Pro und Contra ISO 9001
So lohnt sich der Aufwand einer ISO-Zertifizierung

Sich nach ISO 9001 zertifizieren zu lassen, bedeutet Arbeit, kann aber helfen, Kosten zu senken. Was steckt dahinter und was bringt es wirklich? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

23. September 2025, 16:04 Uhr, von Kathi Preppner

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Ein Mensch entzerrt ein rotes Knäuel Wolle vor türkisem Hintergrund. Zu sehen sind vom Menschen nur die Hände.
In machen Firmen herrschen unübersichtliche Prozesse. Eine ISO-Zertifizierung kann helfen, diese zu entwirren.
© Olga Evtushkova / iStock / Getty Images Plus

Was passiert, wenn wir ein Produkt zurückrufen müssen? Das Ludwigsburger Druckhaus Götz ist noch nie in eine solche Situation geraten. Doch der Geschäftsführer Florian Götz hat für den Ernstfall vorgesorgt. Denn in dem Familienunternehmen gibt es eine Arbeitsanweisung, in der genau festgelegt ist, wie die 60 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vorgehen sollen, wenn fehlerhafte Kataloge oder Kartonagen zurückgeholt werden müssen.

Das Bewusstsein, dass es für solche Fälle einen genauen Plan braucht, entstand, seitdem sich die Firma nach ISO 9001 zertifizieren lässt. Die Norm erfüllt das Unternehmen bereits seit den 2000er-Jahren, lange bevor Florian und sein Cousin Sebastian Götz das Unternehmen 2022 von ihren Vätern übernommen haben. Doch die Nachfolger tragen die Entscheidung mit. „Die Kunden erwarten stabile Prozesse und gleich bleibende Qualität“, begründet Florian Götz den Schritt.

ISO 9001 klingt nach einem enormen Bürokratieaufwand, den aber viele Unternehmen auf sich nehmen. In Deutschland haben laut der Internationalen Organisation für Normung (ISO) 2023 fast 42 000 Firmen eine Zertifizierung. Sie bringt Unternehmen dazu, sich mit den eigenen Prozessen, mit ihrer Führung und ihren Risiken zu beschäftigen. Trotz Aufwands können Firmen langfristig Kosten sparen, ihren Kunden Sicherheit vermitteln und interne Abläufe optimieren.

Doch was genau steckt hinter ISO 9001? Was haben Unternehmen von einer Zertifizierung und von welchen Erwartungen sollten sie sich verabschieden? Wie läuft eine Zertifizierung ab und was kostet es? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist ISO 9001?

ISO 9001 kann man auch als Leitfaden für Unternehmen mit über 350 Anforderungen bezeichnen. Es beschreibt, wie Firmen ihre Abläufe von der Kundenanfrage bis zur Auslieferung definieren sollten, sodass die Qualität ihrer Produkte konstant hoch bleibt. Die Norm gilt weltweit. In Deutschland wird sie vom Deutschen Institut für Normung (DIN) veröffentlicht. Jedes Unternehmen kann einen Antrag auf Normung stellen.

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Was bringt ISO 9001 und wo sind die Grenzen?

Der Vorteil einer ISO-9001-Zertifizierung liegt nicht unmittelbar auf der Hand, sondern ergibt sich erst, wenn das Unternehmen nach den ISO-Vorgaben arbeitet, sämtliche Prozesse und Risiken analysiert und daraus Maßnahmen ableitet. Darauf aufbauend kann die Firma weitere Projekte angehen und sich weiterentwickeln.

„Gerade mittelständischen Unternehmen, die häufig wenig Ressourcen haben, um strategisch zu agieren, kann die ISO 9001 eine stabile Arbeitsgrundlage verschaffen“, erklärt Alexandra Horn, die beim Deutschen Institut für Normung (DIN) in Berlin den Bereich Mittelstand leitet. Fünf Beispiele, welchen Nutzen das Zertifikat bringt und welchen nicht.

