Gastgewerbe in der Krise
„Lockdown 2.0 – nicht mit mir!“

Als impulse-Blogger Jürgen Krenzer erfährt, dass er in seinem Hotel keine Gäste mehr empfangen darf, entscheidet er spontan: Ich schicke mein Team nicht in Kurzarbeit. Was er stattdessen plant.

, von

Kommentieren
Durch den Lockdown Light ist das Gastgewerbe in der Krise.
© knallgrün / photocase.de

Mittwoch, 28. Oktober 2020, 16.35 Uhr

Unrasiert und noch in Apfelwinzer-Montur stehe ich vor 15 jungen Frauen und Axel und Burkhard, zwei Professoren der Hochschule für Tourismus aus München. Sie sind zu früh. Und ich bin erst einmal schlecht gelaunt. Aber ok, ich bin ja Profi, also starten wir mit der Weinprobe und dem Vortrag. Es ist arschkalt. Rhön eben. Und wegen Covid-19, den Aerosolen und dem Abstand stehen wir draußen. Es wird ein legendärer Abend.

Die Studentinnen interessieren sich sehr für die Neuausrichtung unseres Unternehmens und meine Thesen zum Ende des Wachstums in unserer Branche. Die Professoren wollen dagegen mit mir darüber diskutieren, dass nur „Kult-Marken“ wie Sansibar auf Sylt eine große und treue Community haben, die auch in schwierigen Zeiten das Überleben sichert.

Das ist so typisch! Immer diese großen Leuchttürme, in die keiner richtig reingeschaut hat. Ich kann es nicht mehr hören und raste aus. Ich bitte die jungen Menschen, diesen alten Säcken nichts zu glauben. „Die labern eh nur alles nach, was sie irgendwo gelesen oder selbst mal geschrieben haben – wenn überhaupt, denn solche Jobs erledigen meist Praktikanten!“ Die Professoren geben mir augenzwinkernd recht. Alles läuft sehr ehrlich, hart und trotzdem humorvoll ab. Beste Unterhaltung.

Der Lockdown light ist für uns alles andere als light

Zwei Stunden später platzt die Bombe. Der Lockdown light wird verkündet. Der ist für uns nicht light, ganz und gar nicht. Touristische Übernachtungen sind nicht mehr erlaubt. Im November dürfen wir keine Gäste empfangen. Und ich bin hier immer noch in der Diskussion mit engagierten jungen Menschen, die gerade etwas studieren, was in der näheren Zukunft nicht mehr stattfinden soll: Tourismus, Gastronomie und Hotellerie. Wir sitzen alle in einem Boot, das gerade wieder einmal versenkt wird. Zum Glück gibt es Apfelsherry. Ich schenke reichlich nach.

Plötzlich stellt mir eine Studentin eine Frage: „Herr Krenzer, was sind jetzt Ihre Strategien für diesen neuen Lockdown?“ Ich muss erst einmal ein paar Sekunden nachdenken. Wenn ich jetzt etwas sage, ist das weder mit meiner Frau noch mit meinem Team abgestimmt. Aber ich muss jetzt was raushauen. Das wird von den jungen Leuten erwartet. Also tue ich es.

Ich schicke niemanden in Kurzarbeit!

Spontan verkünde ich, dass ich keinen meiner Mitarbeiter im November in Kurzarbeit schicke. Das sagt mir mein Bauchgefühl. Denn es wäre das falsche Zeichen. Genauso falsch wie die Entscheidung der Regierung, ein vorläufiges Berufsverbot über unsere Branche zu verhängen. Denn wir Gastronomen, Hoteliers und alle, die im Tourismus arbeiten, haben uns in den letzten Monaten den Arsch aufgerissen, um ein Corona-konformes Geschäft zu ermöglichen. Es ist schlimm genug, dass wir wieder weggesperrt werden. Ich kann es nicht ändern. Aber es ist meine Entscheidung, ob ich auch meine Mitarbeiter wegsperre. NEIN! Ich will das nicht.

Ich denke spontan: Wie großartig ist es, die plötzlich frei gewordenen Ressourcen von 20 fantastischen Mitarbeitern nutzen zu können? Denn für das bisherige Business werden sie ja nicht mehr gebraucht. Tausend Gedanken jagen mir durch den Kopf. Mein Sohn Max sagt immer: „Pleite ist der Papa erst, wenn er keine Ideen mehr hat!“ Also werde ich wohl nie pleitegehen. Um Ideen umzusetzen, braucht man Menschen. Viele Ideen gehen im Tagesgeschäft unter. Das Tagesgeschäft gibt es nicht mehr. Die Menschen sind da, top motiviert. Und wollen arbeiten! Also dann, lassen wir sie mal los …

Mein Blick ist nach vorne gerichtet

Natürlich fragen sich jetzt viele Unternehmer, wie das gehen soll. Ich muss meine Leute bezahlen, generiere aber gerade keine Umsätze mit ihnen. Falsche Denke. Wenn du so denken musst, bist du finanziell eh schon am Ende. Ich habe noch Rücklagen. Und blicke in die Zukunft. Der Bauer sät, obwohl er weiß, dass er vielleicht nicht ernten wird. Er tut es trotzdem. Und auch, wenn er dieses Jahr Ernteausfälle gehabt hat, wird er wieder säen. Genau das machen wir.

