nicht um alles kümmern.

Am Anfang tut es weh

Eine Teambesprechung im heißen Jahr 2003. Es geht um die Zusammenstellung eines schlagkräftigen Teams für eine wichtige Messepräsentation. Und auf dieser Messe soll – nein, es muss ordentlich am Point of Sale verkauft werden. Klar, da muss ich dabei sein! Wenn so etwas Wichtiges ansteht, muss der „Cheffe“ doch in der ersten Reihe stehen. Eine junge weibliche Führungskraft – vor kurzem noch Azubi in meinem Laden – meldet sich zu Wort: „Chef, bist du sicher, dass du zu diesem Zeitpunkt wirklich keinen Vortragstermin hast?“ Ich überlege kurz, checke meinen Terminkalender und antworte dann bestimmt: „Nein, da ist nichts und da war auch nie etwas eingetragen!“ Sie: „Bist du dir da wirklich sicher?“ Ich: „Ja! Ganz sicher.“ Dann werde ich nachdenklich. Und frage in die Runde: „Sagt mal, kann es sein, dass ihr mich nicht dabei haben wollt?“

Betretenes Schweigen. Eine erfahrene Führungskraft bricht es schließlich: „Weißt du Chef, bei dieser Messe geht es ums Verkaufen! Direkt vor Ort. Am Stand. Mit hohem Wettbewerbsdruck. Je mehr und schneller, desto besser. Wir brauchen den Umsatz dringend!“ Ich: „Ja, das weiß ich doch auch …“ Sie unterbricht mich: „Wir haben zwei richtig gute Leute hier im Team, die das perfekt beherrschen. Du kannst auch verkaufen, ohne Frage. Aber eben anders. Nicht sofort. Du weißt, was ich meine? Für diese Messe wärst du echt eine Fehlbesetzung!“

Wuuuummm!

Das sitzt! Ich bin sprachlos. Und fassungslos. Verliere die Fassung aber zum Glück nicht. Und stimme zu. Was bleibt mir auch anderes übrig?

Der Frontalangriff auf mein Chef-Ego

Aber ich bin sauer. Stinksauer. Richtig angefressen. Das war ein Frontalangriff auf mein Chef-Ego! Ich rede kaum mehr (was bei mir wirklich eine Rarität ist), ziehe mich zurück. Wenn die anderen ja eh alles besser können – dann werde ich ja nicht mehr gebraucht. Sollen die doch sehen, wohin das führt. Die Schmoll-Ecke ist angesagt …

Einige Wochen später sehe ich das wesentlich gelassener. Die Messe war ein voller Erfolg. Wen wundert’s? Die Spaßbremse war ja nicht dabei. Dank meiner zwei „Rampensäue“ im Verkauf ist es perfekt gelaufen. Die beiden haben – ganz ohne Boss – den Laden richtig gerockt. Ich bin begeistert! Und vor allen Dingen froh, dass sich meine Mitarbeiter getraut haben, mir ihre Meinung zu sagen.

Ich muss meinen Mitarbeitern vertrauen

Ich habe mal vor Jahren einen sehr philosophischen Satz gehört: „Nur wer den Schmerz der Analyse ertragen kann, ist zur Weiterentwicklung fähig!“ Ich weiß bis heute: der Stachel hat tief gesessen. Es hat wehgetan. Sehr weh!

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Aber ich weiß auch, dass ich meine Mitarbeiter alle selbst eingestellt habe. Also habe ich nur zwei Möglichkeiten: ihnen zu vertrauen, sie zu fordern und zu fördern. Oder sie wieder rauszuschmeißen.

Gute Mitarbeiter wissen, dass der Chef Urlaub braucht

Heute, knapp 14 Jahre später, gönne ich mir mit meiner Familie schon seit Jahren eine ordentliche Sommer-Auszeit (darüber habe ich auch im Blog-Beitrag „SMS-Terror im Urlaub“ geschrieben). Und das trotz (oder gerade wegen) des akuten Mitarbeitermangels in meiner Branche. Meine Mitarbeiter übernehmen gern das Ruder. Weil sie wissen, dass ihre Chefin und ihr Chef Erholung brauchen. Weil sie ohne Auszeit unausgeglichen sind. Gute Mitarbeiter verstehen das. Unternehmer zu sein heißt ja nicht rund um die Uhr zu arbeiten. Und immer erreichbar zu sein. Oder sind Sie deshalb Unternehmer geworden?

In diesem Jahr haben wir noch eins drauf gesetzt. Wir entwickelten für unsere Urlaubszeit das Gäste-Programm „Junge Wilde übernehmen das Ruder“. Wir kommunizieren also ganz offen, dass die Chefs und einige Führungskräfte an diesen Tagen nicht im Haus sind. Ziemlich riskant? Finde ich nicht. Denn die Gäste sind ja vorgewarnt. Die Resonanz im Vorfeld war unglaublich: Beide Wochenenden waren sofort ausgebucht. Die Gäste buchten wegen der jungen Wilden. Und nicht wegen der Chefs. Gut so!

