Coffee Fellows
Wie ein Münchner Ehepaar Starbucks überholt hat

Die Kaffeehauskette Coffee Fellows ist in Deutschland größer als Starbucks. Das Münchner Gründerpaar Kathrin und Stefan Tewes schaffte das durch kluge Ideen und Ausdauer. Was du von ihnen lernen kannst.

Aktualisiert am 24. Oktober 2025, 09:25 Uhr, von Maximilian Münster, Redakteur

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Das Gründerpaar hinter Coffee Fellows, Kathrin und Stefan Tewes, stehen vor einer Filiale ihrer Kaffeehauskette.
Hinter der Kaffeehauskette Coffee Fellows steckt nicht etwa ein US-Konzern, sondern ein deutsches Ehepaar: Stefan und Kathrin Tewes. Hier stehen sie in der Filiale am Unternehmenssitz in München.
© Florian Generotzky für impulse

Stefan Tewes hat in seinem Leben zwei große Siege eingefahren: Den ersten 1992, als er mit der deutschen Mannschaft bei Olympia Gold im Feldhockey holte. Er spielte, seit er ein Kind war, brachte es zum Profi, doch der beste ­Spieler sei er nie gewesen, erzählt Stefan ­Tewes. Andere waren schneller, aber er hatte die größere Ausdauer, das war seine Stärke. Seine Frau Kathrin Tewes muss lachen, wenn er das erzählt. „Das passt ja“, sagt sie, denn war es mit ihrem Unternehmen nicht ähnlich?

1999 gründete das Paar die Kaffeehauskette Coffee Fellows. Sie eröffneten ein Geschäft nach dem anderen, in Innenstädten, an Flughäfen und Autobahnen. Heute gehören zur Kette mehr als 220 Läden mit 1500 Mitarbeitenden hierzulande. Sie zogen an fast allen Konkurrenten wie Costa Coffee oder Café Nero vorbei, sogar den Riesen Starbucks haben sie überholt. Das war der zweite große Sieg.

Trotz des beachtlichen Erfolgs wirkt Coffee Fellows nicht wie ein schillerndes Unternehmen. Es ist keine Geschichte von plötzlichem Ruhm oder disruptiver Innovation, sondern ­eine von Beständigkeit, Disziplin, Fehlern und klaren Entscheidungen, aus der vor allem Unternehmerinnen und Unternehmer lernen können, die auf Wachstum setzen.

Erfolgsmodell kopiert, für den deutschen Markt angepasst

An einem Morgen im Juli stehen die Tewes vor der Theke eines Coffee-Fellow-Ladens in München-Unterföhring, dem Firmensitz. Er trinkt einen Espresso, sie nichts. Die Wände sind mit Holz verkleidet, an einer prangt das Motto der Kette: „Feel at home“. Das Radio läuft, Elton John singt „Cold Heart“, auf den ­Tischen stehen kleine Blumenvasen und ­Schilder: „Danke, dass du dein Geschirr abräumst.“ Kathrin Tewes trägt eine weiße Bluse, ihr Mann Stefan ein kariertes Hemd, das Ehepaar wirkt nahbar. ­Bodenständigkeit betonen die Tewes gern, wenn sie über Coffee Fellows sprechen, es sei eben ein Familienunter­nehmen. Man könnte hinter der Marke auch ­eine Kette aus Skandinavien oder den USA vermuten. Viele dieser ­Cafés ähneln sich.

Das ist kein Zufall. Dem Konzept der Kaffeehausketten begegneten die Tewes erstmals 1996, da waren sie auf Hochzeitsreise in Vancouver. Stefan Tewes hatte seine Hockey­karriere beendet und trat eine Laufbahn als Unternehmensberater an. Kathrin Tewes wollte Lehrerin werden. Sie streiften durch die ­westkanadische Stadt, die Fotoapparate baumelten um ihren Hals, da fiel ihnen das grüne Logo mit der Nixe auf: Starbucks. Das gab es in Deutschland noch nicht. Die Tewes verbrachten viele Stunden darin, die Einrichtung war gemütlich und sie mochten das Selbstbedienungskonzept.

