Statt nur fürs Alter zu sparen, sollten wir auch in Erinnerungen und Lebensqualität investieren. Das ist die Kernthese von Nikolaus Braun in seinem Buch „Geld oder Leben“. Genau diesen Blick auf Geld vermittelt der unabhängige Vermögensberater seinen Mandantinnen und Mandaten, meist Menschen mit mittlerem Millionenvermögen, viele davon Unternehmerinnen und Unternehmer.
impulse: Herr Braun, muss man sich bei der Finanzanlage zwischen Geld und Leben entscheiden?
Nikolaus Braun: Nein, aber man sollte sich überlegen, was das Leitmotiv ist und was nur dazu beiträgt, dass das andere gelingt. Ich sage: Ein Euro, den ich am Ende meines Lebens nicht ausgegeben habe, ist eigentlich ein Euro, den ich nie hatte.
Daher ermutige ich Kunden, Geld auch für irrationale Dinge auszugeben. Es in Erinnerungen und Emotionen zu investieren. Also frage ich erst: Was will ich im Leben? Und dann: Wie finanziere ich das? Ich finde, das Ziel ist ein gelungenes Leben und dafür ist ein kluger Umgang mit Geld nötig.
Was ist für Sie ein kluger Umgang mit Geld?
Man muss die harten Fakten klären: Kann ich mir das leisten? Das heißt, zu schauen, wie viel Geld man für seinen Lebensstandard braucht und was in die Erfüllung der eigenen Wünsche gesteckt werden kann. Da habe ich das Beispiel eines sehr jungen Mandanten, der mit einem Start-up ein substanzielles Vermögen gemacht hat. Als die Briefe der Privatbanken kamen, ging er auf Shoppingtour, eine Investmentidee hier, eine Investmentidee da. Und auf einmal war er als Investor wahnsinnig gestresst.
Um das zu reparieren war für ihn der Prozess wichtig: Was willst du mit deinem Leben machen? Und: Lass uns doch erst mal sehen, wie viel Geld du für den Lebensstandard brauchst, den du dir vorstellst und das hinter eine Brandmauer schieben. Dann weißt du, wie viel Budget du übrig hast für andere Projekte.
Das klingt nach Luxus.
Sie können sich solche Fragen auch mit kleinem Budget stellen. Zum Beispiel bin ich einmal mit meinem Sohn für ein Fußballspiel nach Madrid gefahren, weil ich eine Wette gegen ihn verloren hatte. Das war eine finanziell irrwitzige Entscheidung – aber es vergeht kein Jahr, in dem wir uns nicht daran erinnern.
Ändert dieser Ansatz die Vermögensplanung?
Ursprünglich habe ich in einer Bank gearbeitet und traf dort auf viel Druck, Produkte zu verkaufen, die der Kunde gar nicht braucht. Als ich zu einer Bank mit Honorarberatung wechseln konnte, war es für mich eine Befreiung, ohne Provisionsvertrieb zu arbeiten.
Wenn man bei der Geldanlage nach den Werten fragt, ergeben sich daraus ganz andere Ziele. Dann tritt zum Beispiel das Thema Gewinnmaximierung um jeden Preis in den Hintergrund. Im klassischen Ansatz der Vermögensoptimierung sagt man: Hier ist mein Geld, investiere es und mache mehr daraus! Ohne den Kontext eines Lebensentwurfes finde ich das weitgehend sinnbefreit.
Nikolaus Braun ist Gründer der Neunundvierzig Honorarberatung, Vermögensverwalter und unabhängiger Honorarberaterberater. Er ist Autor der Bücher „Geld oder Leben“, “Über Geld nachdenken“ und eines Blogs.
Welche Fehleinschätzungen begegnen Ihnen immer wieder im Gespräch mit Mandanten?
Vermögende Kunden haben trotzdem Angst, dass das Geld nicht für die Altersvorsorge reicht. Auch weil sie es wieder verlieren könnten. Da ist wichtig herauszufinden, woher diese Sorge kommt. Oft sind es Ängste der Eltern, die an die Kinder weitergegeben wurden.