Zunächst stellen wir im November den ganzen Laden auf den Kopf, putzen, renovieren, verbessern. Und reden viel miteinander. Machen Dinge, für die nie Zeit war. Auch nicht im ersten Lockdown im Frühjahr. Denn da hatten wir keine Mitarbeiter, sie waren ja in Kurzarbeit.

Wir geben jetzt Vollgas!

Wir entwickeln jetzt in Küche und Kelterei neue Produkte. Produkte, die die Menschen nachfragen werden in Zeiten, in denen sie sich in ihr Zuhause zurückziehen und es sich dort gut gehen lassen wollen. Wir bringen gemeinsam mit unserem Team das krenzers-rhön-Kochbuch heraus. Mit unseren ganzen Kult-Rezepten, angefangen bei meiner Oma Anna bis hin zu meiner Tochter Maxima. Und wir planen für 2021 – unser Kalender steht.

Unseren Shop vor Ort bestücken wir mit weiteren handgemachten Produkten mit Seele. Wir bringen unseren Online-Shop auf Vordermann. Unsere Newsletter finden wieder öfter den Weg in die Mail-Postfächer. Und ein echter Gästebrief aus Papier wird gerade an 10.000 Adressen unserer Community zugestellt. Diesmal heißt es: Gas geben. Vollgas!

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
Machen ist wie wollen, nur krasser
Die impulse-Mitgliedschaften - Rückenwind für Unternehmerinnen und Unternehmer

Du musst säen, wenn du ernten willst

Hinter uns liegt eine herausfordernde, aber gute Saison. Wir hatten gute Umsätze. Inzwischen kochen wir nur noch für Hausgäste. Durch den Verzicht auf das unkalkulierbare À-la-carte-Geschäft hatten wir auch ganz gute Erträge. Die werden jetzt investiert. Kriegskasse. Weitere Investitionsplanungen laufen. Wir wollen die Aufenthaltsqualität unserer Gäste verbessern und bauen Anfang des nächsten Jahres wieder mal um.

Und ich habe mich gerade kreativ weggesperrt, um ein Buch zu schreiben. Es ist kein Kochbuch. Rezepte wird es darin trotzdem geben …

Du musst säen, wenn du ernten willst.

