War for Talents
So können kleine Unternehmen gute Leute überzeugen

Im "War for Talents" um qualifizierte Fach- und Führungskräfte haben kleine Unternehmen oft schlechte Karten. Welche Stärken sie ausspielen sollten, um bei Bewerbern zu punkten: ein Gespräch über Trägheit, Hybris und Hintertupfingen.

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"Die Leute denken: Ohje, die sitzen in Hintertupfingen, da will ich nicht hin." Deshalb müssen sich kleine Firmen müssen  im "War for Talents" etwas einfallen lassen.
"Die Leute denken: Ohje, die sitzen in Hintertupfingen, da will ich nicht hin." Deshalb müssen sich kleine Firmen müssen im "War for Talents" etwas einfallen lassen.

impulse: Herr Kasten, in den Rankings der beliebtesten Arbeitgeber landen große Konzerne wie BMW oder Google regelmäßig ganz oben. Haben kleinere Unternehmen bei talentierten jungen Leuten überhaupt eine Chance?

Jörg Kasten: Konzerne wie BMW oder Lufthansa haben natürlich eine viel bessere Ausgangslage: Sie sind bekannt, gelten als sexy und kriegen allein von Hochschulabsolventen zigtausend unaufgeforderte Bewerbungen im Jahr. Viele Mittelständler kennt keiner – oder die Leute denken: Ohje, die sitzen in Hintertupfingen, da will ich nicht hin. Deshalb müssen sich kleinere Unternehmen etwas einfallen lassen, wenn sie Hochschulabsolventen oder Young Professionals für sich gewinnen wollen.

Was denn zum Beispiel?

Fragen Sie doch mal Ihre eigenen Führungskräfte: Wo habt ihr studiert? Zu welcher Hochschule habt ihr einen Draht? Bitten Sie sie, ihre Kontakte zu nutzen, ihren alten Professor anzusprechen. So können Sie quasi auf dem kleinen Dienstweg versuchen, an gute Leute ranzukommen.

Und wenn ich keine Kontakte habe, die mir bei der Suche nützlich sein könnten?

Auch dann gibt es Möglichkeiten. Schauen Sie sich mal die renommierten Hochschulen in Ihrer Nähe an: Vielleicht macht eine Hochschule eine Absolventenmesse, zu der Sie gehen können. Vielleicht können Sie eine Masterarbeit oder Doktorarbeit sponsern oder Praktika anbieten. All das bringt mehr, als viel Geld für Imagekampagnen und Werbung auszugeben – und es bindet junge Leute früh ans Unternehmen.

Wie sollte ich vorgehen, um Kandidaten mit mehr Berufserfahrung für die eigene Firma zu gewinnen?

Unser Experte
joerg-kastenJörg Kasten ist Chairman der Boyden World Corporation und Managing Partner von Boyden Deutschland. Boyden global executive search ist eine internationale Personalberatung, die sich auf die Besetzung von Führungspositionen spezialisiert hat.

Bei höheren Positionen kann es die Zusammenarbeit mit einem Personalberater leichter machen, gute Leute an den Tisch zu kriegen. Der spricht interessante Kandidaten gezielt an: „Dieses Unternehmen haben Sie vielleicht gar nicht auf dem Schirm, aber ich sag‘ ihnen mal, warum der Job interessant für Sie ist.“

Mit welchen Vorteilen versuchen Sie in einem solchen Gespräch, Punkte für den Mittelstand zu sammeln?

Wer schnell Verantwortung übernehmen und nah an den Entscheidungen dran sein möchte, ist im Mittelstand besser aufgehoben. Da kann man schnell mal beim Gründer oder Besitzer vorbeigehen und sagen: „Ich hab‘ da eine tolle Idee, wollen wir das so machen?“ Mit diesem Pfund sollten Mittelständler viel mehr wuchern.

Spätestens bei der Gehaltsverhandlung ist allerdings oft Schluss mit „Vorteil Mittelstand“: Konzerne können meist höhere Gehälter zahlen als kleinere Unternehmen. Welche Rolle spielt der Faktor Geld wirklich im „War for Talents“?

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Natürlich muss das Gehalt konkurrenzfähig sein. Man darf aber hierbei auch den Standort nicht außer Acht lassen: In München geht die Hälfte Ihres Einkommens allein für die Miete drauf – in anderen Ecken Deutschlands ist der Euro noch einen Euro wert. Das müssen Sie Ihren Kandidaten nahe bringen.

