CO2-Neutralität
So wird Ihr Unternehmen CO2-neutral – in 5 Schritten

CO2-Neutralität ist ein so komplexes Thema, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer sich scheuen, es anzugehen. Zwei Experten erklären, wie Sie klug loslegen – und das Team motivieren, mitzumachen.

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Co2-Neutralität
© Andriy Onufriyenko / Moment RF / Getty Images

Bis 2040 muss Deutschland laut Klimaschutzgesetz seine Treibhausgas-Emissionen um 88 Prozent reduzieren, bis 2045 treibhausgas-neutral werden. Knapp 90 Prozent der Treibhausgase entfallen auf Kohlendioxid (CO2). Deshalb ist CO2-Neutralität auch für Unternehmen eine der Hauptaufgaben der nächsten Jahre.

Doch viele Unternehmerinnen und Unternehmer fragen sich: Kann man den CO2-Ausstoß überhaupt auf null reduzieren? „Selbst in Betrieben, die ihre Prozesse nachhaltig gestalten und in klimafreundliche Technologien investieren, wird ein geringer Rest an unvermeidlichen Emissionen bleiben“, sagt Juliane Mundt, die als Beraterin Unternehmen hilft, eine Klimastrategie zu entwickeln. „Das Ziel CO2-Neutralität bedeutet daher: ernsthaft versuchen, CO2-Emissionen überall dort zu verringern oder ganz zu vermeiden, wo es geht. Und den unvermeidlichen Rest kompensieren, indem man Klimaschutz-Projekte finanziell unterstützt.“

Mit den folgenden Schritten kommen Sie dem Ziel CO2-Neutralität näher, ohne Greenwashing zu betreiben:

Schritt 1: Relevanz des Themas vermitteln und Verantwortlichkeiten klären

CO2-Neutralität ist eine komplexe Aufgabe, die alle Bereiche eines Unternehmens betrifft. Deshalb braucht es bei allen im Team ein Bewusstsein dafür, wie wichtig das Thema ist – und wer die Umsetzung der Maßnahmen verantwortet.

„Das muss nicht unbedingt der Chef oder die Chefin selbst sein“, erklärt Beraterin Mundt. „Aber als Führungskraft müssen sie klarmachen: Das Thema ist absolut zentral und wird von der Geschäftsführung getragen.“ Auch sollten Unternehmerinnen und Unternehmer vermitteln: „Uns ist bewusst, dass die Aufgabe, CO2-neutral zu werden, zusätzlichen Aufwand verursachen wird und wir Arbeitszeit dafür einplanen müssen.“

Dieses Signal mache allen klar: Die CO2-Neutralität stellt ein enorm wichtiges Ziel dar, das konsequent verfolgt wird und an dem alle mitarbeiten sollen. „Und das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass das Team es als gemeinsames Projekt sehen und umsetzen kann“, so Mundt weiter.

Schritt 2: Eine CO2-Bilanz erstellen

Sobald geklärt ist, wer die Umsetzung federführend übernimmt, gilt es zu ermitteln, wie viel CO2 das eigene Unternehmen verursacht. Dabei hilft eine Treibhausgas-Bilanz: Sie zeigt auf, bei welchen Prozessen im Unternehmen die meisten Emissionen anfallen. Und offenbart so die Stellschrauben, die den größten Einspareffekt versprechen.

„Um eine Treibhausgas-Bilanz zu erstellen, gibt es inzwischen gute standardisierte Vorlagen, an denen sich Unternehmerinnen und Unternehmer orientieren können“, so Mundt. Für umfassende Software-Angebote, wie etwa den CO2-Rechner des Umweltbundesamtes, fallen, je nach gebuchtem Umfang, unterschiedlich hohe Kosten an. Es gibt aber auch Gratis-Tools für eine grobe Schätzung, etwa den CO2-Rechner mit unterschiedlichem Detailgrad von My climate oder den 5-Minuten-Klimarechner für kleine Unternehmen von Planetly.

Generell unterscheidet man bei einer Treibhausgas-Bilanz zwei zentrale Bereiche: direkte und indirekte CO2-Emissionen.

Direkte Emissionen

„Direkte Emissionen sind solche, die das Unternehmen selbst verursacht – etwa durch Maschinen, Fahrzeuge oder die Heizung“, erklärt Tilmann Wiesel, Berater für Klimastrategieplanung. Bei einem Bäcker mit mehreren Filialen könnten direkte Emissionen etwa durch Fahrzeuge mit Verbrenner-Motoren entstehen, die die Brötchen aus der Produktion in die Verkaufsstätten bringen – oder aber durch die Erdgasheizung, die die Filialen warmhält.

