Kommunikation zum Ukraine-Krieg
Wann Sie den Ukraine-Krieg im Team ansprechen sollten – und wann nicht

Viele Chefs und Chefinnen fragen sich gerade, ob sie den Ukraine-Konflikt thematisieren sollten – und wenn ja, wie. Ein Psychologe erklärt, wann Gespräche helfen und wie Sie sie am besten führen.

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Kommunikation zum Ukraine-Krieg
© Eliza / photocase.de

impulse: Herr Becker, der Ukraine-Krieg beschäftigt gerade viele Führungskräfte. Ist es eine gute Idee, das Thema als Chef oder Chefin auch mit dem Team zu besprechen?
Florian Becker: In den meisten Fällen würde ich davon abraten.

Warum?
Weil es nur in Ausnahmefällen sinnvoll ist. Etwa dann, wenn der Krieg ganz konkret das operative Geschäft eines Unternehmens beeinflusst. Oder es Partnerunternehmen oder Großkunden in der Ukraine gibt, mit deren Mitarbeitern viele im Team zu tun haben. Oder wenn Konflikte in der Belegschaft daraus entstehen. Dann sollten Chefs das Thema ansprechen. Unter normalen Umständen haben Sie als Chef keinen Vorteil davon, den Krieg zu thematisieren. Es kann sogar nachteilig sein.

Wieso nachteilig?
Die psychologische Forschung weiß: Bestimmte Gedanken geben einem Kraft und Energie – andere machen einen schwach. Beispielsweise im Leistungssport setzt man so eine Mentalhygiene ein. Zu den schwächenden Gedanken gehören Vorstellungen von Krieg mit Tod, Vertreibung, Vernichtung und Gefahr. Genau diese Gedächtnisinhalte aber aktivieren Sie, wenn Sie den Ukraine-Krieg in den Vordergrund rücken. Das drückt die Stimmung im Team, raubt Kreativität und Motivation. Als Chef oder Chefin müssen Sie sich klarmachen: Was immer Sie thematisieren, hat Auswirkungen auf Ihre Mitarbeiter. Dieser Effekt heißt „Priming“.

Was bedeutet „Priming“?
Ein banales Beispiel: Läuft im Supermarkt klassische Musik, greifen Kunden Studien zufolge zu deutlich teurerem Wein. Einfach, weil diese Musik Gedanken an einen elitären, exklusiven Lebensstil wachruft. Priming-Effekte gehen aber auch tiefer, eben zum Beispiel dann, wenn Sie den Ukraine-Krieg ansprechen. Deshalb bin ich kein Fan davon, solche arbeitsfremden Geschehnisse zu thematisieren, ohne dass es unbedingt notwendig wäre. Das entzieht Mitarbeitern nur Energie und lenkt von den Aufgaben ab.

Wenn ich aber zum Beispiel Mitarbeiter mit Angehörigen oder Freunden in der Ukraine habe, sollte ich mit dem Team reden, richtig?
Nein. Denn auch in dem Fall geraten nicht weite Kreise der Belegschaft aus dem Gleichgewicht, es ist nur eine Einzelperson. Deshalb wäre in solch einer Situation zunächst ein Vier-Augen-Gespräch die Lösung. Vielleicht möchte die Person ja gar nicht zum Thema für das ganze Team werden.

Wie sollte ich so ein Gespräch beginnen?
Ein simples „Wie geht’s?“ sollten Sie vermeiden, das ist kein guter Türöffner. Denn wir sind gewohnt, solche Fragen mit einem Allgemeinplatz zu beantworten wie „Alles gut, danke!“ Besser: Schildern Sie, was Sie beobachtet haben. Wenn ein Mitarbeiter mit ukrainischen Wurzeln zum Beispiel mitgenommen aussieht, sprechen Sie das an. Etwa so: „Verstehen Sie es bitte nicht falsch, aber Sie sehen etwas mitgenommen aus.“ Oder fragen Sie etwas wie: „Wie fühlen Sie sich gerade? Mit Ihren Verwandten in der Ukraine?“ Oft reicht das schon, dass ein Mitarbeiter sich öffnet.

Und wie dann weiter?
Es ist immer wichtig, als Chef oder Chefin nicht zu viel zu sagen, sondern gut zuzuhören. Diese Regel gilt besonders bei bedrückenden, politisch schwierigen Themen wie dem Ukraine-Krieg.