Wie würden Sie hierbei vorgehen?

Angenommen, Sie suchen eine gestandene Führungskraft und es sind noch zwei Kandidaten im Rennen. Dann laden Sie die doch einfach mal ein, damit sie die Region kennen lernen können. Laden Sie den Partner oder die Partnerin gleich mit ein und organisieren Sie eine Tour, damit die sehen: Wo kann man bei Ihnen vor Ort wohnen, wie sehen die Schulen aus? Holen Sie einen Makler dazu, der sagt, hier zahlt ihr nur halb so viel wie in München, wenn ihr euch ein schönes Haus kauft oder mietet.

Wie wichtig ist es, dass der Eigentümer selbst bei der Bewerberauswahl in Erscheinung tritt?

Ich rate Firmeneigentümern immer, sich selbst zu engagieren. Sie haben einen Wunschkandidaten? Dann hängen Sie sich an einem Sonntagabend ans Telefon und rufen den an. Das ist oft mehr wert, als noch mal 10.000 Euro auf das Angebot obendrauf zu legen.

Und was sage ich dem dann?

Sagen Sie ihm einfach: Wir freuen uns auf Sie und haben viel mit Ihnen vor. Wir brauchen Sie hier und wollen Sie gern haben. Spielen Sie die persönliche Karte. Das machen die im Konzern nämlich nicht: Dort dauert es manchmal Wochen, bis Sie einen Vertrag auf dem Tisch haben – eine Mischung aus Trägheit und Hybris.

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Haben kleine Unternehmen überhaupt eine Chance, Konzernen gute Leute abzuwerben?

Das ist wirklich schwer. Denn wenn jemand zu einem Mittelständler geht, ist der Weg zum Konzern danach in der Regel fast unmöglich. Es gibt immer wieder Leute, die die Nase voll haben – vom permanenten Sich-Abstimmen, von der Politik im Hintergrund. Die entscheidungsnah arbeiten und Verantwortung übernehmen wollen. Aber die zu finden, wird ohne Personalberater schwer.

Gibt es eigentlich auch Jobs, für die selbst Sie als Recruiting-Profi nur mit Mühe Leute finden können?

Im Moment spricht jeder über Digitalisierung, Industrie 4.0, IT-Security. Da gute Leute zu finden, ist einfach sehr schwer. Vor Kurzem kam jemand zu mir und sagte: „Wir suchen zehn Leute für dieses Thema, mindestens auf Projektleiter-Level.“ Dem habe ich schlichtweg gesagt: „Vergessen Sie’s. Wenn Sie zwei oder drei finden, können Sie sich glücklich schätzen.“ Das ist natürlich hart, aber die Wahrheit.

