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Je bedeutender ein Projekt für das Unternehmen ist, desto kritischer ist der Erfolg. Und desto stärker sind die Bauchschmerzen, wenn es so aussieht, als würde nichts rechtzeitig fertig werden. Selbst wenn es mit Ach und Krach am Ende noch klappt, muss man sich die Frage stellen: War dieser Stress wirklich nötig?
Warum Prokrastination ein Problem für Projekte ist
Viele Menschen prokrastinieren: Sie erledigen Aufgaben erst dann, wenn sie dringend werden. Besonders bei der Projektarbeit, wo meist Termine eingehalten werden müssen, ist das ein Problem. „Nicht nur, dass sich durch eine Verspätung alles verzögern könnte – auch die Qualität leidet oft, wenn Aufgaben unter Zeitdruck erledigt werden“, erklärt die Projektmanagement-Beraterin und Autorin Sabine Peipe.
Was Projektmanager tun können
Der Projektmanager oder die -managerin steht vor einem Dilemma: Auf der einen Seite ist es die Verantwortung der Projektleitung, den Projektmitarbeitenden zu helfen, in die Gänge zu kommen. Auf der anderen Seite gilt es, nicht zum Mikromanager zu werden: Wer jeden Schritt der Projektmitglieder überwacht und alle drei Minuten einen Status abfragt, kann kaum erwarten, dass diese Eigenverantwortung zeigen.
Was können Projektleiterinnen und -leiter also tun? Fast jeder Mensch kann zum Prokrastinierer werden, zum Beispiel, wenn die Aufgabe undurchsichtig erscheint (viele kennen das von der Steuererklärung). Wer ein Projekt leitet, kann daher versuchen, die typischen Ursachen von Aufschieberitis von Anfang an auszuräumen.
Aufschiebe-Ursache 1: Angst vor Fehlern
Einige Mitarbeitende schieben Aufgaben auf, weil sie unsicher sind und Angst haben, etwas falsch zu machen, erklärt Projektmanagement-Expertin Peipe. „Aber Projekte sind immer Innovationsthemen, also neuartig. Sie können niemals fehlerlos verlaufen.“
Daher müssten Projektleiter und Projektleiterinnen eine offene Fehlerkultur etablieren, in der Fehler als Lernmöglichkeiten gesehen und nicht bestraft werden. Es gehe vor allem darum, jedem Einzelnen zu vermitteln: Wir können über alles sprechen. „Kommunizieren Sie aber auch, dass Mitarbeiter verantwortlich sind, sofort anzurufen, wenn es hapert“, rät die Expertin. Zur Fehlerkultur gehört, dass Probleme nicht ausgesessen werden.
Aufschiebe-Ursache 2: Die Motivation fehlt
Kaum jemand ist motiviert, wenn er nicht weiß, warum er sich reinhängen soll. Am Projektstart sollte die Projektleitung, zum Beispiel in einem Kick-off-Meeting, die Vision und die Ziele des Projektes erklären. Dabei sollten die Fragen: ‚Warum machen wir das?‘ und ‚Was ist der Nutzen?‘ geklärt werden. Das gehört eigentlich zum Projektmanagement-Einmaleins – doch die Realität sieht häufig anders aus: „Mitarbeiter sind oft schlecht informiert und wissen nicht, warum das Projekt überhaupt wichtig ist“, so die Beraterin. Und ohne „Buy-In“ in das Projekt fehle die Motivation. Klären Sie die elementaren Fragen also unbedingt gemeinsam bei einem Treffen direkt zu Beginn. Merken Sie, dass Mitarbeitende sich zurückhalten, ist Fingerspitzengefühl gefragt und die Projektleitung sollte in Einzelgesprächen darauf eingehen, um individuelle Beweggründe zu beleuchten.
Aufschiebe-Ursache 3: Die Rolle im Projekt ist unklar
Wenn Teammitglieder nicht genau wissen, welche Aufgaben sie übernehmen sollen oder wer für bestimmte Bereiche verantwortlich ist, entsteht Unsicherheit. Das kann dazu führen, dass sie Aufgaben aufschieben, weil sie nicht sicher sind, ob sie die richtigen Schritte unternehmen oder ob die Aufgabe überhaupt in ihrer Zuständigkeit liegt.
Es ist entscheidend von Beginn an, klare Rollen und Verantwortlichkeiten festzulegen. Der Einsatz einer RACI-Matrix hilft, Rollen und Verantwortlichkeiten klar zu definieren. So wissen alle Beteiligten genau, wer was zu tun hat und wer bei Fragen oder Problemen kontaktiert werden kann.
Aufschiebe-Ursache 4: Die Aufgabe ist unklar
Wem nicht klar ist, was von ihm erwartet wird, dem fällt es meist schwer, mit einer Aufgabe anzufangen. Gemeinsam mit dem ganzen Projektteam können die Aufgabenpakete definiert werden, die nötig sind, um die Projektziele zu erreichen. „Der Projektmanager sollte den Rahmen und die Arbeitspakete grob definieren, aber nicht zu sehr ins Detail gehen“, rät Expertin Peipe.
