Unternehmeraufgaben: Wie Sie Aufgaben abgeben, ohne den Teamkontakt zu verlieren

Das Team tut sein Bestes, trotzdem haben Unternehmerinnen und Unternehmer oft das Gefühl, selbst Hand anlegen zu müssen. Niemand kennt den Betrieb schließlich so gut wie sie. Die Zeit, in der sie sich im operativen Geschäft engagieren, fehlt dann aber an anderer Stelle. Eine Zerreißprobe. Der Braunschweiger Entscheider-Coach Florian Gommlich erklärt, wie man diese Herausforderung meistert. impulse: Herr Gommlich, wie viel Kontakt zum Tagesgeschäft sollten Unternehmerinnen und Unternehmer haben? Florian Gommlich: Eigentlich gar keinen. Damit das Tagesgeschäft läuft, habe ich ja meine Fachkräfte eingestellt. Aber ich muss doch präsent sein, um eine Firma zu leiten. Wer ein Unternehmen führt, muss natürlich in seiner Firma sichtbar und spürbar sein. Ich muss mich aber grundsätzlich entscheiden: Bin ich wirklich Unternehmer und arbeite am Unternehmen oder bin ich Selbstständiger und will im Tagesgeschäft mitarbeiten? Als Selbstständiger denke ich: „Ich kann das selbst am besten.“ Als Unternehmer aber denke ich: „Ich habe ein starkes Team, dass das Tagesgeschäft am besten meistert.“ Als Unternehmer sollte also mein Ziel sein, eine Firma so aufzubauen, dass sie auch ohne mich perfekt läuft. So radikal denkt allerdings kaum jemand: Die meisten sprechen lieber davon, weniger im operativen Geschäft machen zu wollen. Trotzdem fällt es vielen schwer, bei dem Entschluss zu bleiben. Oft höre ich: „Ohne mich läuft es nicht so gut“, „Die Kundschaft erwartet das“ oder „Lasse ich mein Team allein, sinkt die Qualität der Arbeit“. Die Ängste haben zumeist etwas mit der eigenen Ungeduld oder Unsicherheit zu tun. Ein Beispiel: Einer meiner Kunden wollte nach 15 Jahren in der eigenen Firma für sechs Monate eine Auszeit in Australien machen. Er war aber nach sechs Wochen schon wieder da, total frustriert und genervt, weil es in der Firma nicht lief. Was war der Fehler? Ihm war gar nicht klar, welche Lücken entstehen, wenn er als Chef fehlt. Wie soll es ein Team auch allein hinbekommen, wenn es das zuvor nie musste, vielleicht sogar nie durfte? Oft sind Teams im Mittelstand nicht gut geführt, weil der Chef oder die Chefin im Tagesgeschäft voll mitwirkt, also: mitproduziert, mitverkauft, mitabrechnet. Die Angestellten erledigen ihre Aufgaben zwar nach bestem Wissen und Gewissen, trotzdem sehen sich Chefs in der Rolle, selbst auch noch Fehler auszubügeln, anstatt das Team durch Eigenverantwortung mehr in die Pflicht zu nehmen. Dann fehlt an anderer Stelle die Zeit. Es ist das klassische Bild: „Ich konnte den Zaun nicht reparieren, weil ich den ganzen Tag Hühner einfangen musste“. Dabei wachsen die persönliche Unzufriedenheit und der Stress. Gleichzeitig kommt die Firma nicht voran. Die Angst „Ohne mich läuft gar nichts“ ist also durchaus berechtigt, wenn man sich selbst und die Firma vorher nicht ausreichend auf die Veränderung einstellt. Wie mache ich es besser? Ich muss mir meiner eigenen Rolle bewusst werden: Zur Gründungszeit stimmt es, dass man sich nicht herausnehmen kann. Zu gut 90 Prozent mache ich die Fachkraftaufgaben noch selbst. Das heißt, ich kümmere mich etwa um Vertrieb, Produktion und Qualitätsmanagement gleichzeitig. Dazu führe ich vielleicht noch das Team und habe meine eigentlichen Unternehmeraufgaben, etwa mich der Strategie und der Vision zu widmen. Später ist es anders: Wächst meine Firma – muss ich etwa ein größeres Team leiten oder habe mehr Aufträge –, bekomme ich nicht mehr alles unter einen Hut, bin vielleicht genervt oder überarbeitet und muss abgeben. Wie bleibe ich denn dann informiert, was in der Firma passiert? Durch ein persönliches Informationssystem. Zum Beispiel durch eine digitale Ablage oder ein Dashboard, über die meine Mitarbeiter mich