Indirekte Emissionen

Indirekte Emissionen sind solche, die nicht im Unternehmen direkt auftreten, sondern insbesondere durch Energie und eingesetzte Rohstoffe entstehen, die das Unternehmen verbraucht. Im Bäcker-Beispiel wären das der Strom für den Ofen oder die Energie einer Fernwärme-Heizung.

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Was Unternehmerinnen und Unternehmer bei einer Treibhausgas-Bilanz generell beachten müssen: „Im Gegensatz zu Privatpersonen müssen sie sehr viele Bereiche mitdenken, wenn die Bilanz vollständig sein soll“, so Wiesel. Also neben den Prozessen im Unternehmen selbst beispielsweise auch die Emissionen, die auf dem Arbeitsweg der Angestellten anfallen – sowie jene, die in der Lieferkette entstehen, etwa bei der Produktion von Rohstoffen, Materialien und Zutaten. Im Bäcker-Beispiel etwa bei der Herstellung des Mehls.

Stellschrauben ablesen

Die Treibhausgas-Bilanz zeigt auf einen Blick die wesentlichen Quellen für CO2-Emissionen eines Unternehmens. Bei den meisten Firmen gehören dazu:

  • der Energieverbrauch von Maschinen und Anlagen
  • das Beheizen von Gebäuden
  • der Fuhrpark
  • Dienstreisen
  • der Arbeitsweg der Angestellten

Schritt 3: Realistische Ziele definieren

Sind die Bereiche mit den größten Einsparpotenzialen gesichtet, gilt es den Experten zufolge, ein zeitliches Ziel für die CO2-Neutralität zu definieren, das auch zu erreichen sei. „Wer zu ambitioniert ist, muss womöglich später zurückrudern und erklären, warum das Ziel verfehlt wurde.“, so Beraterin Mundt.

Hilfreich sei ein Stufenplan. „Der Bäcker könnte zum Beispiel sagen: ‚Bei den direkten und den meisten indirekten CO2-Emissionen möchte ich bis 2030 neutral sein‘“, sagt Mundt. „Bei den indirekten Emissionen der Lieferketten, also etwa beim Einkauf, möchte ich das bis 2040 erreicht haben.“

Denn gerade bei den Lieferketten sei die Datenlage aktuell oft noch spärlich. „Deshalb lassen sich die Emissionen hier nicht nur schwer bilanzieren, sondern auch kaum verringern“, so Mundt.

Beispiel Bäcker: Aktuell finden Unternehmen den Experten zufolge kaum (regionale) Mehlproduzenten, die CO2-neutral arbeiten. Das aber werde sich in den nächsten Jahren verbessern, da immer mehr Unternehmen Angaben zu ihrer Klimabilanz publik machten und immer mehr CO2-neutrale Produkte auf den Markt kämen.

Bei der Planung alle Bereiche betrachten

Wichtig, um realistische Ziele zu definieren: jeden einzelnen Punkt aus der Treibhausgas-Bilanz im Zusammenhang mit der individuellen Lage des Unternehmens analysieren. „Wenn ich mir zum Beispiel für meinen Bäckerei-Betrieb erst vor zwei Jahren eine erdgasbetriebene Heizung angeschafft habe, dann wird es sich nicht rechnen, diese im nächsten Jahr auszutauschen. Und dann wäre eine CO2-Neutralität für 2025 mutmaßlich zu ambitioniert – es sei denn, ich habe genügend Mittel, um die Emissionen zu kompensieren“, so Wiesel.

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Beraterin Mundt sieht kleinere Unternehmen in Sachen Planung im Vorteil. „Bei Ihnen sind konkrete Maßnahmen einfacher zu identifizieren und ein Klimaschutzplan kann relativ leicht aufgesetzt werden“, so Mundt. Chefs und Chefinnen kleinerer Unternehmen könnten so den Fokus auf die einzelnen Maßnahmen legen und darauf, diese Stück für Stück umzusetzen. Das sei dann auch eine gute Basis, um mit diesen Maßnahmen in die Öffentlichkeit zu gehen und etwa bei Kunden für sich zu werben.