Prozesse verschlanken

Je größer ein Unternehmen wird, desto mehr Prozesse entstehen, was schnell unübersichtlich werden kann. ISO 9001 kann helfen, die Abläufe zu verschlanken. „Ich habe Kunden gehabt, die die Zertifizierung zum Anlass genommen haben, mal so richtig auszusortieren. Die haben ihre Firma damit effizienter gemacht“, erklärt der Qualitätsmanagement-Berater Michael Thode aus Heidelberg.

Digitalisieren

Viele Unternehmen wollen digitalisieren – scheitern jedoch an unklaren Abläufen, sagt Alexandra Horn, die vor ihrer Arbeit beim DIN beim Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum in Berlin tätig war. „Die ISO 9001 schafft das nötige Fundament, um eine durchdachte Digitalisierungsstrategie systematisch umzusetzen“, sagt die Expertin.

Besser abgesichert

Wenn Fehler passieren, gerät die Firma schnell in den Verdacht, nicht sorgfältig gearbeitet zu haben. Das ist besonders relevant, wenn die Versicherung für den Schaden aufkommen soll, dies aber verweigert. Mit einer ISO-Zertifizierung ließen sich solche Vorwürfe eher entkräften, erklärt der Qualitätsmanagement-Berater Michael Thode.

Außenwirkung

Wer in Branchen arbeitet, in denen Kunden Wert auf Zertifizierungen und Gütesiegel legen, kann mit der Einführung der weitverbreiteten Norm ISO 9001 den Anfang machen. Beispiel Druckerei Götz: Für Firmen dieser Branche gibt es im Umweltbereich einige wichtige Siegel wie den Blauen Engel oder das internationale FSC-Siegel für Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft. „Man tut sich auch mit anderen Zertifikaten leichter, wenn man die ISO 9001 im Hintergrund hat“, sagt Götz, der auf seiner Website mit sechs Siegeln wirbt.

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Kaum mehr Umsatz

Auch wenn Firmen mit ISO 9001 Prozesse und ihr Image verbessern können, zu mehr Umsatz führt die Norm eher nicht. Das ergab eine Studie der Bundesanstalt für Materialforschung und-prüfung (BAM) von 2019 über den Nutzen von genormten Managementsystemen, darunter ISO 9001. Gerade kleine Betriebe, die nur im Inland aktiv sind, gaben an, dass sie durch die Norm nicht mehr Umsatz erzielten.

Wie zertifiziere ich mich nach ISO 9001?

Unternehmen können es theoretisch selbst in die Hand nehmen. Es reicht, wenn sie sich die Norm ISO 9001 beim Deutschen Institut für Normung für rund 160 Euro kaufen.

Die zehn Kapitel behandeln verschiedene Themengebiete wie Führung, Organisation und Kommunikation. Gefragt wird etwa, ob Verantwortlichkeiten klar geregelt sind, wie sich Mitarbeitende untereinander austauschen oder ob das Unternehmen einen Plan hat, wenn Probleme auftauchen.

Im Idealfall gehen Firmen die Kapitel durch und dokumentieren, wie sie die Punkte erfüllen beziehungsweise ergreifen Maßnahmen, um diese zu erfüllen. Das Ergebnis können die Unternehmen analog in einem Handbuch festhalten oder digital in einem Wiki.

Wer prüft, ob ich die Norm umgesetzt habe?

Mit der erstellten Dokumentation können sich Unternehmen bei einer der akkreditierten Zertifizierungsstellen wie TÜV Süd, TÜV Rheinland oder DEKRA anmelden. Die Organisationen schicken dann einen externen Auditor oder eine externe Auditorin ins Unternehmen. Sie überprüft die Dokumentation und ob die Firmenangaben der Norm entsprechen. Passt alles, gibt es das Zertifikat.

