Ausfallmanagement
Plötzlich alle krank? So wappnen Sie sich gegen akute Personalnot

Corona, Grippewelle und die Personaldecke ist ohnehin dünn? Massenhafte Ausfälle im Team sind ein Albtraum für Unternehmen. So bereiten Sie sich bestmöglich auf den Notfall vor.

, von

Kommentieren
Ausfallmanagement
© jayk7 / Moment / Getty images

Was tun, wenn ein Großteil der Mitarbeiter plötzlich ausfällt – sei es durch Corona, die Grippe oder das Norovirus? Im schlimmsten Fall können Unternehmen dann nicht weiter produzieren oder ihre Dienstleistungen anbieten. Mit den folgenden vier Schritten wappnen Sie sich im Vorfeld für eine solche Notlage, um den Betrieb am Laufen zu halten.

Schritt 1: Kritische Prozesse identifizieren

„Zunächst müssen Sie die Geschäftsprozesse, Ressourcen und Mitarbeiter ausfindig machen, auf die Sie zwingend angewiesen sind“, erklärt Matthias Hämmerle, Unternehmensberater und Experte für „Business Continuity Management“. Hämmerle empfiehlt, sich dafür ein Organigramm oder ein Prozessmodell zur Hand zu nehmen, alles durchzugehen und zu prüfen, was auch im Notfall weiterlaufen muss. Gibt es zum Beispiel bestimmte Verträge mit Kunden, die unbedingt erfüllt werden müssen?

„Natürlich wird dem Inhaber eines Industriebetriebs klar sein, dass er in der Produktion Mitarbeiter braucht, sonst kann er ja nicht produzieren“, so Hämmerle. Doch die vor- oder nachgelagerten Prozesse würden häufig vergessen. Etwa die Mitarbeiter im Rechnungswesen, die sich um den Zahlungsverkehr kümmern – dabei ist Liquidität in einer Krisensituation entscheidend. Oder die Versandabteilung: Schließlich nützt es nichts, wenn die Produktion zwar gewährleistet ist, die fertigen Produkte aber nicht zu den Kunden gelangen.

Gleichzeitig sollten Sie sich fragen: Auf welche Prozesse kann ich im Notfall verzichten? Als Beispiel nennt Berater Hämmerle Personalentwicklung oder Akquise, das könne man bis zum Normalbetrieb aussetzen.

Der Experte
Matthias Hämmerle ist Experte für Business Continuity und Informationssicherheitsmanagement. Als Berater und Krisenmanager hilft er Unternehmen, sich auf Ausnahmesituationen und Notfälle vorzubereiten. Zu seinen Kunden zählen vor allem Finanzdienstleister und Industrieunternehmen.

Schritt 2: Optionen prüfen und Strategien entwickeln

Nun prüfen Sie, welche Optionen Sie bei einem Personalausfall in einem kritischen Prozess haben. Ein Beispiel: Sie wollen, dass die Lohn- und Gehaltszahlungen in Ihrem Unternehmen auch im Notfall abgewickelt werden. Welche Kenntnisse, Zugriffsrechte und Kompetenzen sind dafür nötig? Und: Wie viele Mitarbeiter haben Sie, die das aktuell können?

„Was wir im Business Continuity Management besonders fürchten und leider in kleinen und mittelständischen Unternehmen häufig antreffen, ist ein Kopfmonopol“, erklärt Hämmerle. Das liegt etwa vor, wenn es nur eine einzige Mitarbeiterin gibt, die immer die Gehaltsabrechnung macht. Womöglich nimmt sie sogar nur so Urlaub, dass es in den Gehaltslauf passt. Fällt diese Mitarbeiterin plötzlich aus, hat das Unternehmen ein Problem.

Wie sollten sich Entscheiderinnen und Entscheider im Unternehmen auf diesen Notfall vorbereiten? „Die Konzeptionsphase ist ein kreativer Prozess“, so der Berater. „Schauen Sie über den Tellerrand und ziehen Sie auch unkonventionelle Lösungen in Betracht.“ Ein Überblick über mögliche Optionen:

Eine Stellvertretung festlegen und anlernen

Eine naheliegende Lösung, die aber in vielen Firmen noch nicht für alle kritischen Prozesse umgesetzt ist.

Eine Dokumentation erstellen lassen

In dem skizzierten Beispiel würden Sie die Mitarbeiterin bitten, den Vorgang der Lohn- und Gehaltszahlungen so detailliert aufzuschreiben, dass im Notfall andere Mitarbeiter einspringen können.