Schritt 4: Den CO2-Verbrauch wirklich reduzieren

Nach der Planung geht es darum, die Vorhaben umzusetzen – also CO2-Emissionen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren.

Den Experten zufolge ist dies bei direkten Emissionen leichter als bei indirekten. „Denn direkte Emissionen entstehen ja vor Ort. Und ich kann zum Beispiel die Energieversorgung des Erdgas-Ofens durch einen anderen Energieträger ersetzen, etwa durch Fernwärme eines großen Energieversorgers, die idealerweise durch eine Großwärmepumpe erzeugt wird. Damit würde ich meine Emissionen erheblich reduzieren – vorausgesetzt, es macht wirtschaftlich Sinn und meine Liquidität ist groß genug“, so Wiesel.

Hier einige Ideen für konkrete Maßnahmen:

CO2-Emissionen vermeiden

  • Fahrzeuge auf solche mit Elektro-Antrieb umstellen
  • Mitarbeiter motivieren, mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu kommen. Arbeitgeber können das Engagement finanziell bezuschussen, etwa über ein Jobticket oder ein Dienstfahrrad.
  • Dienstreiserichtlinie erstellen, mit dem Ziel, Dienstreisen grundsätzlich auf das Unvermeidliche zu beschränken und dann auf Flüge möglichst zu verzichten
  • Wärmeversorgung auf CO2-freie Wärme umstellen, etwa durch die Umstellung auf eine mit Ökostrom betriebene Wärmepumpe

CO2-Emissionen reduzieren

  • Bei konventionellen Strom-Mix auf Öko-Strom wechseln
  • Beim Licht, wo immer möglich, nach LED-Lösungen suchen
  • Gibt es einen Außendienst: Fahrten mit einer Tourenplanungssoftware optimieren
  • Wenn möglich, Homeoffice anbieten: So lassen sich bei der Bürofläche, beim Strom und dem Arbeitsweg der Mitarbeiter Emissionen verringern
  • Nach Optionen der Automatisierung suchen, die den Energieverbrauch optimieren – und so beispielsweise dafür sorgen, dass Geräte zu einem bestimmten Zeitpunkt in Stand-by gehen
  • Auch die Kleinigkeiten angehen – wie etwa ein vermehrt digitales Dokumentenmanagement

Wichtig: Die Mitarbeiter einbinden

CO2-neutral werden, das klappt nur, wenn alle im Unternehmen mitziehen. Angestellte einbinden lohnt sich aber auch deshalb, weil sie häufig auf kreative Ideen kommen, die dem Chef oder der Chefin nicht einfallen. Deshalb sollten Unternehmerinnen und Unternehmer den Experten zufolge ihr Team regelmäßig dazu anregen, Ideen einzureichen. „Bei einem Kunden haben die Mitarbeitenden beispielsweise gefragt, ob der Arbeitgeber nicht eine Dusche installieren könnte – dann wäre es für sie leichter, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen“, sagt Beraterin Mundt.

Auch kleinere Ideen kämen oft aus der Belegschaft – wie etwa, Tupperdosen anzubieten, damit sich das Team sein Mittagsessen ohne Einwegverpackungen besorgen kann. Chefs und Chefinnen sollten – wenn vorhanden – insbesondere auch die Hausmeister in das Projekt CO2-Neutralität einbinden. Diese wüssten etwa häufig, wo viel Strom verbraucht oder eine andere Ressource unnötig verschwendet wird. Auch kämen sie auf kreative Gedanken, etwa, wo es sich lohnen könnte, den Betonboden aufzubrechen, um eine Wiese zu pflanzen.

„All das sind dann vielleicht nicht die größten Hebel, um den CO2-Verbrauch zu senken – aber sie stärken das Bewusstsein für das Thema in der Belegschaft. Und das wiederum führt bei vielen dazu, mitzuziehen und Gewohnheiten zu ändern, übrigens auch im Privaten“, so Mundt weiter.

Schritt 5: Den CO2-Rest klug kompensieren

Allen Bemühungen zum Trotz wird bei den allermeisten Unternehmen eine gewisse Menge an unvermeidlichen Treibhausgasen bestehen bleiben. Um dennoch CO2-neutral zu werden, sollten sie diesen Rest finanziell ausgleichen. Also für die unvermeidlichen Treibhausemissionen einen Betrag an ein Projekt zahlen, das beispielsweise Bäume pflanzt oder in Solarkraftanlagen investiert – und so den Klimaschutz fördert. „Suchen Sie sich dafür ein Projekt, das nach dem sogenannten Goldstandard zertifiziert ist. Sie können dann sehr sicher sein, ein vertrauenswürdiges Vorhaben zu unterstützen, das ökologisch und sozial ist“, sagt Beraterin Mundt.