Die ISO-Prüfung gibt es ab rund 2000 Euro für kleine Betriebe unter zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Je mehr Beschäftigte das Unternehmen hat, desto teurer wird es.

Manche Firmen beauftragen zusätzlich einen Berater, der zum Beispiel mit ihnen ein sogenanntes Voraudit durchführt, bevor sie sich bei einer offiziellen Stelle anmelden. Diese Kosten kommen noch on top.

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Wie lange dauert eine ISO-Zertifizierung?

Vom Projektbeginn bis zur Zertifizierung kann es etwa drei bis sechs Monate dauern – je nach Größe des Unternehmens sowie Komplexität der Prozesse.

Wie aufwendig ist es, die Norm einzuführen?

Wie viel Aufwand Firmen betreiben, haben sie selbst in der Hand. Denn die Norm legt nicht fest, welche Anweisungen es geben soll und wie sie auszusehen haben, sondern nur, dass es welche für die wichtigsten Prozesse geben muss. Unternehmen können zudem auch einzelne Punkte davon als nicht relevant markieren, wenn sie die zehn Kapitel durchgehen.

„Das Schöne an der Norm ist, dass man auch viel weglassen kann. Wer möchte, kann ein schlankes, effizientes System aufsetzen, das ihn im Alltag nicht belastet, sondern unterstützt“, sagt der Qualitätsmanagement-Berater Michael Thode und nennt ein Beispiel:

Ein Unternehmen aus der Chemiebranche, das nach ISO 9001 zertifiziert ist, hatte mehr als 120 Prozessanweisungen – jede davon mindestens fünf Seiten lang. „Die kamen mit ihrem System überhaupt nicht mehr zurecht“, sagt der Qualitätsmanagement-Experte. Ein Neustart musste her. Nun habe das Unternehmen nur noch rund 20 Prozessanweisungen.

Eventuell braucht es jemanden im Betrieb, einen Qualitätsmanagement-Beauftragten (QMB), der die Einführung der Norm betreut, die Audits begleitet und bei Bedarf Schulungen für die Belegschaft organisiert. Im Druckhaus Götz kümmert sich der Geschäftsführer selbst um das ISO-Thema, doch nicht um alles. Früher war er es, der die Arbeitsanweisungen geschrieben hat. „Mittlerweile machen die Abteilungsleiter das selbst, und der QMB schaut nur noch einmal drüber“, sagt er.

Was genau muss in einer Anweisung stehen?

In einer Anweisung ist schriftlich festgehalten, wie die Prozesse ablaufen und wer wofür verantwortlich ist. So können Beschäftigte im Zweifel nachschauen. „Man muss nicht jeden Sonderfall abbilden“, erklärt der Berater Michael Thode. Wenn etwa 80 Prozent der Standardfälle über die Anweisungen abgedeckt sind, reiche das völlig aus.

Muss ich mich stets an die ISO-Regeln halten?

Wer sich nach ISO 9001 zertifizieren lässt, ist rechtlich nicht daran gebunden, es sei denn, Unternehmen haben sie vertraglich mit Kundinnen und Kunden vereinbart. „Die Unter­nehmen geben sich selbst diese Regeln, deren Anwendung schlussendlich freiwillig ist“, erklärt Kristofer Proll, Teamkoordinator des DIN-Normenausschusses Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen.

Wie lange gilt das ISO 9001-Zertifikat?

Das ISO-9001-Siegel gilt für drei Jahre, kann Unternehmen aber auch früher wieder entzogen werden. Denn nach der Zertifizierung kommen die Auditoren oder Auditorinnen einmal jährlich für einen Kurzaudit. Sie kontrollieren, ob die Firma die Anforderungen weiterhin erfüllt. Der Besuch kostet extra.

Allerdings durchleuchten die Prüfer bei den Kurzaudits nicht alle Prozesse im Unternehmen, sondern greifen nur einen einzelnen Bereich heraus. „Das sind die interessanteren Audits, bei denen man auch noch mal etwas entdeckt, was man bisher vielleicht übersehen hat“, sagt der Geschäftsführer Florian Götz.