Zur Person
Florian Becker Wirtschaftspsychologe © Jörg Eberl   Florian Becker hat Psychologie, BWL sowie Kommunikations- wissenschaften studiert und lehrt als Professor an der Technischen Hochschule Rosenheim. Als Vorstand der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft erarbeitet er mit Kollegen aus der Wissenschaft Lösungen für die Praxis – und berät seit mehr als 15 Jahren Unternehmen verschiedener Größen.

Was macht gute Zuhörer aus?
Sie bekräftigen, was der andere sagt, und vermitteln ihrem Gegenüber damit: „Es ist gut, dass du dich öffnest.“ Das kann etwa durch Nicken geschehen oder indem man etwas sagt wie: „Aha“ oder „Ich kann gut verstehen, was du sagst.“ Außerdem achten gute Zuhörer auf eine offene Körpersprache. Die ist Studien zufolge oft wichtiger als das, was jemand sagt.

Was kennzeichnet eine offene Körpersprache?
Nicht die Arme verschränken, keine Barrieren aufbauen – sich also zum Beispiel nicht hinter dem Schreibtisch verstecken. Stattdessen: leicht vornübergebeugt dasitzen und Blickkontakt halten. Am allerwichtigsten ist aber noch etwas Anderes.

Was denn?
Unterbrechen Sie Ihr Gegenüber nicht. Chefs und Chefinnen können ja meist gut reden, sich gut verkaufen. Häufig bewerten sie in Gesprächen schnell, haben rasch eine vermeintliche Lösung parat – oder berichten von eigenen Erfahrungen. Wenn Sie jetzt etwas sagen wie: „Ach übrigens, der Kollege XY, der hat Verwandte in Syrien, die dort vom Krieg betroffen sind. Der hat das nach kurzer Zeit easy weggesteckt, reden Sie doch mal mit dem“, wäre das der Worst Case.

Warum genau?
Weil Sie Ihrem Mitarbeiter damit vermitteln: „Mein Chef ist gar nicht wirklich an mir und meinen Verwandten interessiert, der will mich nur auf Spur bringen.“ Deshalb ist es so wichtig, mit ernsthaftem Interesse zuzuhören.

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Und wie sollte ich reagieren, wenn ich im Gespräch merke: Dieser Mensch kann heute nicht arbeiten?
Natürlich können Sie dem Teammitglied dann anbieten, einfach mal einen Tag freizumachen oder sich eine längere Auszeit zu nehmen. Sie sollten aber auch hier immer gut beobachten, welchen Eindruck Ihr Mitarbeiter macht. Denn vielen Menschen gibt die Arbeit auch Kraft. Sie sind in Krisen dann froh, eine Struktur zu haben – und nicht daheim vor sich hinbrüten zu müssen. So etwas sollten Sie respektieren. Wie auch, wenn Sie merken, dass ein Mitarbeiter nicht wirklich über seine aktuelle Situation sprechen möchte.

Ist Reden nicht immer gut?
Natürlich nicht! Es ist als Führungskraft nicht Ihr Job, Mitarbeiter zu therapieren und in ihren Gefühlen rumzuwühlen. Das kann eine Grenzverletzung sein. Sie können allerdings vermitteln: „Wenn es dir nicht gutgeht, kannst du immer zu mir kommen.“

Angenommen, ich habe tatsächlich ein Werk oder einen Großkunden in der Ukraine und mein gesamtes Team scheint nicht bei der Sache. Was mache ich dann?
In so einem Fall steht der Ukraine-Krieg natürlich wie der berühmte rosa Elefant im Raum und berührt direkt das Geschäft. Dann sollten Sie als Chef oder Chefin unbedingt den Austausch mit allen suchen.

Wie mache ich das?
Ganz ähnlich wie beim Einzelgespräch: Sagen Sie, was Sie beobachtet haben. Etwa: „Ich merke, dass wir heute alle mit den Gedanken in der Ukraine sind und nicht so richtig bei der Arbeit. Das ist kein Vorwurf, ich kann das gut nachvollziehen, mir geht es ja auch so. Wie ist eure Wahrnehmung dazu?“ Aller Erfahrung nach entsteht dann eine gute Gesprächsdynamik.