Details zum Goldstandard und weiteren Siegeln für Klimaschutz-Projekte hat Umweltbundesamt in einem Ratgeber zur freiwilligen CO2-Kompensation zusammengetragen. Laut Stiftung Warentest besonders vertrauenswürdig: die Anbieter Atmosfair, Klima-Kollekte und Primaklima.

Experte Wiesel zufolge sollten Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Auswahl eines Klimaschutz-Projektes darauf achten, folgende Fragen mit ja beantworten zu können:

  • Ist der Projektaufbau transparent dargestellt?
  • Ist das Projekt konkret beschrieben?
  • Habe ich einen ideellen Bezug zum Projekt?
  • Wird klargemacht, inwieweit das Projekt auf die sogenannten „Sustainable development goals“ der UN einzahlt? (Wenn für einen Staudamm in China drei Dörfer umgesiedelt werden, ist das nicht nachhaltig).

Beiden Fachleuten zufolge wichtig: Die Kompensation sollte wirklich nur der letzte Schritt sein, wenn keine Einsparmöglichkeit mehr besteht. „Ansonsten wäre die vermeintliche CO2-Neutralität nichts als Greenwashing. Denn es geht ja darum, den CO2-Ausstoß tatsächlich zu verringern und damit Klimaschäden zu verhindern. Und nicht darum, in vollem Bewusstsein weiterhin Schäden anzurichten und sich dann über die Kompensation freizukaufen.“

Extra-Tipp: Auf Kooperationen setzen

CO2-Neutralität ist für die meisten Unternehmen ein herausforderndes Thema, das mit einer gewissen Schwere daherkommt. Kooperation könnten hier für mehr Leichtigkeit und sogar Freude sorgen, so Beraterin Mundt.

Beispiel Lieferkette: CO2-Einsparungen gehen für kleinere Unternehmen häufig nur über Lieferantenwechsel. Denn während etwa große Automobilkonzerne bei Zulieferern Druck aufbauen könnten, CO2-sparender zu produzieren, haben kleinere Unternehmen der Expertin zufolge diese Macht nicht.

Dafür aber seien kleinere Unternehmen in der Regel lokal gut vernetzt – was Kooperationen erleichtere. „Wenn eine Bäckerei etwa von einer Mühle vor Ort das Mehl bezieht, die noch sehr CO2-intensiv produziert, das Unternehmen aber gern weiterhin mit ihr zusammenarbeiten will, könnten beide beispielsweise gemeinsam auf Ökostrom wechseln – und das auch gemeinsam kommunizieren. Oder aber zusammen eine kleine Solaranlage aufbauen“, so Mundt.

Auch Kommunen seien oft gute Ansprechpartner für Kooperationen. Viele Städte und Gemeinden wollen bis 2040 klimaneutral sein, einige sogar bis 2030 – darunter auch Großstädte wie München, Frankfurt am Main, Dortmund und Leipzig. „Deshalb haben viele Kommunen inzwischen Klimaaktionspläne aufgesetzt, in die Förderprogramme integriert sind“, so Mundt. Diese Förderungen gingen in zahlreiche Richtungen, von Energieberatung bis zu Investitionszulagen für mehr Energieeffizienz.

CO2-Neutralitäts-Siegel anfordern – ja oder nein?

Begriffe wie „CO2-neutral“ oder „klimaneutral“ sind nicht geschützt. Das heißt: Es gibt keine einheitlichen Anforderungen für entsprechende Siegel – und damit auch keine Möglichkeit, die Vergabe der Siegel durch Dritte überprüfen zu lassen. „Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich deshalb die Frage stellen, ob sie wirklich Geld für ein Label ausgeben wollen, nur, weil es so schön plakativ ist“, sagt Mundt.

Wer eine Treibhausbilanz erstelle, Einsparmaßnahmen identifiziere und begonnen habe, diese auch umzusetzen, sei vorbildlich unterwegs. „Wer darüber dann spricht, also erklärt, was genau das Unternehmen konkret unternimmt, um Treibhausgase zu reduzieren, arbeitet viel transparenter als es aktuell jedes Siegel könnte“, so das Fazit der Expertin.