Bei einem solchen Besuch in seinem Druckhaus in Ludwigsburg hat sich ein Auditor die Reklamationsbearbeitung genauer angeschaut. Dabei hat er den Fall konstruiert, dass die Druckerei ein Produkt zurückholen muss. Und gefragt: Wie würde die Belegschaft das angehen? Da es einen solchen Fall in der Druckerei noch nie gegeben hat, gab es dafür auch keinen Plan.

Den entwickelte die Belegschaft nach dem Durchspielen einer vom Auditor erfundenen Rückholaktion. Und auch wenn der Ernstfall nicht auftritt, sei das Team nun gewappnet.

Welche Aspekte behandelt ISO 9001?

Die Norm enthält 10 Kapitel, die Unternehmen zeigen sollen, wo genau sie ihre Prozesse noch verbessern können.

Grundsätzliches zu ISO 9001

In den ersten drei Kapiteln geht es um die Spielregeln. Hier wird ausgeführt, wie die Anforderungen umzusetzen sind und was das Ziel von ISO 9001 ist. Es werden auch konkrete Begriffe erklärt, etwa was unter „Qualität“ oder „Prozess“ zu verstehen ist.

Umfeldanalyse

Was ist unser Geschäftszweck? Wer sind unsere Kunden? Und wer unsere Mitarbeitenden? Was ist uns wichtig? Zum Qualitätsmanagement gehört es auch, dass sich das Unternehmen mit seinem kulturellen und wirtschaftlichen Umfeld beschäftigt. Darum geht es in Kapitel 4.

Mitarbeiterführung

Wie sorgt die Firma dafür, dass alle Teammitglieder gut zusammenarbeiten können? Wer hat die Verantwortung? Laut Kapitel 5 soll das Unternehmen dokumentieren, ob es Ziele setzt und Verantwortlichkeiten festgelegt hat.

Risiken und Chancen

Laut Kapitel 6 sollten sich Unternehmen nicht nur überlegen, welche Ziele sie erreichen und wie sie Probleme vermeiden wollen. Zum Qualitätsmanagement gehört es auch, dass Firmen vorher durchgespielt haben, welche Risiken bestehen und welche Maßnahmen ergriffen werden müssten.

Ressourcen

In Kapitel 7 geht es um all das, was ein Unternehmen für die Umsetzung seines Qualitäts­managements braucht. Dazu gehören etwa Personal, Infrastruktur, Wissen und Kommunikation.

Prozessplanung

Nach Kapitel 8 müssen Firmen dokumentieren, wie sie ihre Arbeit machen, Produkte herstellen oder Kunden zufriedenstellen. Darunter fällt etwa die Produktentwicklung, aber auch die Kommunikation mit Kunden.

Bewertung der Leistung

Laut Kapitel 9 soll das Unternehmen regelmäßig Ergebnisse erfassen und analysieren. Die Kundenzufriedenheit zu messen, gehört ebenfalls dazu.

Aus Fehlern lernen

Schließlich sollte sich ein Unternehmen Kapitel 10 zufolge darüber Gedanken machen, wie es aus Fehlern lernen kann, wenn etwas nicht gut gelaufen ist, zum Beispiel wie es mit Produkten umgeht, die nicht den Anforderungen genügen.

Neuauflage 2026

Ab September 2026 soll es eine Neuauflage der Norm ISO 9001 geben. Zum Beispiel wird das Regelwerk um klimaspezifische Aspekte erweitert. Geplant ist auch, ethisches Verhalten in der Führung als Qualitätskriterium aufzunehmen.

Wer sich noch vor der Neuauflage nach der Norm ISO 9001 zertifizieren lassen will: Die vergebenen Siegel verlieren nicht ihre Gültigkeit und bleiben für die drei Jahre bestehen.

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