Stattdessen sollten Projektmanager und Projektmanagerinnen mit den einzelnen Personen nach dem Meeting ins Gespräch gehen, um herauszufinden, ob sie mehr Unterstützung benötigen. Merken sie, dass ein Projektmitglied unsicher ist, sollten sie Fragen wie diese stellen: Was ist hier genau zu tun? Wo brauchst du gegebenenfalls Unterstützung? Wo hast du etwas nicht verstanden? Wobei kann ich dir helfen?
Oft ist es die schiere Größe einer Aufgabe, die dazu führt, dass man nicht weiß, wo man anfangen soll. „Vielleicht müssen Sie Aufgabenpakete in Häppchen aufteilen, um sie greifbarer zu machen“, sagt Peipe. „Überlegen Sie gemeinsam, welcher Experte hinzugezogen werden kann, um dann den Umfang der Aufgabe noch besser einschätzen zu können.“ Denn ein Projektleiter verfügt meist nicht über ausreichend Detailwissen, um ihn realistisch einschätzen zu können. Aber es ist wichtig zu klären: Was ist genau nötig, um die Aufgabe zu erfüllen?
„Es gibt einen schönen Begriff, aus dem agilen Projektmanagement, der nennt sich ‚Definition of Done‘: Dieser Begriff beschreibt, anhand welcher Kriterien man erkennen kann, dass eine Aufgabe erfüllt ist“, erklärt die Projektmanagement-Expertin. Dadurch werde das erwartete Ergebnis für alle Aufgabenpakete im Projekt klar definiert: Genau das wird erwartet – nicht mehr und nicht weniger. Besonders, wenn Menschen prokrastinieren, weil ihnen die Größe der Aufgabe Angst macht, können solche Kriterien eine Orientierungshilfe bieten – auch für einzelne Aufgabenhäppchen.
Aufschiebe-Ursache 5: Die Deadline ist unklar
Wer seinen Abgabetermin nicht kennt, der lässt sich womöglich erst einmal Zeit. Daher gehört es zu jedem guten Planungsmeeting, dass das Projektteam die Deadlines der Arbeitspakete festlegt: Die Mitarbeitenden haben dann nicht nur einen inhaltlich, sondern auch einen zeitlich klar definierten Auftrag.
Wenn es keine klaren Terminpläne und feste Abläufe gibt, führt das dazu, dass Teammitglieder Aufgaben verschieben und somit der Projektfortschritt stagniert. Ohne klare Meilensteine und Routinen, die das Projekt nach vorne bringen, verlieren die Mitarbeitenden leicht den Überblick und die Aufgaben werden dadurch aufgeschoben.
„Besprechen Sie erst in der großen Runde – aber anschließend auch im Zweiergespräch: Wann genau müssen die Teilergebnisse vorliegen?“, sagt Sabine Peipe. Besonders mit unsicheren Teammitgliedern klärt man am besten unter vier Augen: Wann planst du Zeit für die Aufgaben ein?
Aufschiebe-Ursache 6: Die Wichtigkeit der Deadline ist unklar
Deadlines wirken besser, wenn die Projektmitglieder verstehen, dass sie nicht willkürlich gesetzt sind, sondern dass es wirklich nicht weitergeht, wenn sie gerissen werden. Die gemeinsame Projektplanung hat daher auch zum Ziel, dass alle Beteiligten verstehen, wie Aufgaben zusammenhängen und wie sich Verzögerungen auswirken. Das gilt besonders für kritische Meilensteine, also Aufgaben, die das Projekt insgesamt verzögern können.
Aufschiebe-Ursache 7: Fehlende Abstimmung
Wenn das Projekt die Umsetzungsphase erreicht, ist es wichtig, dass die Aufgaben nicht in den Hintergrund rücken. Denn es kann passieren, dass dem Projektmitglied andere Aufgaben plötzlich dringender erscheinen oder leichter von der Hand gehen.
Im Projektmanagement gibt es mehrere Möglichkeiten, um den Status nachzuverfolgen und eventuell unterstützend einzugreifen: Dazu gehören wiederkehrende Statusmeetings und verschiedene Online-Kollaborationsplattformen, wie zum Beispiel den Planner in Microsoft Teams oder das Planungstool Agantty, auf die alle Projektmitglieder zugreifen können. Durch diese bleibe das Projekt und der Status für das gesamte Team auf dem Radar, sagt Peipe. „So fällt schnell auf, wenn es mal hakt und Hilfe benötigt wird. Das verringert die Tendenz, Aufgaben aufzuschieben“, sagt die Beraterin.
Doch eines können die Statusmeetings nicht ersetzen: das persönliche Gespräch mit den einzelnen Projektmitgliedern. Deren Häufigkeit richtet sich nach den individuellen Persönlichkeiten. Besonders, wenn Aufgaben lange einfach nicht begonnen werden, lohne es sich, nicht zu zögern und im Zweifelsfall einfach anzurufen oder vorbeizugehen und zu fragen: Wie sieht es mit der Erledigung der Aufgaben aus? Gibt es eventuell irgendwo ein Problem? Was hält dich davon ab, loszulegen?
Sabine Peipe unterstützt Unternehmen als Projektmanagement-Beraterin.Darüber hinaus ist sie Dozentin für Projekt- und Beratungsmanagement an der Fernfachhochschule Schweiz und Fachbuchautorin verschiedener Bücher, unter anderem „Crashkurs Projektmanagement“ (Haufe Verlag) sowie „Visualisieren in Workshops, Meetings und Präsentationen“ (Haufe Verlag).