Zu den Personen
Julia Mundt Juliane Mundt begleitet als Senior Beraterin am Hamburg Institut Unternehmen und Kommunen auf dem gesamten Weg zur CO2-Neutralität – vom Sichten der Energieeinsparmaßnahmen bis hin zur klugen Kompensation unvermeidbarer Emissionen.
 
Tilmann Wiesel Tilmann Wiesel ist Berater für Klimastrategieplanung beim Bundesverband der Energieabnehmer (VEA) und spezialisiert auf Unternehmen des Mittelstands. Er gibt Seminare beim VEA vor Ort oder Workshops in den Unternehmen selbst.

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Bis 2040 muss Deutschland laut Klimaschutzgesetz seine Treibhausgas-Emissionen um 88 Prozent reduzieren, bis 2045 treibhausgas-neutral werden. Knapp 90 Prozent der Treibhausgase entfallen auf Kohlendioxid (CO2). Deshalb ist CO2-Neutralität auch für Unternehmen eine der Hauptaufgaben der nächsten Jahre. Doch viele Unternehmerinnen und Unternehmer fragen sich: Kann man den CO2-Ausstoß überhaupt auf null reduzieren? „Selbst in Betrieben, die ihre Prozesse nachhaltig gestalten und in klimafreundliche Technologien investieren, wird ein geringer Rest an unvermeidlichen Emissionen bleiben“, sagt Juliane Mundt, die als Beraterin Unternehmen hilft, eine Klimastrategie zu entwickeln. „Das Ziel CO2-Neutralität bedeutet daher: ernsthaft versuchen, CO2-Emissionen überall dort zu verringern oder ganz zu vermeiden, wo es geht. Und den unvermeidlichen Rest kompensieren, indem man Klimaschutz-Projekte finanziell unterstützt.“ Mit den folgenden Schritten kommen Sie dem Ziel CO2-Neutralität näher, ohne Greenwashing zu betreiben: Schritt 1: Relevanz des Themas vermitteln und Verantwortlichkeiten klären CO2-Neutralität ist eine komplexe Aufgabe, die alle Bereiche eines Unternehmens betrifft. Deshalb braucht es bei allen im Team ein Bewusstsein dafür, wie wichtig das Thema ist – und wer die Umsetzung der Maßnahmen verantwortet. „Das muss nicht unbedingt der Chef oder die Chefin selbst sein“, erklärt Beraterin Mundt. „Aber als Führungskraft müssen sie klarmachen: Das Thema ist absolut zentral und wird von der Geschäftsführung getragen.“ Auch sollten Unternehmerinnen und Unternehmer vermitteln: „Uns ist bewusst, dass die Aufgabe, CO2-neutral zu werden, zusätzlichen Aufwand verursachen wird und wir Arbeitszeit dafür einplanen müssen.“ Dieses Signal mache allen klar: Die CO2-Neutralität stellt ein enorm wichtiges Ziel dar, das konsequent verfolgt wird und an dem alle mitarbeiten sollen. „Und das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass das Team es als gemeinsames Projekt sehen und umsetzen kann“, so Mundt weiter. Schritt 2: Eine CO2-Bilanz erstellen Sobald geklärt ist, wer die Umsetzung federführend übernimmt, gilt es zu ermitteln, wie viel CO2 das eigene Unternehmen verursacht. Dabei hilft eine Treibhausgas-Bilanz: Sie zeigt auf, bei welchen Prozessen im Unternehmen die meisten Emissionen anfallen. Und offenbart so die Stellschrauben, die den größten Einspareffekt versprechen. „Um eine Treibhausgas-Bilanz zu erstellen, gibt es inzwischen gute standardisierte Vorlagen, an denen sich Unternehmerinnen und Unternehmer orientieren können“, so Mundt. Für umfassende Software-Angebote, wie etwa den CO2-Rechner des Umweltbundesamtes, fallen, je nach gebuchtem Umfang, unterschiedlich hohe Kosten an. Es gibt aber auch Gratis-Tools für eine grobe Schätzung, etwa den CO2-Rechner mit unterschiedlichem Detailgrad von My climate oder den 5-Minuten-Klimarechner für kleine Unternehmen von Planetly. Generell unterscheidet man bei einer Treibhausgas-Bilanz zwei zentrale Bereiche: direkte und indirekte CO2-Emissionen. Direkte Emissionen „Direkte Emissionen sind solche, die das Unternehmen selbst verursacht – etwa durch Maschinen, Fahrzeuge