Wie sieht diese Dynamik aus?
Meist sprechen nur ein paar, andere bleiben still. Das heißt nicht, dass die Stillen nicht betroffen sind. Aber vielleicht sind es diejenigen, die sich noch nicht öffnen wollen. Hier gilt es wieder, diese Grenzen zu respektieren.

Was aber, wenn ich den Eindruck habe, so ein stiller Mitarbeiter leidet enorm, sagt es aber nicht?
Dann kann es sein, dass er sich einfach nicht traut, vor allen zu sprechen. Oder sich unwohl fühlt damit. Dann können Sie im Nachgang an die Besprechung ein Vier-Augen-Gespräch suchen. Aber noch einmal: Sie sollten sich als Chef oder Chefin genau überlegen, ob Sie das Thema wirklich im Team hochholen wollen.

Warum sehen Sie das Reden über den Ukraine-Krieg so kritisch?
Weil es immer wieder Katastrophen und Krisen gibt, die zwar viele Menschen berühren, aber keinen direkten Bezug zu ihrer Arbeit haben – nehmen Sie etwa die Flut aus dem vergangenen Sommer. Der Ukraine-Krieg beherrscht gerade den politischen Alltag und die Medien, klar. Es ist aber einfach nicht zweckmäßig, dass er ganze Teams von der Arbeit abhält und beschäftigen sollte. Es gibt also schlicht keinen Grund, im Büro oder der Produktionshalle darüber zu sprechen.

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Auch nicht, wenn ich im Team russische und ukrainische Mitarbeiter habe und es zu Konflikten kommt?
Bei solchen Konflikten sollten Sie natürlich das Gespräch suchen – je früher, desto besser. Wegzuschauen nach dem Motto: „Klärt das unter euch“ ist hier keine Option.

Warum nicht?
Wenn Sie den Konflikt laufen lassen, kommt es sehr wahrscheinlich zu Mobbing und anderen unschönen Auswirkungen. Irgendwann setzt sich die stärkere Seite durch – und die andere kündigt im Extremfall.

Wie spreche ich so einen Konflikt am besten an?
Begründen Sie, warum Sie das Gespräch gesucht haben. Sagen Sie etwas wie: „Ich bin als Führungskraft dafür verantwortlich, dass sich jeder hier gut fühlt und die Prozesse laufen.“ Das werden die Mitarbeiter verstehen. Dann bietet es sich an, zu fragen: „Wie können wir sicherstellen, dass die Arbeit erledigt wird und die Konflikte uns nicht blockieren? Macht mir einen Vorschlag: Wie kriegen wir das hin?“

Und das hilft?
Tatsächlich kommen streitende Mitarbeiter im Gespräch oft selbst auf eine Lösung. Etwa die, zukünftig in verschiedenen Teams zu arbeiten. Nicht selten geschieht auch etwas Symbolisches, etwa, dass sich die Mitarbeiter die Hand geben und versichern, die politischen Konflikte aus ihrer Heimat nicht an den Arbeitsplatz zu tragen. Das klingt trivial, bringt aber häufig viel.

Wie kann ich als Chef oder Chefin solchen Konflikten vorbeugen?
Vermitteln Sie in aller Deutlichkeit: „Egal, wo du herkommst, egal, welche Werte du hast – bei uns gibt es die und die Regeln für den Umgang.“ Idealerweise entwickeln Sie dafür Richtlinien. Dieses Thema wird mit zunehmender Diversität in den Unternehmen immer wichtiger. Denn wir in Europa pflegen zwar meist den Konsens, dass etwa Rassismus, Sexismus und undemokratische Ansichten keinen Platz haben, also auch nicht am Arbeitsplatz. Es gibt aber Länder, in denen das nicht so ist. Nationalität ist die Oberfläche und innendrin sind die Werte und Denkrichtungen. Richtlinien geben dann einen Rahmen vor, an den sich jeder zu halten hat.

Welchen Fehler sollte man jetzt in der aktuellen Situation als Chef oder Chefin vermeiden?
Allzu stark eine eigene politische Haltung und Meinung zu äußern. Ihre Aufgabe ist es nicht, politisch zu indoktrinieren, Ihren Teammitgliedern Ihre persönliche Meinung ins Gehirn zu brennen und sie ideologisch zu prägen. Als Führungskraft sollten Sie aber eine klare Kante zeigen, wenn es darum geht, welche Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erwünscht sind und welche nicht. Dazu gehört etwa auch, dass ein Mitarbeiter nicht versucht, den anderen von seiner politischen Ansicht zu überzeugen – also etwa davon, dass ein Krieg berechtigt wäre oder unberechtigt. Das hat am Arbeitsplatz nichts verloren, ist eine Grenzüberschreitung.