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In den Cafés, die die Tewes kannten, setzte man sich, wartete darauf, bedient zu werden, und wenn man nichts mehr bestellte, machte man den Platz besser frei. „Da entsteht eine Art Schwellenangst, vielleicht betritt man das Café erst gar nicht“, sagt Stefan Tewes. Bei Starbucks sei das anders, da geht man rein, bestelle einen Coffee to go und geht wieder. Oder man bleibt. Ganz, wie man möchte.

In seiner Zeit als Unternehmensberater wuchs in Tewes der Wunsch, etwas Eigenes zu gründen. Welche Art von Unternehmen, das sei ihm eigentlich egal gewesen, erzählt er. Aber die Tewes ahnten, eine Kette à la Starbucks, das könnte auch in Deutschland funktionieren.

1999 eröffneten sie den ersten Laden in der Münchner Leopoldstraße. Ein schlauchförmiger Raum, den sie mit einer Selbstbedienungstheke, Echtholz und Fliesen ausstatteten. Die Tewes kopierten das Starbucks-Konzept, wandelten allerdings einige Details ab. „In Amerika verkauften die nur Süßes, die Deutschen ­wollten Herzhaftes“, sagt Stefan Tewes. Statt Muffins und Cookies boten sie Bagels, belegt mit Schinken, Salat und Käse – das kam an. „Manche kamen dann nur noch deswegen“, erzählt Kathrin Tewes. Auch die Einrichtung sei etwas wertiger und gemütlicher gewesen als bei Starbucks damals, dort habe es viel Plastik gegeben, erinnert sie sich.

Es dauerte, bis sich die Leute an das Konzept gewöhnten. Anfangs kamen Gäste, die bedient werden wollten und sich eine Zigarette anzündeten. Bei Coffee Fellows herrschte eigentlich Rauchverbot.

Langsam wachsen, um früh Fehler zu erkennen

Anders als viele Start-ups hatten die Tewes ­anfangs keine Investoren hinter sich, sie finanzierten – ganz bodenständig – mit Erspartem und einem Kredit der Sparkasse. Die machte ­eine Vorgabe: Stefan Tewes musste zunächst weiter als Unternehmensberater arbeiten. Also schmiss Kathrin Tewes den Laden.

Ohne Investor war das Unternehmerpaar ­unabhängiger, es konnte beim Wachstum aber auch kein Tempo machen. Der erste Laden funktionierte. Der zweite Laden im Unter­geschoss eines Düsseldorfer Einkaufszentrums dagegen nicht, die Leute wollen draußen ­sitzen, das ging dort nicht. Die Tewes lernten: Lage ist alles. Ein nächster Laden in München funktionierte wieder.

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Wenn ein Fehler passierte, vermieden sie ihn bei der nächsten Filiale, das sei der Vorteil ihres Vorgehens gewesen. „Geht jemand schnell in den Markt, besorgt er sich eine Finanzierung für zehn Läden, dann macht er im Zweifel zehnmal denselben Fehler“, sagt Stefan Tewes.

Irgendwann wussten die Tewes, welche ­Lagen für Coffee Fellows funktionierten und wie sie an die herankommen. Doch um schneller zu wachsen, fehlte das Geld trotzdem. Sie machten aus ihren Cafés ein Franchisemodell. „Franchisenehmer arbeiten in ihren Filialen profitabler, als wir mit unseren eigenen Läden“, erklärt Tewes. Sie investieren eigenes Geld und tragen das Geschäftsrisiko mit. Oft lässt sich mit einem Franchisesystem ein Filialnetz schneller aufbauen.

2008 betrieben die Tewes 45 Filialen. Je mehr es wurden, desto bekannter wurde Coffee Fellows und gewann eher die Ausschreibungen für die guten Lagen, die Bahnhöfe und Flughäfen. Plötzlich schien vieles möglich, zum Beispiel die Kette Starbucks zu überholen, die zu dem Zeitpunkt doppelt so viele Filialen in Deutschland betrieb.

