Vermutlich liegt es an meinem eher rebellischen Charakter: Wenn mir jemand sagt „Du musst deinen Mitarbeitenden vertrauen“, dann ist meine automatische Reaktion: „Ich muss gar nichts.“
Vertrauen wird in der Managementliteratur als unverzichtbarer Grundpfeiler guter Führung beschrieben: Ohne Vertrauen etwa werde ein Unternehmen langsam, weil alles über den Schreibtisch des Chefs gehen muss. Ohne Vertrauen leide auch die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie fühlten sich kontrolliert statt wertgeschätzt. Ohne Vertrauen könne man als Führungskraft zudem nicht delegieren. Man könne dann nicht loslassen.
Das ist alles richtig. Und trotzdem halte ich es für einen Fehler, Führungskräften permanent zuzurufen, sie müssten nur endlich lernen, mehr zu vertrauen. Denn was bedeutet Vertrauen eigentlich? Kurze Antwort: vieles.
Ich kann etwa in das Wohlwollen einer Mitarbeiterin vertrauen, also darin, dass sie gute Absichten hat. Ich kann in ihre Zuverlässigkeit vertrauen. Dass sie Absprachen einhält und pünktlich ist.
Oder ich kann in ihre Kompetenz vertrauen. Dass sie einer Aufgabe gewachsen ist.
Vertrauen und Zutrauen – Führungskräfte brauchen beides
Das sind völlig unterschiedliche Themen. Das zeigt sich etwa in der Zusammenarbeit mit einem Azubi: Ich kann ihn für loyal und zuverlässig halten und ihm trotzdem nicht das große IT-Projekt anvertrauen. Ich vertraue ihm, aber mir fehlt das Zutrauen.
Als Führungskraft ist es wichtig zwischen Vertrauen und Zutrauen zu unterscheiden. Vertrauen entsteht langsam, es basiert auf guten Erfahrungen. Zutrauen dagegen ist eine professionelle Einschätzung und immer auch ein Sprung ins Ungewisse: Ich habe einen Mitarbeiter beobachtet und traue ihm eine neue Aufgabe zu. Vielleicht sogar, obwohl er sie sich selbst noch nicht zutraut.
Als Führungskraft braucht man beides: Ohne Vertrauen herrscht im Unternehmen Unsicherheit, Kontrollwahn, schlechte Laune. Fehlt der Führungskraft das Zutrauen, dann wird sie zur Bremse. Sie hält die Mitarbeiter klein, nimmt ihnen die Möglichkeit, an neuen Aufgaben zu wachsen.
Was man dagegen nicht braucht, ist Naivität. Vertrauen bedeutet nicht, auf Qualitätssicherung zu verzichten. Und Zutrauen bedeutet nicht, blind darauf zu hoffen, dass es schon gut gehen wird.
Niemand muss daher seinen Mitarbeitenden vertrauen. Vertrauen ist keine Pflicht. Sondern eine bewusste Entscheidung.
Und nur dann ist sie auch wirklich etwas wert.
Nicole Basel führt als Chefredakteurin die impulse-Redaktion. An dieser Stelle schreibt sie über Fragen, die sie als Chefin beschäftigen.
