Chef und Student? So kann eine Weiterbildung die Firma retten

„Es kann immer mal wieder zu einer Krise kommen“, sagte Markus Fiedler im ersten Recherche-Interview mit impulse Ende Januar 2020. Der Chef der Firma Fimab sagte das nicht, weil er ahnte, dass eine Pandemie wenig später die Wirtschaft in ganz Europa lahmlegen würde – nein, er sagte das, weil er sich noch gut an die Finanzkrise 2008 erinnerte. Sie war der Grund, dass er neben seinem Vollzeitjob als Unternehmer noch ein Studium aufnahm – was dazu führte, dass er und seine Frau Birgit das Geschäftsmodell des Familienunternehmens so weiterentwickelten, dass ihre Firma in der Corona-Krise gut dasteht. Die Firma Fimab Markus und Birgit Fiedler sind gestandene Unternehmer. Seit mehr als 20 Jahren führen sie Fimab (der Name steht für: Fiedler Maschinenbau und Blechbearbeitung) im baden-württembergischen Neubulach. Gegründet wurde die Firma 1988 von Eberhard Fiedler, Markus Fiedlers Vater. Inzwischen beschäftigt das auf den Bau von Schaltschränken spezialisierte Unternehmen rund 40 Mitarbeiter und macht 3,7 Millionen Euro Umsatz. Die Fiedlers sind aber nicht nur Unternehmer. Sie sind auch frischgebackene Hochschulabsolventen: Beide haben 2020 ihre Masterarbeit abgegeben. Sie im Bereich Hirnforschung, konkret darüber, wie sich Mitarbeiter angepasst an ihre Hirnfunktionen führen lassen. Und er im Bereich Chancen der Digitalisierung für kleine und mittelständische Firmen. Ihre Geschichte zeigt, wieso sich Unternehmer weiterbilden sollten, welche Möglichkeiten es dafür gibt und wie eine Investition in Wissen sich langfristig für die eigene Firma bezahlt machen kann – gerade in Krisenzeiten. Den Anfang machen Begonnen hat alles 2008. Damals hatte Birgit Fiedler, 48, das Gefühl, mehr wissen zu müssen, wenn sie ihrem Team Impulse geben wollte. Also suchte sie im Internet nach Weiterbildungsmöglichkeiten für Unternehmer. Sie entschied sich für ein berufsintegrierendes Bachelorstudium der Betriebswirtschaftslehre an der Steinbeis Business Academy (SBA). Die SBA gehört zur Steinbeis-Hochschule, einer privaten staatlich anerkannten Hochschule. Das Studium Ein berufsintegrierendes Studium zählt zur Kategorie duales Studium. Das heißt, die Inhalte im Studium sind immer eng mit der Arbeit in einem Unternehmen verzahnt. Es gibt viele Hochschulen, die diese Studienform anbieten, beispielsweise die Duale Hochschule Baden-Württemberg oder die Hochschule für angewandtes Management in München. Zudem gibt es zahlreiche Anbieter, wie zum Beispiel die Fom-Hochschule für Ökonomie und Management, die berufsbegleitende Studiengänge anbieten. Bei dieser Form sind die Studierenden auch berufstätig, allerdings ist das Studium unabhängig von der Firma, wird also in der Freizeit absolviert. Das bringt das Studium für die Firma „Ausschlaggebend für meine Entscheidung war, wie oft ich vor Ort sein musste“, sagt Birgit Fiedler. Die gelernte Speditionskauffrau und Betriebswirtin ist nach der Heirat in das Unternehmen ihres Mannes eingestiegen und hat dort den kompletten kaufmännischen Bereich übernommen: Buchhaltung, Controlling, Personal, Lohnabrechnung. Diesen Bereich musste sie auch neben dem Studium führen. Ein weiteres Kriterium war, dass sie im Rahmen des Studiums ein konkretes Projekt in der Firma erarbeiten musste. Die SBA nennt es deswegen Projekt-Kompetenz-Studium. „Das war super, weil ich ein Thema angehen konnte, das wir sowieso hätten angehen müssen“, sagt Birgit Fiedler. Sie entschied sich für die Prozessoptimierung in der Produktion von Fimab. In der Regel dauert ein Bachelorstudium drei Jahre. Voraussetzung ist das Abitur oder eine gleichwertige Qualifizierung, beispielsweise Mittlere Reife plus Berufsausbildung und mindestens drei Jahre Erfahrung im erlernten Job. An der SBA kostet das Bachelorstudium 11952 Euro plus einmalig 540 Euro Anmeldegebühren. Das kann sich lohnen. Schließlich wäre die Alternative, ein Projekt mit einem externen Berater voranzutreiben, der die notwendigen Kompetenzen hat. Birgit Fiedler erhielt den benötigten Rat im Studium. „Die Dozenten haben alle Praxiserfahrung, sodass sie meine Fragen beantworten konnten und wussten, wovon ich rede. Das war sehr wertvoll.