 

Sie haben in Ihrem Unternehmen noch keine Richtlinien zum Umgang miteinander? Mit dieser Vorlage  zum Download – exklusiv für impulse-Mitglieder – erstellen Sie ihn leicht: Code of Conduct: So regeln Sie das Miteinander am Arbeitsplatz

impulse: Herr Becker, der Ukraine-Krieg beschäftigt gerade viele Führungskräfte. Ist es eine gute Idee, das Thema als Chef oder Chefin auch mit dem Team zu besprechen? Florian Becker: In den meisten Fällen würde ich davon abraten. Warum? Weil es nur in Ausnahmefällen sinnvoll ist. Etwa dann, wenn der Krieg ganz konkret das operative Geschäft eines Unternehmens beeinflusst. Oder es Partnerunternehmen oder Großkunden in der Ukraine gibt, mit deren Mitarbeitern viele im Team zu tun haben. Oder wenn Konflikte in der Belegschaft daraus entstehen. Dann sollten Chefs das Thema ansprechen. Unter normalen Umständen haben Sie als Chef keinen Vorteil davon, den Krieg zu thematisieren. Es kann sogar nachteilig sein. Wieso nachteilig? Die psychologische Forschung weiß: Bestimmte Gedanken geben einem Kraft und Energie – andere machen einen schwach. Beispielsweise im Leistungssport setzt man so eine Mentalhygiene ein. Zu den schwächenden Gedanken gehören Vorstellungen von Krieg mit Tod, Vertreibung, Vernichtung und Gefahr. Genau diese Gedächtnisinhalte aber aktivieren Sie, wenn Sie den Ukraine-Krieg in den Vordergrund rücken. Das drückt die Stimmung im Team, raubt Kreativität und Motivation. Als Chef oder Chefin müssen Sie sich klarmachen: Was immer Sie thematisieren, hat Auswirkungen auf Ihre Mitarbeiter. Dieser Effekt heißt „Priming“. Was bedeutet „Priming“? Ein banales Beispiel: Läuft im Supermarkt klassische Musik, greifen Kunden Studien zufolge zu deutlich teurerem Wein. Einfach, weil diese Musik Gedanken an einen elitären, exklusiven Lebensstil wachruft. Priming-Effekte gehen aber auch tiefer, eben zum Beispiel dann, wenn Sie den Ukraine-Krieg ansprechen. Deshalb bin ich kein Fan davon, solche arbeitsfremden Geschehnisse zu thematisieren, ohne dass es unbedingt notwendig wäre. Das entzieht Mitarbeitern nur Energie und lenkt von den Aufgaben ab. Wenn ich aber zum Beispiel Mitarbeiter mit Angehörigen oder Freunden in der Ukraine habe, sollte ich mit dem Team reden, richtig? Nein. Denn auch in dem Fall geraten nicht weite Kreise der Belegschaft aus dem Gleichgewicht, es ist nur eine Einzelperson. Deshalb wäre in solch einer Situation zunächst ein Vier-Augen-Gespräch die Lösung. Vielleicht möchte die Person ja gar nicht zum Thema für das ganze Team werden. Wie sollte ich so ein Gespräch beginnen? Ein simples „Wie geht’s?“ sollten Sie vermeiden, das ist kein guter Türöffner. Denn wir sind gewohnt, solche Fragen mit einem Allgemeinplatz zu beantworten wie „Alles gut, danke!“ Besser: Schildern Sie, was Sie beobachtet haben. Wenn ein Mitarbeiter mit ukrainischen Wurzeln zum Beispiel mitgenommen aussieht, sprechen Sie das an. Etwa so: „Verstehen Sie es bitte nicht falsch, aber Sie sehen etwas mitgenommen aus.“ Oder fragen Sie etwas wie: „Wie fühlen Sie sich gerade? Mit Ihren Verwandten in der Ukraine?“ Oft reicht das schon, dass ein Mitarbeiter sich öffnet. Und wie dann weiter? Es ist immer wichtig, als Chef oder Chefin nicht zu viel zu sagen, sondern gut zuzuhören. Diese Regel gilt besonders bei bedrückenden, politisch schwierigen Themen wie dem Ukraine-Krieg. Was macht gute Zuhörer aus? Sie bekräftigen, was der andere sagt, und vermitteln ihrem Gegenüber damit: „Es ist gut, dass du dich öffnest.