In eigener Sache
Das ChatGPT-Prompt-Handbuch
Für Unternehmerinnen und Unternehmer
Das ChatGPT-Prompt-Handbuch
17 Seiten Prompt-Tipps, Anwendungsbeispiele und über 100 Beispiel-Prompts
Mittwoch, 28. Oktober 2020, 16.35 Uhr Unrasiert und noch in Apfelwinzer-Montur stehe ich vor 15 jungen Frauen und Axel und Burkhard, zwei Professoren der Hochschule für Tourismus aus München. Sie sind zu früh. Und ich bin erst einmal schlecht gelaunt. Aber ok, ich bin ja Profi, also starten wir mit der Weinprobe und dem Vortrag. Es ist arschkalt. Rhön eben. Und wegen Covid-19, den Aerosolen und dem Abstand stehen wir draußen. Es wird ein legendärer Abend. Die Studentinnen interessieren sich sehr für die Neuausrichtung unseres Unternehmens und meine Thesen zum Ende des Wachstums in unserer Branche. Die Professoren wollen dagegen mit mir darüber diskutieren, dass nur „Kult-Marken“ wie Sansibar auf Sylt eine große und treue Community haben, die auch in schwierigen Zeiten das Überleben sichert. Das ist so typisch! Immer diese großen Leuchttürme, in die keiner richtig reingeschaut hat. Ich kann es nicht mehr hören und raste aus. Ich bitte die jungen Menschen, diesen alten Säcken nichts zu glauben. „Die labern eh nur alles nach, was sie irgendwo gelesen oder selbst mal geschrieben haben - wenn überhaupt, denn solche Jobs erledigen meist Praktikanten!“ Die Professoren geben mir augenzwinkernd recht. Alles läuft sehr ehrlich, hart und trotzdem humorvoll ab. Beste Unterhaltung. Der Lockdown light ist für uns alles andere als light Zwei Stunden später platzt die Bombe. Der Lockdown light wird verkündet. Der ist für uns nicht light, ganz und gar nicht. Touristische Übernachtungen sind nicht mehr erlaubt. Im November dürfen wir keine Gäste empfangen. Und ich bin hier immer noch in der Diskussion mit engagierten jungen Menschen, die gerade etwas studieren, was in der näheren Zukunft nicht mehr stattfinden soll: Tourismus, Gastronomie und Hotellerie. Wir sitzen alle in einem Boot, das gerade wieder einmal versenkt wird. Zum Glück gibt es Apfelsherry. Ich schenke reichlich nach. Plötzlich stellt mir eine Studentin eine Frage: „Herr Krenzer, was sind jetzt Ihre Strategien für diesen neuen Lockdown?“ Ich muss erst einmal ein paar Sekunden nachdenken. Wenn ich jetzt etwas sage, ist das weder mit meiner Frau noch mit meinem Team abgestimmt. Aber ich muss jetzt was raushauen. Das wird von den jungen Leuten erwartet. Also tue ich es. Ich schicke niemanden in Kurzarbeit! Spontan verkünde ich, dass ich keinen meiner Mitarbeiter im November in Kurzarbeit schicke. Das sagt mir mein Bauchgefühl. Denn es wäre das falsche Zeichen. Genauso falsch wie die Entscheidung der Regierung, ein vorläufiges Berufsverbot über unsere Branche zu verhängen. Denn wir Gastronomen, Hoteliers und alle, die im Tourismus arbeiten, haben uns in den letzten Monaten den Arsch aufgerissen, um ein Corona-konformes Geschäft zu ermöglichen. Es ist schlimm genug, dass wir wieder weggesperrt werden. Ich kann es nicht ändern. Aber es ist meine Entscheidung, ob ich auch meine Mitarbeiter wegsperre. NEIN! Ich will das nicht. Ich denke spontan: Wie großartig ist es, die plötzlich frei gewordenen Ressourcen von 20 fantastischen Mitarbeitern nutzen zu können? Denn für das bisherige Business werden sie ja nicht mehr gebraucht. Tausend Gedanken jagen mir durch den Kopf. Mein Sohn Max sagt immer: "Pleite ist der Papa erst, wenn er keine Ideen mehr hat!" Also werde ich wohl nie pleitegehen. Um Ideen umzusetzen, braucht man Menschen. Viele Ideen gehen im Tagesgeschäft unter. Das Tagesgeschäft gibt es nicht mehr. Die Menschen sind da, top motiviert. Und wollen arbeiten! Also dann, lassen wir sie mal los ... Mein Blick ist nach vorne gerichtet Natürlich fragen sich jetzt viele Unternehmer, wie das gehen soll. Ich muss meine Leute bezahlen, generiere aber gerade keine Umsätze mit ihnen. Falsche Denke. Wenn du so denken musst, bist du finanziell eh schon am Ende. Ich habe noch Rücklagen. Und blicke in die Zukunft. Der Bauer sät, obwohl er weiß, dass er vielleicht nicht ernten wird. Er tut es trotzdem. Und auch, wenn er dieses Jahr Ernteausfälle gehabt hat, wird er wieder säen. Genau das machen wir. Zunächst stellen wir im November den ganzen Laden auf den Kopf, putzen, renovieren, verbessern. Und reden viel miteinander. Machen Dinge, für die nie Zeit war. Auch nicht im ersten Lockdown im Frühjahr. Denn da hatten wir keine Mitarbeiter, sie waren ja in Kurzarbeit. Wir geben jetzt Vollgas! Wir entwickeln jetzt in Küche und Kelterei neue Produkte. Produkte, die die Menschen nachfragen werden in Zeiten, in denen sie sich in ihr Zuhause zurückziehen und es sich dort gut gehen lassen wollen. Wir bringen gemeinsam mit unserem Team das krenzers-rhön-Kochbuch heraus. Mit unseren ganzen Kult-Rezepten, angefangen bei meiner Oma Anna bis hin zu meiner Tochter Maxima. Und wir planen für 2021 – unser Kalender steht. Unseren Shop vor Ort bestücken wir mit weiteren handgemachten Produkten mit Seele. Wir bringen unseren Online-Shop auf Vordermann. Unsere Newsletter finden wieder öfter den Weg in die Mail-Postfächer. Und ein echter Gästebrief aus Papier wird gerade an 10.000 Adressen unserer Community zugestellt. Diesmal heißt es: Gas geben. Vollgas! Du musst säen, wenn du ernten willst Hinter uns liegt eine herausfordernde, aber gute Saison. Wir hatten gute Umsätze. Inzwischen kochen wir nur noch für Hausgäste. Durch den Verzicht auf das unkalkulierbare À-la-carte-Geschäft hatten wir auch ganz gute Erträge. Die werden jetzt investiert. Kriegskasse. Weitere Investitionsplanungen laufen. Wir wollen die Aufenthaltsqualität unserer Gäste verbessern und bauen Anfang des nächsten Jahres wieder mal um. Und ich habe mich gerade kreativ weggesperrt, um ein Buch zu schreiben. Es ist kein Kochbuch. Rezepte wird es darin trotzdem geben … Du musst säen, wenn du ernten willst.
Mehr lesen über