oder die Heizung“, erklärt Tilmann Wiesel, Berater für Klimastrategieplanung. Bei einem Bäcker mit mehreren Filialen könnten direkte Emissionen etwa durch Fahrzeuge mit Verbrenner-Motoren entstehen, die die Brötchen aus der Produktion in die Verkaufsstätten bringen – oder aber durch die Erdgasheizung, die die Filialen warmhält. Indirekte Emissionen Indirekte Emissionen sind solche, die nicht im Unternehmen direkt auftreten, sondern insbesondere durch Energie und eingesetzte Rohstoffe entstehen, die das Unternehmen verbraucht. Im Bäcker-Beispiel wären das der Strom für den Ofen oder die Energie einer Fernwärme-Heizung. Was Unternehmerinnen und Unternehmer bei einer Treibhausgas-Bilanz generell beachten müssen: „Im Gegensatz zu Privatpersonen müssen sie sehr viele Bereiche mitdenken, wenn die Bilanz vollständig sein soll“, so Wiesel. Also neben den Prozessen im Unternehmen selbst beispielsweise auch die Emissionen, die auf dem Arbeitsweg der Angestellten anfallen – sowie jene, die in der Lieferkette entstehen, etwa bei der Produktion von Rohstoffen, Materialien und Zutaten. Im Bäcker-Beispiel etwa bei der Herstellung des Mehls. Stellschrauben ablesen Die Treibhausgas-Bilanz zeigt auf einen Blick die wesentlichen Quellen für CO2-Emissionen eines Unternehmens. Bei den meisten Firmen gehören dazu: der Energieverbrauch von Maschinen und Anlagen das Beheizen von Gebäuden der Fuhrpark Dienstreisen der Arbeitsweg der Angestellten Schritt 3: Realistische Ziele definieren Sind die Bereiche mit den größten Einsparpotenzialen gesichtet, gilt es den Experten zufolge, ein zeitliches Ziel für die CO2-Neutralität zu definieren, das auch zu erreichen sei. „Wer zu ambitioniert ist, muss womöglich später zurückrudern und erklären, warum das Ziel verfehlt wurde.“, so Beraterin Mundt. Hilfreich sei ein Stufenplan. „Der Bäcker könnte zum Beispiel sagen: ‚Bei den direkten und den meisten indirekten CO2-Emissionen möchte ich bis 2030 neutral sein‘“, sagt Mundt. „Bei den indirekten Emissionen der Lieferketten, also etwa beim Einkauf, möchte ich das bis 2040 erreicht haben.“ Denn gerade bei den Lieferketten sei die Datenlage aktuell oft noch spärlich. „Deshalb lassen sich die Emissionen hier nicht nur schwer bilanzieren, sondern auch kaum verringern“, so Mundt. Beispiel Bäcker: Aktuell finden Unternehmen den Experten zufolge kaum (regionale) Mehlproduzenten, die CO2-neutral arbeiten. Das aber werde sich in den nächsten Jahren verbessern, da immer mehr Unternehmen Angaben zu ihrer Klimabilanz publik machten und immer mehr CO2-neutrale Produkte auf den Markt kämen. Bei der Planung alle Bereiche betrachten Wichtig, um realistische Ziele zu definieren: jeden einzelnen Punkt aus der Treibhausgas-Bilanz im Zusammenhang mit der individuellen Lage des Unternehmens analysieren. „Wenn ich mir zum Beispiel für meinen Bäckerei-Betrieb erst vor zwei Jahren eine erdgasbetriebene Heizung angeschafft habe, dann wird es sich nicht rechnen, diese im nächsten Jahr auszutauschen. Und dann wäre eine CO2-Neutralität für 2025 mutmaßlich zu ambitioniert – es sei denn, ich habe genügend Mittel, um die Emissionen zu kompensieren“, so Wiesel. Beraterin Mundt sieht kleinere Unternehmen in Sachen Planung im Vorteil. „Bei Ihnen sind konkrete Maßnahmen einfacher zu identifizieren und ein Klimaschutzplan kann relativ leicht aufgesetzt werden“, so Mundt. Chefs und Chefinnen kleinerer Unternehmen könnten so den Fokus auf die einzelnen Maßnahmen legen und darauf, diese Stück für Stück umzusetzen. Das sei dann auch eine gute Basis, um mit diesen Maßnahmen in die Öffentlichkeit zu gehen und etwa bei Kunden für sich zu werben. [mehr-zum-thema] Schritt 4: Den CO2-Verbrauch wirklich reduzieren Nach der Planung geht