“ Der Zeitaufwand Alle vier bis sechs Wochen, entweder Donnerstag und Freitag oder Freitag und Samstag, hat sie an Seminaren vor Ort teilgenommen, den Rest konnte sie von zu Hause erledigen. Semesterferien hatte sie nicht, nur die Sommer- und Weihnachtsferien. „Ich habe gedacht: Das ist machbar“, erinnert sich Birgit Fiedler an den Moment, als sie sich über das Studium an der SBA informierte. Natürlich musste sie ihre Pläne mit ihrem Mann absprechen. Für Markus Fiedler, 50, bedeutete das Studium seiner Frau, dass er mit der Geschäftsführung allein war, wenn sie an Präsenzseminaren teilnehmen, Hausarbeiten schreiben oder für Prüfungen lernen musste. „Man sollte sich schon klar sein, dass man viel Zeit investieren muss“, sagt Markus Fiedler. Schlaues Zeitmanagement „Die Weiterbildung löst Veränderungen im persönlichen Zeitmanagement aus, also im Bezug auf Familie, Hobbys und Freunde.“ Bei den Fiedlers war es zum Beispiel so, dass Markus Fiedler sich nicht nur mehr um die Firma, sondern auch um die zwei Kinder gekümmert hat. Als er dann mit dem Studium begann, drehte sich das um, und Birgit Fiedler übernahm mehr Aufgaben. „Es hat bei uns deswegen gut funktioniert, weil wir alles in der Familie und im Unternehmen mit den Mitarbeitern besprochen haben“, sagt Markus Fiedler. Es war trotzdem eine anstrengende Zeit für das Paar – nicht nur, weil sie sich privat und beruflich neu organisieren mussten, sondern weil mit Birgit Fiedlers Studienbeginn 2008 die Finanzkrise über das Unternehmen hereinbrach. Die Aufträge blieben aus, der Umsatz brach von einem Tag auf den nächsten ein. „Das war eine ganz schwere Phase“, erinnert sich Markus Fiedler. „Heute kann ich sagen, dass wir die Firma nur durch das Studium meiner Frau retten konnten.“ Die Rettung Birgit Fiedler begann das Wissen aus dem Studium anzuwenden – indem sie Fragen stellte: Warum machen wir das so? Können wir nicht einen anderen Prozess ausprobieren? „Gut war, dass ich mich in der Produktion gar nicht auskannte“, sagt sie. „Dadurch war ich unbelastet und habe alles offen hinterfragt.“ Sie begannen mit Lieferanten über die abzunehmenden Mengen zu verhandeln und stellten die komplette Fertigung auf eine Just in-Time-Produktion um, sodass nur noch produziert wurde, was Kunden tatsächlich bestellten. „Wir hatten damals riesige Materialvorräte, die wir in dieser Zeit abgebaut haben“, erklärt Markus Fiedler. „So haben wir die Krise überstanden.“ Als Birgit Fiedler ihr Studium 2012 beendete, war ihrem Mann klar: Auch er muss sich weiterbilden und seine Kompetenzen erweitern. „Nach der Krise wollte ich meinen Marktwert erhöhen“, erinnert er sich. Schmunzelnd fügt er hinzu: „Zudem dachte ich, dass ich neben meiner Frau nicht dumm sterben wollte.“ Also begann auch er ein berufsintegrierendes Bachelorstudium in Ingenieurwissenschaften an der SBA. „Und plötzlich hatte ich die Idee, einen eigenen Konfigurator für Schaltschränke zu entwickeln“, erinnert er sich. Das neue Geschäft Zu dem Zeitpunkt dauerte es bei Fimab mindestens drei Tage, bis die Kunden einen Schaltschrank nach ihren Wünschen bestellen konnten. Im Studium entwickelte Markus Fiedler eine cloudbasierte Software, die es den Kunden ermöglicht, aus einer Palette an Kriterien wie Farbe, Höhe, Tiefe und Breite auszuwählen und sich so ihren Schaltschrank individuell und in wenigen Minuten selbst zusammenzustellen. Diese Zusammensetzung diverser standardisierter Bauteile zu einem ganz neuen Produkt nennt sich individuelle Serien- oder Massenproduktion. Die Kunden können den Schaltschrank mit einem Klick bestellen – auch am Wochenende. Bei Fimab läuft dann automatisch ein Produktionsauftrag ein, der bearbeitet werden kann. „Wir sind dadurch sehr viel schneller geworden“, sagt Markus Fiedler. „Und es ist natürlich auch viel komfortabler für die Kunden.