Besonders jetzt in der Urlaubszeit stellt sich die Frage: "Wie entbehrlich sind Chefs und Führungskräfte eigentlich?" Viele Unternehmer können gar nicht mehr abschalten, haben das Smartphone auch in den Ferien immer griffbereit. Zum Leidwesen ihrer Partner und Familien. Urlaub dient der Erholung - so steht es im Bundesurlaubsgesetz. Was für Arbeitnehmer gilt, steht selbstverständlich auch Führungskräften zu. Erholung brauchen alle Menschen. Doch statt sich auszuruhen, greifen viele Unternehmer während ihres Urlaubs in das operative Geschäft ein - obwohl es meist gar nicht notwendig ist. Ganz im Gegenteil: Es könnte sich als demotivierend niederschlagen. Ja, im wahrsten Sinne des Wortes niederschlagend für die Mitarbeiter sein. Ich muss mich nicht um alles kümmern Ich finde es mehr als wichtig, dass Mitarbeiter in Abwesenheit des Chefs selbst Entscheidungen treffen. Daran können und müssen sie wachsen. Wachstum tut immer weh. Das hat die Natur so vorgesehen. Auch bei mir war es ein langer, schmerzhafter Prozess bis zu der Erkenntnis: Der Chef muss sich nicht um alles kümmern. Am Anfang tut es weh Eine Teambesprechung im heißen Jahr 2003. Es geht um die Zusammenstellung eines schlagkräftigen Teams für eine wichtige Messepräsentation. Und auf dieser Messe soll - nein, es muss ordentlich am Point of Sale verkauft werden. Klar, da muss ich dabei sein! Wenn so etwas Wichtiges ansteht, muss der "Cheffe" doch in der ersten Reihe stehen. Eine junge weibliche Führungskraft - vor kurzem noch Azubi in meinem Laden - meldet sich zu Wort: "Chef, bist du sicher, dass du zu diesem Zeitpunkt wirklich keinen Vortragstermin hast?" Ich überlege kurz, checke meinen Terminkalender und antworte dann bestimmt: "Nein, da ist nichts und da war auch nie etwas eingetragen!" Sie: "Bist du dir da wirklich sicher?" Ich: "Ja! Ganz sicher." Dann werde ich nachdenklich. Und frage in die Runde: "Sagt mal, kann es sein, dass ihr mich nicht dabei haben wollt?" Betretenes Schweigen. Eine erfahrene Führungskraft bricht es schließlich: "Weißt du Chef, bei dieser Messe geht es ums Verkaufen! Direkt vor Ort. Am Stand. Mit hohem Wettbewerbsdruck. Je mehr und schneller, desto besser. Wir brauchen den Umsatz dringend!" Ich: "Ja, das weiß ich doch auch ..." Sie unterbricht mich: "Wir haben zwei richtig gute Leute hier im Team, die das perfekt beherrschen. Du kannst auch verkaufen, ohne Frage. Aber eben anders. Nicht sofort. Du weißt, was ich meine? Für diese Messe wärst du echt eine Fehlbesetzung!" Wuuuummm! Das sitzt! Ich bin sprachlos. Und fassungslos. Verliere die Fassung aber zum Glück nicht. Und stimme zu. Was bleibt mir auch anderes übrig? Der Frontalangriff auf mein Chef-Ego Aber ich bin sauer. Stinksauer. Richtig angefressen. Das war ein Frontalangriff auf mein Chef-Ego! Ich rede kaum mehr (was bei mir wirklich eine Rarität ist), ziehe mich zurück. Wenn die anderen ja eh alles besser können - dann werde ich ja nicht mehr gebraucht. Sollen die doch sehen, wohin das führt. Die Schmoll-Ecke ist angesagt ... Einige Wochen später sehe ich das wesentlich gelassener. Die Messe war ein voller Erfolg. Wen wundert's? Die Spaßbremse war ja nicht dabei. Dank meiner zwei "Rampensäue" im Verkauf ist es perfekt gelaufen. Die beiden haben - ganz ohne Boss - den Laden richtig gerockt. Ich bin begeistert! Und vor allen Dingen froh, dass sich meine Mitarbeiter getraut haben, mir ihre Meinung zu sagen. Ich muss meinen Mitarbeitern vertrauen Ich habe mal vor Jahren einen sehr philosophischen Satz gehört: "Nur wer den Schmerz der Analyse ertragen kann, ist zur Weiterentwicklung fähig!" Ich weiß bis heute: der Stachel hat tief gesessen. Es hat wehgetan. Sehr weh! Aber ich weiß auch, dass ich meine Mitarbeiter alle selbst eingestellt habe. Also habe ich nur zwei Möglichkeiten: ihnen zu vertrauen, sie zu fordern und zu fördern. Oder sie wieder rauszuschmeißen. Gute Mitarbeiter wissen, dass der Chef Urlaub braucht Heute, knapp 14 Jahre später, gönne ich mir mit meiner Familie schon seit Jahren eine ordentliche Sommer-Auszeit (darüber habe ich auch im Blog-Beitrag "SMS-Terror im Urlaub" geschrieben). Und das trotz (oder gerade wegen) des akuten Mitarbeitermangels in meiner Branche. Meine Mitarbeiter übernehmen gern das Ruder. Weil sie wissen, dass ihre Chefin und ihr Chef Erholung brauchen. Weil sie ohne Auszeit unausgeglichen sind. Gute Mitarbeiter verstehen das. Unternehmer zu sein heißt ja nicht rund um die Uhr zu arbeiten. Und immer erreichbar zu sein. Oder sind Sie deshalb Unternehmer geworden? In diesem Jahr haben wir noch eins drauf gesetzt. Wir entwickelten für unsere Urlaubszeit das Gäste-Programm "Junge Wilde übernehmen das Ruder". Wir kommunizieren also ganz offen, dass die Chefs und einige Führungskräfte an diesen Tagen nicht im Haus sind. Ziemlich riskant? Finde ich nicht. Denn die Gäste sind ja vorgewarnt. Die Resonanz im Vorfeld war unglaublich: Beide Wochenenden waren sofort ausgebucht. Die Gäste buchten wegen der jungen Wilden. Und nicht wegen der Chefs. Gut so!
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