“ Das kann etwa durch Nicken geschehen oder indem man etwas sagt wie: „Aha“ oder „Ich kann gut verstehen, was du sagst.“ Außerdem achten gute Zuhörer auf eine offene Körpersprache. Die ist Studien zufolge oft wichtiger als das, was jemand sagt. Was kennzeichnet eine offene Körpersprache? Nicht die Arme verschränken, keine Barrieren aufbauen – sich also zum Beispiel nicht hinter dem Schreibtisch verstecken. Stattdessen: leicht vornübergebeugt dasitzen und Blickkontakt halten. Am allerwichtigsten ist aber noch etwas Anderes. Was denn? Unterbrechen Sie Ihr Gegenüber nicht. Chefs und Chefinnen können ja meist gut reden, sich gut verkaufen. Häufig bewerten sie in Gesprächen schnell, haben rasch eine vermeintliche Lösung parat – oder berichten von eigenen Erfahrungen. Wenn Sie jetzt etwas sagen wie: „Ach übrigens, der Kollege XY, der hat Verwandte in Syrien, die dort vom Krieg betroffen sind. Der hat das nach kurzer Zeit easy weggesteckt, reden Sie doch mal mit dem“, wäre das der Worst Case. Warum genau? Weil Sie Ihrem Mitarbeiter damit vermitteln: „Mein Chef ist gar nicht wirklich an mir und meinen Verwandten interessiert, der will mich nur auf Spur bringen.“ Deshalb ist es so wichtig, mit ernsthaftem Interesse zuzuhören. Und wie sollte ich reagieren, wenn ich im Gespräch merke: Dieser Mensch kann heute nicht arbeiten? Natürlich können Sie dem Teammitglied dann anbieten, einfach mal einen Tag freizumachen oder sich eine längere Auszeit zu nehmen. Sie sollten aber auch hier immer gut beobachten, welchen Eindruck Ihr Mitarbeiter macht. Denn vielen Menschen gibt die Arbeit auch Kraft. Sie sind in Krisen dann froh, eine Struktur zu haben – und nicht daheim vor sich hinbrüten zu müssen. So etwas sollten Sie respektieren. Wie auch, wenn Sie merken, dass ein Mitarbeiter nicht wirklich über seine aktuelle Situation sprechen möchte. Ist Reden nicht immer gut? Natürlich nicht! Es ist als Führungskraft nicht Ihr Job, Mitarbeiter zu therapieren und in ihren Gefühlen rumzuwühlen. Das kann eine Grenzverletzung sein. Sie können allerdings vermitteln: „Wenn es dir nicht gutgeht, kannst du immer zu mir kommen.“ Angenommen, ich habe tatsächlich ein Werk oder einen Großkunden in der Ukraine und mein gesamtes Team scheint nicht bei der Sache. Was mache ich dann? In so einem Fall steht der Ukraine-Krieg natürlich wie der berühmte rosa Elefant im Raum und berührt direkt das Geschäft. Dann sollten Sie als Chef oder Chefin unbedingt den Austausch mit allen suchen. Wie mache ich das? Ganz ähnlich wie beim Einzelgespräch: Sagen Sie, was Sie beobachtet haben. Etwa: „Ich merke, dass wir heute alle mit den Gedanken in der Ukraine sind und nicht so richtig bei der Arbeit. Das ist kein Vorwurf, ich kann das gut nachvollziehen, mir geht es ja auch so. Wie ist eure Wahrnehmung dazu?“ Aller Erfahrung nach entsteht dann eine gute Gesprächsdynamik. Wie sieht diese Dynamik aus? Meist sprechen nur ein paar, andere bleiben still. Das heißt nicht, dass die Stillen nicht betroffen sind. Aber vielleicht sind es diejenigen, die sich noch nicht öffnen wollen. Hier gilt es wieder, diese Grenzen zu respektieren. Was aber, wenn ich den Eindruck habe, so ein stiller Mitarbeiter leidet enorm, sagt es aber nicht? Dann kann es sein, dass er sich einfach nicht traut, vor allen zu sprechen. Oder sich unwohl fühlt damit. Dann können Sie im Nachgang an die Besprechung ein Vier-Augen-Gespräch suchen. Aber noch einmal: Sie sollten sich als Chef oder Chefin genau überlegen, ob Sie das Thema wirklich im Team hochholen wollen. Warum sehen Sie das Reden über den Ukraine-Krieg so