Welche Fehlannahmen über Vermögensaufbau gibt es noch?
Gerade bei Unternehmern gibt es die Vorstellung, die Börse vorhersehen und kontrollieren zu können. Unternehmerinnen und Unternehmer gehen in ihrem Berufsalltag meist hohe Risiken ein. Sie haben das Steuer in der Hand, kontrollieren alles oder haben zumindest eine Kontrollillusion. In der Welt der Kapitalanlagen müssen sich diese Unternehmer erst einmal an den Kontrollverlust gewöhnen.
Wie gelingt Unternehmern denn ein entspannter Umgang mit Geld?
Es heißt, zu entschleunigen und sich mit deutlich niedrigeren Renditen als im eigenen Unternehmen zu begnügen – und dafür größere Sicherheiten erhalten. Eine Finanzplanung hilft, bei Marktschwankungen nicht die Nerven zu verlieren und den Blick stattdessen auf eine lange Perspektive zu richten.
Letztlich geht es ja um Sachwertanlagen, die unter einem Zeithorizont von zehn Jahren überhaupt gar keinen Sinn ergeben: Ob das Immobilien sind oder Unternehmen, in Form von Aktien.
Worauf liegt der Fokus Ihrer Beratung?
Die Kernfrage, die ich im ersten Gespräch immer stelle, ist: Warum ist Geld wichtig für Sie? Ich liebe diese Frage, weil einen die meisten Leute erst einmal völlig verwirrt anschauen. Und dann wird man meistens mit einem einzigen Wort abgespeist – wie zum Beispiel „Freiheit“ oder „Unabhängigkeit“.
Und dann?
Dann wird es eben spannend, wenn man fragt: Was bedeutet das für dich? Freiheit bedeutet für verschiedene Menschen sehr, sehr Unterschiedliches. Und da kommen dann so Sachen wie: Ich will, dass arbeiten optional ist – das heißt ich will, aber ich muss nicht.
Wie gelingt dann der Schritt zur Vermögensplanung?
Aus den Wüschen ergeben sich wichtige Fragen für einen Finanzplan: Was passiert, wenn ich vier Jahre früher aufhöre zu arbeiten? Was passiert, wenn ich mir ein Ferienhaus kaufe? Was passiert, wenn ich mein Unternehmen verkaufe? Mit den Vermögensdaten können verschiedene Annahmen über die Zeit modelliert werden.
Und diese Szenarien enthalten die Wünsche?
Genau! Wie ist die Situation mit Ferienhäuschen, wie ist sie ohne. Was passiert, wenn ich drei Jahre früher in Rente gehe, was, wenn nicht. Was ist, wenn ich die selbstgenutzte Immobilie mit 82 verkaufe oder was muss ich tun, damit ich auch mit 95 noch dort wohnen kann.
Dafür muss man natürlich sehr viele Annahmen über einen langen Zeitraum treffen. Doch selbst, wenn nicht alle Annahmen eintreffen, bekommt man ein Gefühl dafür, wie robust die Planung ist. Und man sieht sofort, dass ein Plan mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgeht und ein anderer vermutlich nicht.
Und dann muss man den Plan nur noch umsetzen?
In seltenen Fällen führt ein Plan dazu, dass Menschen sich bremsen und weniger Geld ausgeben. Aber in vielen Fällen ermutigt es sie, ihr finanzielles Potenzial auszuschöpfen. Ich kann mich gut an einen Mandanten erinnern, dem ich gezeigt habe, wie seine Finanzplanung aussieht, wenn er jetzt oder in fünf Jahren aufhört zu arbeiten.
Er war glücklich zu sehen, dass er sofort aufhören konnte. Aber auch ein bisschen traurig, als er sah, auf wie viel Geld er dafür verzichten muss. Am Ende hat er sich entschieden: Er hat aufgehört zu arbeiten. Priorität hatte für ihn nicht sein Geld, sondern sein Leben.
