impulse: Herr Krumbach, warum sollte man sich als Chef jemanden ins Team holen, der selbst gerne Chef sein will? Da ist Krach doch programmiert.
Peter Krumbach-Mollenhauer: Kein Mitarbeiter ist per se schwierig. Man stellt so einen Menschen ein, weil er oder sie besondere Stärken hat. In der Lehre der Verhaltenstypen, die in vielen Trainings verwandt wird, hat der Charakter, den Sie ansprechen, eine stark dominante Facette. Ein solcher Mitarbeiter hat eine Menge toller Eigenschaften: Der hat Antrieb, der ist selbstständig, der entscheidet. Der geht gegen Widerstände und ist in gewisser Weise sogar „schmerzbefreit“ und mutig. Das ist für den Chef grandios: Den kann ich nämlich auch dahin schicken, wo es weh tut.
Wo tut’s denn weh?
Wenn man unterschiedliche Auffassungen zu Schnittstellenbereichen hat, die durchaus anstrengend sind, dann haben diese Menschen Freude daran. Die reiben sich gerne am Baum, die „schubbern“ sich wie Balu der Bär. Reibung bringt denen eine gewisse Zufriedenheit.
Klingt klasse, so einen Kämpfer im Team zu haben. Wann wird der Mitarbeiter mit der dominanten Facette zum Problem?
Oft treten ja die negativen Eigenschaften von Menschen hervor, wenn sie unter Belastung kommen. Da kann man bei einem solchen Mitarbeiter Angst haben, dass er zu dominant wird. Der ist dann sehr anmaßend. Der reagiert überselbstbewusst bis hin zur Arroganz. Wenn er unter Druck kommt, wenn er seine Schwächen merkt, dann wird der nicht überlegter, sondern draufgängerischer, risikoreicher. Dann faltet der in einem Meeting ohne Not schon einmal den Gesprächspartner zusammen.
Wie reagiere ich darauf als Führungskraft?
Ich hole den nach der Situation zum Vieraugengespräch zu mir und erkläre die Lage und wozu das Verhalten für ihn führen kann.
Ein Vier-Augen-Gespräch mit so einem dominanten Mitarbeiter – klingt nach einer Herausforderung.
Klar, diese Leute sind kommunikativ nicht auf den Kopf gefallen. In so ein Gespräch kann man nicht ohne gute Vorbereitung gehen, da muss man sich Argumente bereitlegen. Ganz wichtig: Ich kann dem nicht nur sein Fehlverhalten vorhalten. Ich muss vielmehr mit den Motiven des Mitarbeiters arbeiten, ihm deutlich machen, dass er sich mit seinem Verhalten selbst etwas verbaut, etwa seinen Status, seine Macht, seine Eigenständigkeit. Bei solchen Personen macht es viel Sinn, darüber zu reden: Was ist der Nutzen eines anderen Verhaltens?
Haben Sie ein Beispiel?
Stelle ich zum Beispiel fest, dass Kollege Meier bezüglich seines Fehlverhaltens völlig uneinsichtig ist, dann zeige ich ihm auf: Der Gesprächspartner, den er im Meeting „platt gemacht“ hat, der hat ja auch einen Chef. Und das ist leider eine hochangesehene Person im Unternehmen. Ich sage dann zum Meier: „Du wolltest doch noch Karriere machen! Dann kannst du doch den Kollegen nicht so angehen. Denk doch mal einen Schritt weiter.“ Ich muss meinem Mitarbeiter verkaufen: Eine Veränderung deines Verhaltes schafft dir selbst Vorteile und war zwar in den Bereichen Status, Prestige, Macht, Eigenverantwortung – eben den Motiven, die einen Menschen mit stark dominanter Facette oft antreiben.
Ich bespreche also mit dem Mitarbeiter seine Taktik?
Ja, denn da kann ich ihn packen. Die Person möchte ja gerne was erreichen. Ich sage dem: „Überleg doch mal: Auch, wenn du mit deiner Kritik an Kollege X Recht hast. Was nützt es, so ausfällig zu werden? Welche Auswirkungen hat das? Wie nehmen dich die Leute denn wahr?“ Ich frage den Mitarbeiter: „Ist dein Verhalten intelligent? Kommst du damit auf der Langdistanz ans Ziel?“ Denn auch die stillen, zurückhaltenden Mitarbeiter finden ja Wege, gegen so einen Dominanten zu agieren.
Wie zum Beispiel?
Die können in Sachen Dominanz natürlich nicht mithalten. Die suchen andere Wege, um den auflaufen zu lassen, machen dann zum Beispiel Dienst nach Vorschrift. „Nein, das geht leider nicht wegen Formular R 15 2.“ Oder: „Wir hätten Ihnen ja gerne den Raum zur Verfügung gestellt, aber das gibt die Raumordnung leider nicht her. Sie kriegen jetzt den Raum ohne Tageslicht.“
Was mache ich, wenn der dominante Kollege mich als Führungskraft platt macht?
Da muss man die „Highlander-Regel“ anwenden: Es kann nur einen geben. Das muss man ihm schnell und deutlich unter vier Augen vermitteln. Sonst kriegt der das Gefühl: Ich schneid‘ mir hier und da ein Stückchen Macht ab und erweiter diese kontinuierlich ohne Rücksprache. Man kann ihn ruhig ein bisschen Chef sein lassen, aber offiziell. Und ihm beispielsweise ein kleines Projektteam geben oder eine Arbeitsgruppe. Dann blüht der auf. Aber: Man entscheidet als Chef oder Chefin, welchen Verantwortlichkeitsbereich er bekommt.
Wenn ich als Führungskraft ein Team zusammenstelle: Ist es dann schlau, zwei von diesen Typen im Team zu haben?
Das kommt darauf an, ob ich genug Aufgaben habe, für die ich Teilchefs brauche. Und ob die beiden nicht zu stark konkurrieren. Wenn die beiden in getrennten Aufgabenbereichen Sachen vorantreiben können, ist das nicht schlecht. Das ist wie bei Ben Hur mit den Wildpferden: Die sind anstrengend, die machen ihr eigenes Ding, ich muss sie immer wieder zurückholen. Aber nur mit treuen Ackergäulen kann ich kein Rennen gewinnen. Man muss die Wildpferde in der Spur halten, aber auch machen lassen. Wenn sie ihre Stärken einbringen können, dann schaffen die richtig was weg und um im Beispiel zu bleiben, schaffen auch engere Kurven.
Business-Coach Peter Krumbach-Mollenhauer ist studierter Psychologe und geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsgesellschaft hr-horizonte.