“ Er wusste genau, was seine Kunden aus der Elektrotechnik brauchen: Bevor er in das Unternehmen seiner Eltern eingestiegen ist, hat er eine Ausbildung zum Elektriker gemacht; Schaltschrankbau hat er zudem bei einem großen Maschinenbauer gelernt. Mit diesem Wissen und der Unterstützung der Dozenten entwickelte er den Konfigurator und somit ein neues Geschäftsmodell. Mit Veränderungen umgehen Doch nicht alle in der Firma freuten sich über die Veränderungen: Einige Mitarbeiter wollten den neuen Weg nur ungern mitgehen – andere kündigten deswegen. „Es ist alles straffer geworden: kurze Wege, bessere Qualität“, sagt Birgit Fiedler. „Es herrschte ein gewisser Druck, den haben nicht alle ausgehalten.“ Die Fiedlers gingen diesen Weg dennoch weiter. 2018 begann Birgit Fiedler ein Masterstudium in Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für angewandtes Management in München. Und auch Markus Fiedler machte noch einen Master, um seinen Konfigurator und den digitalen Geschäftsbereich des Unternehmens weiter auszubauen. Für den Master hat er etwa 12 000 Euro ausgegeben. Die Kosten hat Fimab übernommen. Deshalb waren sie als Betriebsausgabe steuerlich abzugsfähig. So ging’s weiter Beide Fiedlers haben zusätzlich zum Studium noch eine Ausbildung zum Businesscoach absolviert. Sie wollten sich nicht nur technisch, sondern auch in sozialen Kompetenzen wie Kommunikation weiterbilden. Sie ist zudem ausgebildete Mental-Trainerin; er machte noch ein Rhetoriktraining. Aus dem Tagesgeschäft hat sich das Unternehmerpaar weitestgehend rausgezogen. Geschafft haben sie das, indem sie dafür gesorgt haben, dass sich auch die Mitarbeiter weiterbilden und so immer mehr Verantwortung übernehmen konnten. Wer macht was? Birgit Fiedler kümmert sich jetzt vor allem um das Thema Führung. Im Masterstudium hat sie ein Führungskräftetraining entwickelt, das sie nun auch für ein ganz anderes Projekt abseits von Fimab einsetzt: Sie hat die Krise genutzt, um sich als Mental-Coach selbstständig zu machen und einen Videokurs zum Thema Führung zu konzipieren. Die Videos hat sie einmalig aufgenommen, sodass sie sie unbegrenzt und ohne mehr Arbeit zu haben verkaufen kann. Markus Fiedler konzentriert sich derweil auf die strategische Ausrichtung der Firma und die Weiterentwicklung des Konfigurators. Der ist inzwischen patentiert. Sein Wert, sagen die Fiedlers, liegt bei 200.000 Euro. Hinzu kommen die Umsätze, die sie damit zusätzlich zum traditionellen Geschäft generieren. „Die leicht austauschbare Dienstleistung der Blechbearbeitung, die wir seit über 30 Jahren machen, nimmt einen immer kleineren Stellenwert ein und wird immer mehr durch die Produktion durch den Konfigurator erweitert“, sagte Markus Fiedler im ersten Gespräch mit impulse im Januar. „Und es wird weitergehen: Meine Vision ist, den Konfigurator zu einer Plattform für kundenspezifische Produkte zu entwickeln.“ Fimab und Corona Corona hat die Digitalisierung beschleunigt und Markus Fiedlers Vermutung von damals bestätigt: Die Umsätze aus dem digitalen Geschäftsbereich sind in der Krise gestiegen, während die Nachfrage im konventionellen Geschäftsbereich gesunken ist. Den Fiedlers zeigt das, wie richtig ihre Entscheidung zu studieren war.

Weiterbildung für Unternehmer: Chef – und Student? So kann eine Weiterbildung die Firma retten