impulse: Herr Kasten, in den Rankings der beliebtesten Arbeitgeber landen große Konzerne wie BMW oder Google regelmäßig ganz oben. Haben kleinere Unternehmen bei talentierten jungen Leuten überhaupt eine Chance? Jörg Kasten: Konzerne wie BMW oder Lufthansa haben natürlich eine viel bessere Ausgangslage: Sie sind bekannt, gelten als sexy und kriegen allein von Hochschulabsolventen zigtausend unaufgeforderte Bewerbungen im Jahr. Viele Mittelständler kennt keiner – oder die Leute denken: Ohje, die sitzen in Hintertupfingen, da will ich nicht hin. Deshalb müssen sich kleinere Unternehmen etwas einfallen lassen, wenn sie Hochschulabsolventen oder Young Professionals für sich gewinnen wollen. Was denn zum Beispiel? Fragen Sie doch mal Ihre eigenen Führungskräfte: Wo habt ihr studiert? Zu welcher Hochschule habt ihr einen Draht? Bitten Sie sie, ihre Kontakte zu nutzen, ihren alten Professor anzusprechen. So können Sie quasi auf dem kleinen Dienstweg versuchen, an gute Leute ranzukommen. Und wenn ich keine Kontakte habe, die mir bei der Suche nützlich sein könnten? Auch dann gibt es Möglichkeiten. Schauen Sie sich mal die renommierten Hochschulen in Ihrer Nähe an: Vielleicht macht eine Hochschule eine Absolventenmesse, zu der Sie gehen können. Vielleicht können Sie eine Masterarbeit oder Doktorarbeit sponsern oder Praktika anbieten. All das bringt mehr, als viel Geld für Imagekampagnen und Werbung auszugeben – und es bindet junge Leute früh ans Unternehmen. Wie sollte ich vorgehen, um Kandidaten mit mehr Berufserfahrung für die eigene Firma zu gewinnen? Bei höheren Positionen kann es die Zusammenarbeit mit einem Personalberater leichter machen, gute Leute an den Tisch zu kriegen. Der spricht interessante Kandidaten gezielt an: „Dieses Unternehmen haben Sie vielleicht gar nicht auf dem Schirm, aber ich sag' ihnen mal, warum der Job interessant für Sie ist.“ Mit welchen Vorteilen versuchen Sie in einem solchen Gespräch, Punkte für den Mittelstand zu sammeln? Wer schnell Verantwortung übernehmen und nah an den Entscheidungen dran sein möchte, ist im Mittelstand besser aufgehoben. Da kann man schnell mal beim Gründer oder Besitzer vorbeigehen und sagen: „Ich hab' da eine tolle Idee, wollen wir das so machen?" Mit diesem Pfund sollten Mittelständler viel mehr wuchern. Spätestens bei der Gehaltsverhandlung ist allerdings oft Schluss mit „Vorteil Mittelstand“: Konzerne können meist höhere Gehälter zahlen als kleinere Unternehmen. Welche Rolle spielt der Faktor Geld wirklich im „War for Talents“? Natürlich muss das Gehalt konkurrenzfähig sein. Man darf aber hierbei auch den Standort nicht außer Acht lassen: In München geht die Hälfte Ihres Einkommens allein für die Miete drauf - in anderen Ecken Deutschlands ist der Euro noch einen Euro wert. Das müssen Sie Ihren Kandidaten nahe bringen. Wie würden Sie hierbei vorgehen? Angenommen, Sie suchen eine gestandene Führungskraft und es sind noch zwei Kandidaten im Rennen. Dann laden Sie die doch einfach mal ein, damit sie die Region kennen lernen können. Laden Sie den Partner oder die Partnerin gleich mit ein und organisieren Sie eine Tour, damit die sehen: Wo kann man bei Ihnen vor Ort wohnen, wie sehen die Schulen aus? Holen Sie einen Makler dazu, der sagt, hier zahlt ihr nur halb so viel wie in München, wenn ihr euch ein schönes Haus kauft oder mietet. Wie wichtig ist es, dass der Eigentümer selbst bei der Bewerberauswahl in Erscheinung tritt? Ich rate Firmeneigentümern immer, sich selbst zu engagieren. Sie haben einen Wunschkandidaten? Dann hängen Sie sich an einem Sonntagabend ans Telefon und rufen den an. Das ist oft mehr wert, als noch mal 10.000 Euro auf das Angebot obendrauf zu legen. Und was sage ich dem dann? Sagen Sie ihm einfach: Wir freuen uns auf Sie und haben viel mit Ihnen vor. Wir brauchen Sie hier und wollen Sie gern haben. Spielen Sie die persönliche Karte. Das machen die im Konzern nämlich nicht: Dort dauert es manchmal Wochen, bis Sie einen Vertrag auf dem Tisch haben - eine Mischung aus Trägheit und Hybris. Haben kleine Unternehmen überhaupt eine Chance, Konzernen gute Leute abzuwerben? Das ist wirklich schwer. Denn wenn jemand zu einem Mittelständler geht, ist der Weg zum Konzern danach in der Regel fast unmöglich. Es gibt immer wieder Leute, die die Nase voll haben – vom permanenten Sich-Abstimmen, von der Politik im Hintergrund. Die entscheidungsnah arbeiten und Verantwortung übernehmen wollen. Aber die zu finden, wird ohne Personalberater schwer. Gibt es eigentlich auch Jobs, für die selbst Sie als Recruiting-Profi nur mit Mühe Leute finden können? Im Moment spricht jeder über Digitalisierung, Industrie 4.0, IT-Security. Da gute Leute zu finden, ist einfach sehr schwer. Vor Kurzem kam jemand zu mir und sagte: „Wir suchen zehn Leute für dieses Thema, mindestens auf Projektleiter-Level.“ Dem habe ich schlichtweg gesagt: „Vergessen Sie's. Wenn Sie zwei oder drei finden, können Sie sich glücklich schätzen.“ Das ist natürlich hart, aber die Wahrheit.
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