Von­ Verlustgeschäften schnell trennen

Stefan Tewes sagt, er sei irgendwann wachstumshungrig geworden. „Die größten Fehler haben wir gemacht, als wir zu viel Geld ­hatten.“ Denn dann ging das Unternehmerpaar mehr Risiken ein, wurde sogar leichtsinnig. 2011 zum Beispiel. Die Tewes übernahmen 25 Kaffeeläden der österreichischen Kette Coffeeshop Company in Ost- und Norddeutschland. Der Preis lag bei einem Euro, dafür mussten die ­Tewes die Schulden übernehmen.

Die Filialen warfen keinen Gewinn ab, doch die Tewes dachten, mit dem Coffee-Fellows-Konzept würde es funktionieren. Also rissen sie die alte Ausstattung aus den Läden heraus, bauten die markanten Coffee-Fellows-Theken ein und stellten auf Selbstbedienung um. Einen beliebten Shake, den die Kundschaft wohl sehr mochte, nahmen die Tewes aus dem Programm. Ab jetzt nur noch Coffee-Fellows-­Sortiment. Der Umbau war teuer, das Geld ­dafür kam auf die Verschuldung der Läden noch obendrauf.

Dann eröffnete das Paar den ersten der 25 Läden im Coffee-Fellows-Gewand, doch die Umsätze blieben aus. Der zweite war auch ­erfolglos, der dritte und vierte auch. Die Tewes merkten, dass sie sich verhoben hatten. In den Nächten lagen sie wach. Was, wenn der Zukauf zerstört, was sie sich aufgebaut haben?

Die neuen Läden seien wie ein Krebs­geschwür gewesen, sie mussten sich trennen, schnell, bevor es streut. Heißt: Nicht an Verlustgeschäften festhalten, auch wenn man viel investiert hat. Die Mietverträge für die Läden liefen über Jahre, die Tewes brauchten Nachmieter. Das Unternehmerpaar verkaufte gut laufende Läden in Flughäfen und Bahnhöfen an ihre Franchisenehmer, um an Geld zu kommen. So kamen sie allmählich aus der Krise.

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Stefan Tewes sagt, das Hockey lehrte ihn, konzentriert zu bleiben, wenn der Gegner vorn liegt und das Ende des Spiels näher rückt. Und direkt in den Lösungsmodus zu schalten. Im Management sei es nicht anders. „Du musst doch auch deinem Team vermitteln, der Chef ist noch Herr aller Sinne und weiß einen Weg raus.“

Auf das Konzept vertrauen, das ­wirklich funktioniert

2015 war Coffee Fellows mit 80 Filialen eine feste Größe in Deutschland, doch Starbucks war immer noch größer. Die Tewes entschieden sich, einen Investor aus Stuttgart auf­zunehmen. Sie eröffneten Geschäfte auf Autobahnraststätten. Das habe einen Wachstumsschub gegeben, sagt Stefan Tewes. Drei Jahre später überholte seine Firma Starbucks.

Dann machte das Paar den zweiten großen Fehler. 2019 übernahm es die Hamburger ­Marke Campus Suite, die warmes Essen verkauft. Pommes, Pasta, Suppen. Das Geschäft gilt als umsatzstärker als Kaffee, deshalb waren die Tewes interessiert. Doch dann folgte die ­Ernüchterung: „Die Rentabilität war viel niedriger. Man braucht mehr Personal, um warme Speisen anzubieten, und höheren Wareneinsatz“, sagt Stefan Tewes. Der Kaufpreis für Campus Suite sei zu hoch gewesen, das ärgere ihn. Mittlerweile wurden die meisten Läden zu Coffee-Fellows-Filialen umgemodelt. Die Lehre daraus: Konzentriere dich auf dein Kern­geschäft. Schuster, bleib bei deinem Leisten.

Abwarten, statt sofort bei ­jedem Hype mitzumachen

„Wir sind keine First Mover“, sagt Tewes im besten Management-Sprech, man mache also nicht jeden Trend mit. Das mag hier und da ­etwas träge wirken, die Einrichtung hat sich seit 1999 kaum verändert. Wenn’s doch funk­tioniert. Lange gab es in Coffee-Fellows-Läden noch ältere Kassen, die Tewes wollten erst mal warten, ob die neuen iPad-Systeme, die viele Gastronomen schon nutzten, auch wirklich funktionieren. Mittlerweile haben auch die ­Tewes umgestellt.