es darum, die Vorhaben umzusetzen – also CO2-Emissionen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Den Experten zufolge ist dies bei direkten Emissionen leichter als bei indirekten. „Denn direkte Emissionen entstehen ja vor Ort. Und ich kann zum Beispiel die Energieversorgung des Erdgas-Ofens durch einen anderen Energieträger ersetzen, etwa durch Fernwärme eines großen Energieversorgers, die idealerweise durch eine Großwärmepumpe erzeugt wird. Damit würde ich meine Emissionen erheblich reduzieren – vorausgesetzt, es macht wirtschaftlich Sinn und meine Liquidität ist groß genug“, so Wiesel. Hier einige Ideen für konkrete Maßnahmen: CO2-Emissionen vermeiden Fahrzeuge auf solche mit Elektro-Antrieb umstellen Mitarbeiter motivieren, mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu kommen. Arbeitgeber können das Engagement finanziell bezuschussen, etwa über ein Jobticket oder ein Dienstfahrrad. Dienstreiserichtlinie erstellen, mit dem Ziel, Dienstreisen grundsätzlich auf das Unvermeidliche zu beschränken und dann auf Flüge möglichst zu verzichten Wärmeversorgung auf CO2-freie Wärme umstellen, etwa durch die Umstellung auf eine mit Ökostrom betriebene Wärmepumpe CO2-Emissionen reduzieren Bei konventionellen Strom-Mix auf Öko-Strom wechseln Beim Licht, wo immer möglich, nach LED-Lösungen suchen Gibt es einen Außendienst: Fahrten mit einer Tourenplanungssoftware optimieren Wenn möglich, Homeoffice anbieten: So lassen sich bei der Bürofläche, beim Strom und dem Arbeitsweg der Mitarbeiter Emissionen verringern Nach Optionen der Automatisierung suchen, die den Energieverbrauch optimieren – und so beispielsweise dafür sorgen, dass Geräte zu einem bestimmten Zeitpunkt in Stand-by gehen Auch die Kleinigkeiten angehen – wie etwa ein vermehrt digitales Dokumentenmanagement Wichtig: Die Mitarbeiter einbinden CO2-neutral werden, das klappt nur, wenn alle im Unternehmen mitziehen. Angestellte einbinden lohnt sich aber auch deshalb, weil sie häufig auf kreative Ideen kommen, die dem Chef oder der Chefin nicht einfallen. Deshalb sollten Unternehmerinnen und Unternehmer den Experten zufolge ihr Team regelmäßig dazu anregen, Ideen einzureichen. „Bei einem Kunden haben die Mitarbeitenden beispielsweise gefragt, ob der Arbeitgeber nicht eine Dusche installieren könnte – dann wäre es für sie leichter, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen“, sagt Beraterin Mundt. Auch kleinere Ideen kämen oft aus der Belegschaft – wie etwa, Tupperdosen anzubieten, damit sich das Team sein Mittagsessen ohne Einwegverpackungen besorgen kann. Chefs und Chefinnen sollten – wenn vorhanden – insbesondere auch die Hausmeister in das Projekt CO2-Neutralität einbinden. Diese wüssten etwa häufig, wo viel Strom verbraucht oder eine andere Ressource unnötig verschwendet wird. Auch kämen sie auf kreative Gedanken, etwa, wo es sich lohnen könnte, den Betonboden aufzubrechen, um eine Wiese zu pflanzen. „All das sind dann vielleicht nicht die größten Hebel, um den CO2-Verbrauch zu senken – aber sie stärken das Bewusstsein für das Thema in der Belegschaft. Und das wiederum führt bei vielen dazu, mitzuziehen und Gewohnheiten zu ändern, übrigens auch im Privaten“, so Mundt weiter. Schritt 5: Den CO2-Rest klug kompensieren Allen Bemühungen zum Trotz wird bei den allermeisten Unternehmen eine gewisse Menge an unvermeidlichen Treibhausgasen bestehen bleiben. Um dennoch CO2-neutral zu werden, sollten sie diesen Rest finanziell ausgleichen. Also für die unvermeidlichen Treibhausemissionen einen Betrag an ein Projekt zahlen, das beispielsweise Bäume pflanzt oder in Solarkraftanlagen investiert – und so den Klimaschutz fördert. „Suchen Sie sich dafür ein Projekt, das nach dem sogenannten