mit den wichtigsten Kennzahlen, wie Umsatz oder Liquidität, versorgen. Sinnvoll ist auch, regelmäßig Meilenstein-Termine mit den Führungskräften zu vereinbaren, um Zwischenbilanz zu ziehen: Wo stehen wir? Was klappt gut und wo müssen wir nachjustieren? Und das reicht aus? Möglicherweise heißt es im Team: „Der Chef ist gar nicht mehr ansprechbar“ oder „Das bedeutet für uns Mehrarbeit“. Wichtig ist es, im Unternehmen präsent zu bleiben – etwa auch mal über den Büroflur oder durch die Werkhalle zu spazieren – aber nicht, um zu kontrollieren, sondern einfach, um zu zeigen: Ich bin da. Sich mal kurz einen Mitarbeiter für eine Aufgabe zu schnappen oder mal eben die Marketingabteilung zu kontrollieren, das geht natürlich nicht. Um direkten Austausch zu ermöglichen, hat ein Klient von mir einmal im Monat für zwei Stunden eine Sprechstunde eingerichtet: Jeder – vom Praktikanten bis zur Projektmanagerin – darf in dieser Zeit unangekündigt bei ihm im Büro vorbeikommen. Tatsächlich melden sich kaum mehr Menschen bei ihm als vorher, aber der „Der Chef ist nie da“-Vorwurf ist weg. Welche Methode hilft mir, langfristig abzugeben und gleichzeitig den Kontakt zum Tagesgeschäft zu halten? Habe ich mich im ersten Schritt entschieden, wirklich am Unternehmen zu arbeiten, kann ich im zweiten Schritt meine Tätigkeiten auf einem Zettel festhalten: Was davon bleibt auf der Strecke? Wo muss ich mehr Zeit einplanen? Oft sind es die Unternehmeraufgaben, zum Beispiel die Vision für eine Firma zu entwickeln, die zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Im dritten Schritt muss ich dann meine Belegschaft befähigen, jene Aufgaben zu übernehmen, die ich weniger machen möchte: Dazu kann es gut sein, dass ich eine Führungsebene aufbauen oder an die bestehende neue Verantwortung übertragen muss. Wie ermutige ich denn mein Team zu mehr Eigenverantwortung? Suchen Sie sich Vertrauenspersonen im Team und besprechen Sie gemeinsam Ihre Ziele. Eine meiner Klientinnen hat die gesamte Abteilungsleitung für zwei Tage in ein Kloster eingeladen. Die erste Stunde hat sie genutzt, um zu erklären, wie es ihr gerade im Unternehmen geht, warum sie es überhaupt einmal gegründet hat und welche Beobachtungen sie zu dem Treffen veranlasst haben. Dann hat sie gesagt, dass sie im Tagesgeschäft mehr aus der Verantwortung heraustreten möchte und die Abteilungsleitung mehr Verantwortung bekommen soll. Ziel war es dann, zusammen zu erarbeiten, wie das am besten gelingt: Wichtig ist es zum Beispiel, die neuen Rollen nach außen, etwa an die Kundschaft, zu kommunizieren und die neue Ansprechperson vorzustellen. Wenn dann doch mal Kunde X bei mir anruft, muss ich ihn freundlich, aber konsequent an diese Person weiterleiten, um den Wandel durchzusetzen. Vertrauen ins Team ist zwar gut, ist Kontrolle durch den Chef aber nicht besser? Kontrollverlangen ist oft eine Schutzreaktion auf die Veränderung. Dagegen hilft der Austausch mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern. Ich kann auch Kontakt zu jenen suchen, die schon einmal komplett ein Unternehmen abgegeben haben und von ihnen lernen. Wichtig ist für mich als Unternehmer, selbst zu klären, woher das Kontrollverlangen überhaupt kommt. Hierbei kann auch die Begleitung durch einen Coach helfen. Ich muss mich also mit mir selbst auseinandersetzen. Was sollte ich dabei beachten? Stellen Sie sich die richtigen Fragen: Wozu will ich aus dem operativen Geschäft aussteigen? Welche Aufgaben machen mir keinen Spaß oder nerven mich? Bin ich gerade einfach ausgebrannt und habe deshalb keine Lust auf das Tagesgeschäft? Fehlt mir Zeit für andere Aufgaben? Und statt komplett die Reißleine zu ziehen, wenn es nicht gleich klappt und sechs Monate nach Australien zu verschwinden: Nähern Sie sich Schritt für Schritt Ihrem gesetzten Ziel an.