Den Prozess outsourcen

Sie können das Risiko auch verlagern und für die Lohn- und Gehaltszahlungen einen externen Dienstleister beauftragen. Das wäre eine Option, wenn die Mitarbeiterin ohnehin kurz vor der Rente steht.

Synergien nutzen

„Im Mittelstand gibt es öfter Tochter- oder Partnerunternehmen“, so Berater Hämmerle. Prüfen Sie, ob Sie die Lohn- und Gehaltszahlungen im Notfall an jemanden aus der Tochtergesellschaft übertragen können.

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
Machen ist wie wollen, nur krasser
Die impulse-Mitgliedschaft - Rückenwind für Unternehmerinnen und Unternehmer

Über Kooperationen nachdenken

Gibt es einen Mitbewerber, der womöglich in einer ähnlichen Lage ist wie Sie? Könnten Sie sich in Krisensituationen gegenseitig helfen? Auch diese Option sollten Sie prüfen. „Viele tun sich damit schwer und müssen innere Barrieren überwinden“, sagt Hämmerle. „Doch oft geht da viel mehr, als man für möglich hält.“ Er erinnert sich beispielsweise an eine Sparkasse, die nach einer Lösung suchte für den Fall, dass ihr Gebäude nicht mehr nutzbar sein sollte. Man ging auf den Konkurrenten, die örtliche Volksbank, zu – und verständigte sich darauf, dem anderen im Notfall Räume zur Verfügung zu stellen.

Aufgabenprofile erweitern und mit Personalagenturen arbeiten

Zur Verstärkung können Sie auch zusätzliche Mitarbeiter über eine Personalagentur buchen. „Für Spezialistenrollen ist das natürlich schwierig“, sagt der Berater. Fragen Sie sich daher: Habe ich intern jemanden, der diese Spezialistenrolle übernehmen könnte? Womöglich gibt es eine langjährige Mitarbeiterin in der Produktion, die sich mithilfe einer Anleitung relativ schnell in die Wartung einer Maschine einarbeiten könnte. Ihre Tätigkeit am Fließband könnte in dieser Zeit jemand aus einer Personalagentur übernehmen.

Rentner und Pensionäre einbinden

Bei dieser Option sollten Sie vor allem an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter denken, die erst seit kurzem im Ruhestand sind und die Abläufe noch gut kennen. Eine Möglichkeit ist, Rentner und Pensionäre auf Basis eines Beratervertrags zu reaktivieren. Wichtig: Klären Sie solche Maßnahmen vorab arbeitsrechtlich und binden Sie – wenn vorhanden – den Betriebs- oder Personalrat ein.

Teilzeitkräfte ansprechen

Um einen akuten Personalengpass abzufedern, können Sie auch Teilzeitkräfte fragen, ob sie kurzfristig ihre Stundenzahlen erhöhen können. Wichtig: Sie dürfen einer Mitarbeiterin, die laut Arbeitsvertrag 20 Stunden arbeiten muss, nicht einfach 40 Stunden zuweisen, das ist nicht vom Weisungsrecht gedeckt.

Lesen Sie dazu auch: Weisungsrecht: Müssen Arbeitnehmer jede Anweisung befolgen?

Auszubildende einbinden

Auszubildende durchlaufen oft das ganze Unternehmen, bekommen einen guten Überblick und kennen viele Prozesse und Abläufe. Vielleicht war der Auszubildende, der gerade im Marketing arbeitet, in seiner vorherigen Station in der Personalabteilung? Hat der Kollegin beim Überweisen der Löhne und Gehälter über die Schulter geschaut und kann nun einspringen?

Hämmerle betont: „Es gibt nicht die eine Maßnahme, die das Unternehmen rettet, die Summe der Maßnahmen sorgt dafür, dass Sie arbeitsfähig bleiben.“

Schritt 3: Notfallpläne erstellen

Zum Schluss erstellen Sie für alle kritischen Prozesse konkrete Notfallpläne in Form von Checklisten. Für unser Beispiel der Lohn- und Gehaltszahlungen wären dabei folgende Fragen zu beantworten:

  • Wie genau läuft der Prozess ab?
  • Wen muss ich wann informieren?
  • Wer kann die Aufgabe übernehmen (mit Kontaktdaten)?
  • Haben alle Beteiligten die Zugriffsberechtigung für das System?
  • Haben alle Beteiligten die entsprechenden Kompetenzen oder brauche ich noch jemanden, der eine zweite Unterschrift leistet?

