In den USA zeigt sich, wohin die Reise geht: Shoppen direkt im KI-Chat. Mal ist von Instant Checkout die Rede, mal von Merchants oder KI-Shopping. Gemeint ist: Produkte direkt in ChatGPT ohne Umweg über einen Shop kaufen. Google zieht mit einem eigenen KI-Einkaufsmodus nach. Für kleine Unternehmen heißt das: Sie müssen künftig nicht nur in Suchmaschinen, sondern auch in KI-Chats sichtbar sein.
impulse: Daniel, einkaufen per ChatGPT. Was heißt das genau?
Daniel Höhnke: Du schreibst zum Beispiel: „Ich gehe auf eine Hochzeit und will ein blaues Kleid tragen. Welche Schuhe passen dazu?“ ChatGPT schlägt Produkte vor, du wählst Größe und Farbe, siehst Versandzeit und Preis und bist mit einem Klick fertig. Es ist kein Wechsel in den Shop nötig. Im Hintergrund landet die Bestellung wie gewohnt im Shop-System des Händlers. Bestellung, Versand und Support laufen ganz normal. In den USA ist ChatGPT-Shopping mit Etsy gestartet, Shopify folgt. In Europa dürfte das auch in den nächsten Monaten ausgerollt werden. Google baut parallel an einem ähnlichen KI-Einkaufsmodus.
Ist das Thema für deutsche Unternehmen jetzt schon relevant oder können sie abwarten?
Abwarten wäre unklug. KI-Chatbots verändern die Customer Journey schon jetzt massiv. Also wie potenzielle Kunden sich im Internet bewegen, wie sie recherchieren und wie sie kaufen. Viele Menschen suchen heute schon Produkte über ChatGPT. Laut einer Studie nutzten 2024 rund 33 Prozent der Deutschen ChatGPT für Produktempfehlungen. Das ist seitdem sicher nicht weniger geworden.
Und: Es betrifft nicht nur Online-Shops. Auch Gastronomie, Bäckereien oder Handwerksbetriebe tauchen immer mehr in Chat-Anfragen auf. Etwa, wenn jemand fragt: „Wo gibt’s das beste Franzbrötchen in Hamburg?“ In Zukunft wird ein ganzes Ökosystem entstehen, sodass ich beispielsweise über ChatGPT auch meine Hotelbuchung auf booking.com abschließen kann.
Da kommt ja einiges auf uns zu. Aber bis es soweit ist: Für welche Produkte eignet sich ChatGPT-Shopping im ersten Schritt?
Am besten funktioniert es bei Artikeln, die man direkt verschicken kann: Kleidung, Kosmetik, Deko, Elektronikzubehör, Werkzeuge. Aber auch einfache personalisierte Produkte, wie man sie von Etsy kennt. Komplexe Projektgeschäfte, etwa im Terrassenbau, bleiben erst einmal außen vor. Dafür braucht es zu viele individuelle Abstimmungen. Aber selbst da kann der Chat ein Lead-Kanal sein: Er bringt interessierte Kundinnen und Kunden zum passenden Anbieter.
Und im B2B-Bereich?
B2B-Händler können sich im Prinzip auf dieselben Veränderungen einstellen. Denn auch gewerbliche Einkäufer informieren sich heute genauso wie sie es privat auch tun. Doch viele B2B-Firmen haben einen deutlich größeren Nachholbedarf. Oft steckt das Produktwissen in den Köpfen einzelner Vertriebsmitarbeitender. Wenn dieses Wissen nicht strukturiert im Online-Shop hinterlegt ist – etwa, welche Dichtung zu welchem Ventil passt -, bleibt man für KI-Systeme unsichtbar.
Was kann ich als Unternehmerin oder Unternehmer sofort tun?
Fang mit den Grundlagen an. Jedes Produkt im Online-Shop braucht klar strukturierte Daten: Titel, Varianten, Maße, Endpreis, Lieferzeit und kurze Infos zu Versand und Rückgabe. Mach dann den Sichtbarkeitstest: Frag ChatGPT oder den Google-KI-Modus, wer die besten Anbieter für deine Produktkategorie in deiner Region sind. Tauchst du nicht auf, fehlen wahrscheinlich wichtige Infos in deinem Online-Shop.
Sollte ich also möglichst viele Infos hinterlegen?
Grundsätzlich lieber zu viele Infos als zu wenige. Neben den strukturierten Daten zu Größe, Preis und Farbe ist ein Mini-FAQ sinnvoll. Das bringt Kontextinformationen: Wofür eignet sich das Produkt? Womit ist es kompatibel? Wie pflege oder verwende ich es? Genau solche Infos helfen KIs beim Einordnen. Steht beim Wasserfilter „passt zu Modell XY“ oder bei Schuhen „geeignet für feierliche Anlässe wie Hochzeiten“, tauchst du deutlich öfter in den Vorschlägen auf.
Welche Rolle spielen Produktbewertungen?
Eine sehr große. Bewertungen waren schon immer wichtig, werden jetzt aber zum Rankingfaktor. Systeme wie ChatGPT oder Google werten aus, wie viele aussagekräftige, strukturierte Rezensionen ein Produkt hat. Wer wenige Bewertungen auf seiner Seite hat, sollte von Kunden gezielt Online-Bewertungen einholen.
Und was ist mit Datenschutz und Kundendaten?
Bestellungen laufen wie gewohnt über den eigenen Shop – etwa Shopify oder Etsy. OpenAI erhält nur Zugriff auf Produktkataloge über eine Schnittstelle. Noch unklar ist, wer in der EU als Vertragspartner gilt und welche AGB oder Datenschutzbestimmungen greifen. Das ist einer der Gründe, warum der EU-Start noch etwas auf sich warten lässt.
Müssen Händler mit zusätzlichen Kosten rechnen und kann man entscheiden, ob man mitmachen will?
Für Europa gibt es noch keine offiziellen Details. OpenAI spricht derzeit nur von einer „kleinen Gebühr“. Ich gehe stark davon aus, dass die Kosten je nach Branche oder Art des Sortiments unterschiedlich ausfallen werden. Nach heutigem Stand spricht vieles dafür, dass die Teilnahme freiwillig ist und Händler steuern können, ob und wo ihre Produkte erscheinen.
Viele Unternehmerinnen und Unternehmer fühlen sich beim Thema Daten schnell überfordert. Was rätst du?
Schritt für Schritt. Fang mit den Bestsellern an und arbeite dich vor. Produktdaten zu pflegen ist keine einmalige Aktion, sondern ein Dauerprojekt. Nimm dir zehn Artikel, die gut laufen, wenig Retouren haben und zuverlässig lieferbar sind. Das ist deine Basis. Es klingt erst einmal nach einem Haufen Arbeit. Aber vieles hätte man ohnehin tun sollen – nur wird es jetzt geschäftskritisch.
Irgendwann in der Zukunft alles nachzupflegen, wäre super aufwändig. Also am besten direkt loslegen. Gerade jetzt liegt darin auch eine große Chance: Die Konzerne springen sofort. Aber Deutschland lebt vom Mittelstand. Wer hier früh anfängt, hat einen echten Vorsprung. Besonders spannend ist das, wenn du Nischenprodukte anbietest und nicht die tausendste Variante eines bestimmten Sportschuhs.
Daniel Höhnke ist E-Commerce-Experte und Mitgründer des Podcasts E-Commerce Dudes. Er berät Unternehmen bei Digitalstrategien, datengetriebenem Marketing und dabei, ihre Vertriebs- und Shopstrukturen fit für die Zukunft zu machen.