Goldstandard zertifiziert ist. Sie können dann sehr sicher sein, ein vertrauenswürdiges Vorhaben zu unterstützen, das ökologisch und sozial ist“, sagt Beraterin Mundt. Details zum Goldstandard und weiteren Siegeln für Klimaschutz-Projekte hat Umweltbundesamt in einem Ratgeber zur freiwilligen CO2-Kompensation zusammengetragen. Laut Stiftung Warentest besonders vertrauenswürdig: die Anbieter Atmosfair, Klima-Kollekte und Primaklima. Experte Wiesel zufolge sollten Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Auswahl eines Klimaschutz-Projektes darauf achten, folgende Fragen mit ja beantworten zu können: Ist der Projektaufbau transparent dargestellt? Ist das Projekt konkret beschrieben? Habe ich einen ideellen Bezug zum Projekt? Wird klargemacht, inwieweit das Projekt auf die sogenannten „Sustainable development goals“ der UN einzahlt? (Wenn für einen Staudamm in China drei Dörfer umgesiedelt werden, ist das nicht nachhaltig). Beiden Fachleuten zufolge wichtig: Die Kompensation sollte wirklich nur der letzte Schritt sein, wenn keine Einsparmöglichkeit mehr besteht. „Ansonsten wäre die vermeintliche CO2-Neutralität nichts als Greenwashing. Denn es geht ja darum, den CO2-Ausstoß tatsächlich zu verringern und damit Klimaschäden zu verhindern. Und nicht darum, in vollem Bewusstsein weiterhin Schäden anzurichten und sich dann über die Kompensation freizukaufen.“ Extra-Tipp: Auf Kooperationen setzen CO2-Neutralität ist für die meisten Unternehmen ein herausforderndes Thema, das mit einer gewissen Schwere daherkommt. Kooperation könnten hier für mehr Leichtigkeit und sogar Freude sorgen, so Beraterin Mundt. Beispiel Lieferkette: CO2-Einsparungen gehen für kleinere Unternehmen häufig nur über Lieferantenwechsel. Denn während etwa große Automobilkonzerne bei Zulieferern Druck aufbauen könnten, CO2-sparender zu produzieren, haben kleinere Unternehmen der Expertin zufolge diese Macht nicht. Dafür aber seien kleinere Unternehmen in der Regel lokal gut vernetzt – was Kooperationen erleichtere. „Wenn eine Bäckerei etwa von einer Mühle vor Ort das Mehl bezieht, die noch sehr CO2-intensiv produziert, das Unternehmen aber gern weiterhin mit ihr zusammenarbeiten will, könnten beide beispielsweise gemeinsam auf Ökostrom wechseln – und das auch gemeinsam kommunizieren. Oder aber zusammen eine kleine Solaranlage aufbauen“, so Mundt. Auch Kommunen seien oft gute Ansprechpartner für Kooperationen. Viele Städte und Gemeinden wollen bis 2040 klimaneutral sein, einige sogar bis 2030 – darunter auch Großstädte wie München, Frankfurt am Main, Dortmund und Leipzig. „Deshalb haben viele Kommunen inzwischen Klimaaktionspläne aufgesetzt, in die Förderprogramme integriert sind“, so Mundt. Diese Förderungen gingen in zahlreiche Richtungen, von Energieberatung bis zu Investitionszulagen für mehr Energieeffizienz. CO2-Neutralitäts-Siegel anfordern – ja oder nein? Begriffe wie „CO2-neutral“ oder „klimaneutral“ sind nicht geschützt. Das heißt: Es gibt keine einheitlichen Anforderungen für entsprechende Siegel – und damit auch keine Möglichkeit, die Vergabe der Siegel durch Dritte überprüfen zu lassen. „Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich deshalb die Frage stellen, ob sie wirklich Geld für ein Label ausgeben wollen, nur, weil es so schön plakativ ist“, sagt Mundt. Wer eine Treibhausbilanz erstelle, Einsparmaßnahmen identifiziere und begonnen habe, diese auch umzusetzen, sei vorbildlich unterwegs. „Wer darüber dann spricht, also erklärt, was genau das Unternehmen konkret unternimmt, um Treibhausgase zu reduzieren, arbeitet viel transparenter als es aktuell jedes Siegel könnte“, so das Fazit der Expertin. [zur-person]
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