Schritt 4: Testen und üben

Dieser letzte Schritt wird laut Hämmerle gern übersprungen. Doch er empfiehlt, auf Grundlage der Checklisten einmal eine Trockenübung zu machen und zu prüfen, ob alles wie geplant funktioniert oder ob es Schwachstellen im Notfallkonzept gibt.

In eigener Sache
Heben Sie sich bereits von Ihrer Konkurrenz ab?
Online-Workshop für Unternehmer
Heben Sie sich bereits von Ihrer Konkurrenz ab?
Im Online Workshop "Zukunft sichern: So entwickeln Sie Ihr Geschäftsmodell weiter" gehen Sie dieses Ziel an.
Was tun, wenn ein Großteil der Mitarbeiter plötzlich ausfällt – sei es durch Corona, die Grippe oder das Norovirus? Im schlimmsten Fall können Unternehmen dann nicht weiter produzieren oder ihre Dienstleistungen anbieten. Mit den folgenden vier Schritten wappnen Sie sich im Vorfeld für eine solche Notlage, um den Betrieb am Laufen zu halten. Schritt 1: Kritische Prozesse identifizieren „Zunächst müssen Sie die Geschäftsprozesse, Ressourcen und Mitarbeiter ausfindig machen, auf die Sie zwingend angewiesen sind“, erklärt Matthias Hämmerle, Unternehmensberater und Experte für „Business Continuity Management“. Hämmerle empfiehlt, sich dafür ein Organigramm oder ein Prozessmodell zur Hand zu nehmen, alles durchzugehen und zu prüfen, was auch im Notfall weiterlaufen muss. Gibt es zum Beispiel bestimmte Verträge mit Kunden, die unbedingt erfüllt werden müssen? „Natürlich wird dem Inhaber eines Industriebetriebs klar sein, dass er in der Produktion Mitarbeiter braucht, sonst kann er ja nicht produzieren“, so Hämmerle. Doch die vor- oder nachgelagerten Prozesse würden häufig vergessen. Etwa die Mitarbeiter im Rechnungswesen, die sich um den Zahlungsverkehr kümmern – dabei ist Liquidität in einer Krisensituation entscheidend. Oder die Versandabteilung: Schließlich nützt es nichts, wenn die Produktion zwar gewährleistet ist, die fertigen Produkte aber nicht zu den Kunden gelangen. Gleichzeitig sollten Sie sich fragen: Auf welche Prozesse kann ich im Notfall verzichten? Als Beispiel nennt Berater Hämmerle Personalentwicklung oder Akquise, das könne man bis zum Normalbetrieb aussetzen. [zur-person] Schritt 2: Optionen prüfen und Strategien entwickeln Nun prüfen Sie, welche Optionen Sie bei einem Personalausfall in einem kritischen Prozess haben. Ein Beispiel: Sie wollen, dass die Lohn- und Gehaltszahlungen in Ihrem Unternehmen auch im Notfall abgewickelt werden. Welche Kenntnisse, Zugriffsrechte und Kompetenzen sind dafür nötig? Und: Wie viele Mitarbeiter haben Sie, die das aktuell können? „Was wir im Business Continuity Management besonders fürchten und leider in kleinen und mittelständischen Unternehmen häufig antreffen, ist ein Kopfmonopol“, erklärt Hämmerle. Das liegt etwa vor, wenn es nur eine einzige Mitarbeiterin gibt, die immer die Gehaltsabrechnung macht. Womöglich nimmt sie sogar nur so Urlaub, dass es in den Gehaltslauf passt. Fällt diese Mitarbeiterin plötzlich aus, hat das Unternehmen ein Problem. Wie sollten sich Entscheiderinnen und Entscheider im Unternehmen auf diesen Notfall vorbereiten? „Die Konzeptionsphase ist ein kreativer Prozess“, so der Berater. „Schauen Sie über den Tellerrand und ziehen Sie auch unkonventionelle Lösungen in Betracht.