kritisch? Weil es immer wieder Katastrophen und Krisen gibt, die zwar viele Menschen berühren, aber keinen direkten Bezug zu ihrer Arbeit haben – nehmen Sie etwa die Flut aus dem vergangenen Sommer. Der Ukraine-Krieg beherrscht gerade den politischen Alltag und die Medien, klar. Es ist aber einfach nicht zweckmäßig, dass er ganze Teams von der Arbeit abhält und beschäftigen sollte. Es gibt also schlicht keinen Grund, im Büro oder der Produktionshalle darüber zu sprechen. Auch nicht, wenn ich im Team russische und ukrainische Mitarbeiter habe und es zu Konflikten kommt? Bei solchen Konflikten sollten Sie natürlich das Gespräch suchen – je früher, desto besser. Wegzuschauen nach dem Motto: „Klärt das unter euch“ ist hier keine Option. Warum nicht? Wenn Sie den Konflikt laufen lassen, kommt es sehr wahrscheinlich zu Mobbing und anderen unschönen Auswirkungen. Irgendwann setzt sich die stärkere Seite durch – und die andere kündigt im Extremfall. Wie spreche ich so einen Konflikt am besten an? Begründen Sie, warum Sie das Gespräch gesucht haben. Sagen Sie etwas wie: „Ich bin als Führungskraft dafür verantwortlich, dass sich jeder hier gut fühlt und die Prozesse laufen.“ Das werden die Mitarbeiter verstehen. Dann bietet es sich an, zu fragen: „Wie können wir sicherstellen, dass die Arbeit erledigt wird und die Konflikte uns nicht blockieren? Macht mir einen Vorschlag: Wie kriegen wir das hin?“ Und das hilft? Tatsächlich kommen streitende Mitarbeiter im Gespräch oft selbst auf eine Lösung. Etwa die, zukünftig in verschiedenen Teams zu arbeiten. Nicht selten geschieht auch etwas Symbolisches, etwa, dass sich die Mitarbeiter die Hand geben und versichern, die politischen Konflikte aus ihrer Heimat nicht an den Arbeitsplatz zu tragen. Das klingt trivial, bringt aber häufig viel. Wie kann ich als Chef oder Chefin solchen Konflikten vorbeugen? Vermitteln Sie in aller Deutlichkeit: „Egal, wo du herkommst, egal, welche Werte du hast – bei uns gibt es die und die Regeln für den Umgang.“ Idealerweise entwickeln Sie dafür Richtlinien. Dieses Thema wird mit zunehmender Diversität in den Unternehmen immer wichtiger. Denn wir in Europa pflegen zwar meist den Konsens, dass etwa Rassismus, Sexismus und undemokratische Ansichten keinen Platz haben, also auch nicht am Arbeitsplatz. Es gibt aber Länder, in denen das nicht so ist. Nationalität ist die Oberfläche und innendrin sind die Werte und Denkrichtungen. Richtlinien geben dann einen Rahmen vor, an den sich jeder zu halten hat. Welchen Fehler sollte man jetzt in der aktuellen Situation als Chef oder Chefin vermeiden? Allzu stark eine eigene politische Haltung und Meinung zu äußern. Ihre Aufgabe ist es nicht, politisch zu indoktrinieren, Ihren Teammitgliedern Ihre persönliche Meinung ins Gehirn zu brennen und sie ideologisch zu prägen. Als Führungskraft sollten Sie aber eine klare Kante zeigen, wenn es darum geht, welche Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erwünscht sind und welche nicht. Dazu gehört etwa auch, dass ein Mitarbeiter nicht versucht, den anderen von seiner politischen Ansicht zu überzeugen – also etwa davon, dass ein Krieg berechtigt wäre oder unberechtigt. Das hat am Arbeitsplatz nichts verloren, ist eine Grenzüberschreitung.   Sie haben in Ihrem Unternehmen noch keine Richtlinien zum Umgang miteinander? Mit dieser Vorlage  zum Download - exklusiv für impulse-Mitglieder - erstellen Sie ihn leicht: Code of Conduct: So regeln Sie das Miteinander am Arbeitsplatz
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