Sie halten auch an ihren kompostierbaren To-go-Bechern fest, dabei seien derzeit durchsichtige Plastikbecher angesagt, um zum Beispiel den grünen Matcha-Latte vorzeigen zu können. Das wüssten die Tewes von ihrer Tochter. Dem Trend folgt Coffee Fellows aber nicht. Die Tewes bleiben halt bodenständig. Gerade seien die Leute weniger umweltbewusst. Die Weltlage, sagen die Tewes, aber das werde schon wieder anders werden.

Mittlerweile gucken die Tewes ins Ausland, sie haben erste Filialen in den USA eröffnet. In Deutschland seien die guten Lagen besetzt. Da sei nicht mehr viel Wachstum drin, sagen die Tewes. Zudem ist das Ehepaar 2018 ins Hotelgeschäft mit eigenen Häusern eingestiegen.

Den Gegner beobachten und Ruhe bewahren

Währenddessen erhebt sich hierzulande ein mächtiger Mitbewerber. In Berlin-Mitte eröffnete 2023 ein Coffee-Shop mit blauer Markise, darauf steht Life Among People, kurz LAP. Menschen stehen Schlange, machen Selfies, man zeigt gern, dass man hier war. LAP wirbelt gerade den Markt durcheinander, in zwei ­Jahren wuchs die Kette auf 20 Filialen in ­Hamburg, München und Berlin. LAP zieht ­Investoren an, wächst rasant, ist laut in den ­sozialen Medien wie Instagram und Tiktok. Das Gegenteil von Coffee Fellows.

Die Tewes sind in Sorge. „Wenn die neben dir sind und verkaufen einen Espresso für 1,50, das merkste schon“, sagt Stefan Tewes. Denn das ist das Konzept von LAP: Der Kaffee ist günstig, das kann sich die Kette erlauben, weil die Filialen klein und viele Prozesse digitalisiert sind. Die Konkurrenz kann da nicht mithalten, wegen des teuren Personals und gestiegener Rohstoffpreise.

Und dass eine Kaffeehauskette gehypt wird, habe es so auch noch nicht gegeben. „Das ist so eine Art Community-Marke, ein ganz neues Konzept“, sagt Tewes. Wie steht es um Coffee Fellows auf Instagram? „Da machen wir jetzt auch viel“, beteuert Kathrin Tewes. Aber man sei eben dort nicht so laut, keine Social-Media-Stars. Das würde auch nicht passen.

Auf Vertrauen setzen und Rollen klar definieren

Vielleicht trägt auch ihre Beziehung dazu bei, dass Coffee Fellows erfolgreich wurde. Liebe kann das Geschäft beflügeln – und umgekehrt das Geschäft die Liebe, sagt der Paarberater Hans-Georg Lauer aus Köln.

Die Tewes trafen sich das erste Mal bei einem Fest für Hockeyspieler. Und verliebten sich. Tewes zeigt sein aktuelles Whatsapp-Profilbild: die beiden kurz nach der Hochzeit. Sie blickt freundlich in die Kamera, die Hände vor dem Mund, er trägt Sonnenbrille und schaut ver­wegen zur Seite. Er sei schon immer der Risikofreudigere gewesen, sagt Kathrin Tewes – sie hingegen eher die Vorsichtige. Natürlich habe es bei Entscheidungen mal Streit gegeben.

Ihre Lösung: eine klare Arbeitsteilung in der Geschäftsführung. Er verantwortet das operative Geschäft, sie kümmert sich um das Marketing, die Einrichtung und Nachhaltigkeits­projekte. Eine strikte Trennung bei den ­Auf­gaben. „Jeder vertraut dem anderen, dass er seine Sache gut macht“, sagt Kathrin Tewes. Als Unternehmerpaar bringe man eine be­sondere Loyalität und Stabilität mit. Das sei in einer klassischen Geschäftsführung vielleicht nicht in diesem Maße gegeben.

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