“ Ein Überblick über mögliche Optionen: Eine Stellvertretung festlegen und anlernen Eine naheliegende Lösung, die aber in vielen Firmen noch nicht für alle kritischen Prozesse umgesetzt ist. Eine Dokumentation erstellen lassen In dem skizzierten Beispiel würden Sie die Mitarbeiterin bitten, den Vorgang der Lohn- und Gehaltszahlungen so detailliert aufzuschreiben, dass im Notfall andere Mitarbeiter einspringen können. Den Prozess outsourcen Sie können das Risiko auch verlagern und für die Lohn- und Gehaltszahlungen einen externen Dienstleister beauftragen. Das wäre eine Option, wenn die Mitarbeiterin ohnehin kurz vor der Rente steht. Synergien nutzen „Im Mittelstand gibt es öfter Tochter- oder Partnerunternehmen“, so Berater Hämmerle. Prüfen Sie, ob Sie die Lohn- und Gehaltszahlungen im Notfall an jemanden aus der Tochtergesellschaft übertragen können. Über Kooperationen nachdenken Gibt es einen Mitbewerber, der womöglich in einer ähnlichen Lage ist wie Sie? Könnten Sie sich in Krisensituationen gegenseitig helfen? Auch diese Option sollten Sie prüfen. „Viele tun sich damit schwer und müssen innere Barrieren überwinden“, sagt Hämmerle. „Doch oft geht da viel mehr, als man für möglich hält.“ Er erinnert sich beispielsweise an eine Sparkasse, die nach einer Lösung suchte für den Fall, dass ihr Gebäude nicht mehr nutzbar sein sollte. Man ging auf den Konkurrenten, die örtliche Volksbank, zu – und verständigte sich darauf, dem anderen im Notfall Räume zur Verfügung zu stellen. Aufgabenprofile erweitern und mit Personalagenturen arbeiten Zur Verstärkung können Sie auch zusätzliche Mitarbeiter über eine Personalagentur buchen. „Für Spezialistenrollen ist das natürlich schwierig“, sagt der Berater. Fragen Sie sich daher: Habe ich intern jemanden, der diese Spezialistenrolle übernehmen könnte? Womöglich gibt es eine langjährige Mitarbeiterin in der Produktion, die sich mithilfe einer Anleitung relativ schnell in die Wartung einer Maschine einarbeiten könnte. Ihre Tätigkeit am Fließband könnte in dieser Zeit jemand aus einer Personalagentur übernehmen. [mehr-zum-thema] Rentner und Pensionäre einbinden Bei dieser Option sollten Sie vor allem an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter denken, die erst seit kurzem im Ruhestand sind und die Abläufe noch gut kennen. Eine Möglichkeit ist, Rentner und Pensionäre auf Basis eines Beratervertrags zu reaktivieren. Wichtig: Klären Sie solche Maßnahmen vorab arbeitsrechtlich und binden Sie – wenn vorhanden – den Betriebs- oder Personalrat ein. Teilzeitkräfte ansprechen Um einen akuten Personalengpass abzufedern, können Sie auch Teilzeitkräfte fragen, ob sie kurzfristig ihre Stundenzahlen erhöhen können. Wichtig: Sie dürfen einer Mitarbeiterin, die laut Arbeitsvertrag 20 Stunden arbeiten muss, nicht einfach 40 Stunden zuweisen, das ist nicht vom Weisungsrecht gedeckt. Lesen Sie dazu auch: Weisungsrecht: Müssen Arbeitnehmer jede Anweisung befolgen? Auszubildende einbinden Auszubildende durchlaufen oft das ganze Unternehmen, bekommen einen guten Überblick und kennen viele Prozesse und Abläufe. Vielleicht war der Auszubildende, der gerade im Marketing arbeitet, in seiner vorherigen Station in der Personalabteilung? Hat der Kollegin beim Überweisen der Löhne und Gehälter über die Schulter geschaut und kann nun einspringen? Hämmerle betont: „Es gibt nicht die eine Maßnahme, die das Unternehmen rettet, die Summe der Maßnahmen sorgt dafür, dass Sie arbeitsfähig bleiben.“ Schritt 3: Notfallpläne erstellen Zum Schluss erstellen Sie für alle kritischen Prozesse konkrete Notfallpläne in Form von Checklisten. Für unser Beispiel der Lohn- und Gehaltszahlungen wären dabei folgende Fragen zu beantworten: Wie genau läuft der Prozess ab? Wen muss ich wann informieren? Wer kann die Aufgabe übernehmen (mit Kontaktdaten)? Haben alle Beteiligten die Zugriffsberechtigung für das System? Haben alle Beteiligten die entsprechenden Kompetenzen oder brauche ich noch jemanden, der eine zweite Unterschrift leistet? Schritt 4: Testen und üben Dieser letzte Schritt wird laut Hämmerle gern übersprungen. Doch er empfiehlt, auf Grundlage der Checklisten einmal eine Trockenübung zu machen und zu prüfen, ob alles wie geplant funktioniert oder ob es Schwachstellen im Notfallkonzept gibt.
Mehr lesen über