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„Knüpfe nicht deinen Selbstwert an das Projekt Nachfolge“
Georgia Zinsser-Krys scheiterte mit der Nachfolge beim Schwabacher Laborgerätehersteller Heidolph, dessen Geschichte bis ins Jahr 1720 zurückreicht. Sie nutzte die Niederlage, um sich als Mensch neu zu entdecken:
© Unternehmen
„Lange war Nachfolge für mich kein Thema. Doch 2018 habe ich mich auf einem Messebesuch mit meiner Mutter in unser Familienunternehmen verliebt. Die Produkte, von der Zellkulturplatte bis zum Verdampfer, können schließlich helfen, die Welt besser zu machen. Von da an war es mein Traum, die Firma weiterzuführen. Ich war erst Praktikantin, dann Werkstudentin, dann Trainee in allen Abteilungen. Dazu machte ich einen MBA, um mich auf die Geschäftsführungsaufgaben vorzubereiten. 2023 wurde ich Mitgesellschafterin.
Gut ein Jahr später platzte mein Traum. Ich kam gerade von einer Geschäftsreise aus China, da sagte mir meine Mutter: „Uns droht die Zahlungsunfähigkeit.“ Ich fühlte mich, als wäre ich vor eine Wand gelaufen. Und so unendlich machtlos! Ich war die Nachfolgerin – hatte aber noch keine einzige relevante Entscheidung getroffen. Und hatte so auch nichts an den Hauptgründen ändern können, die uns in die vorläufige Insolvenz führten.
Zum einen waren unsere Lagerbestände viel zu hoch – unter anderem, weil die Lieferketten während der Coronakrise unterbrochen waren und nach Ende der Pandemie einige Märkte, etwa in den USA, nicht anzogen wie erhofft. Zum anderen war in China der Absatz eingebrochen. Darüber hinaus waren wir von den Sanktionen infolge des russischen Angriffskriegs betroffen, sodass auch in Russland der Umsatz einbrach, von heute auf morgen. Außerdem ging es uns lange zu gut. Wir hatten Liquiditätsengpässe einfach nicht eingeplant und mit unserem – lange großen – finanziellen Puffer eher versucht, Kooperationspartner vor der Insolvenz zu retten, als uns selbst zu wappnen.
Die beste Lösung für die Firma? Der Verkauf
Nach dem Schock unterstützte ich den Mergers-and-Acquisitions-Prozess, der vom Insolvenzverwalter geführt wurde. Ich bereitete verschiedenste Daten für Kaufinteressenten vor, von denen es zum Glück viele gab. Zugleich ging ich ins Gespräch mit Investoren, die das Unternehmen mit mir an der Spitze weiterführen würden – auch von diesen gab es sogar mehrere. Doch bald wurde mir klar: Die Firma weiterzuführen, wäre zwar die ideale Lösung für mich, eine Übergabe aufgrund der guten Angebote jedoch das Beste für die Firma. Also wurde das Familienunternehmen im vergangenen September an eine kanadische Unternehmensgruppe übergeben – und ich rutschte in die Arbeitslosigkeit.
Ich wusste nicht mehr, wer ich war. Was ich wollte. Und wie ich 24 Stunden füllen sollte. Tagelang lag ich herum und ging nur raus, um mal an einem anderen Ort zu heulen als auf meinem Sofa.
Inzwischen habe ich mich berappelt, ein Coaching und eine Weiterbildung in agilem Projektmanagement gemacht. Ich will meine Erfahrungen in Workshops weitergeben – und vielleicht irgendwann doch eine Nachfolge antreten: In der schlimmsten Zeit hat es mich getröstet, mich durch Unternehmensbörsen zu klicken. Nachfolge ist aber nicht mehr der einzige Weg für mich; ich erkenne auch neue Möglichkeiten – dafür bin ich dankbar. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, in die Unternehmensberatung zu gehen oder Projektmanagement zu machen – hier würden mir die Erfahrungen aus der Zeit in unserem Familienunternehmen und auch aus der gescheiterten Nachfolge sicher nützen.
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