Inhalt: Darum geht's in diesem Beitrag
- Wie kann eine Kündigung wegen Alkohol am Arbeitsplatz aussehen?
- Wann ist bei Alkohol am Arbeitsplatz eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich?
- Ist ein Alkoholtest am Arbeitsplatz zulässig?
- Wann ist bei Alkohol am Arbeitsplatz eine Kündigung auf Verdacht möglich?
- So sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber reagieren, wenn Mitarbeiter alkoholisiert wirken
- Ist eine Kündigung möglich, wenn sich jemand bei der Betriebsfeier betrinkt und danebenbenimmt?
Wenn Arbeitgeber wegen Alkohol am Arbeitsplatz eine Kündigung aussprechen wollen, geschieht das häufig, um der eigenen Fürsorgepflicht gerecht zu werden. „Denn wenn etwa jemand berauscht eine Maschine in der Produktionshalle bedient, dann müssen Arbeitgeber handeln. Eine Kündigung aber ist nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig“, erklärt Michael Fuhlrott, Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Was Arbeitgeber dazu wissen sollten – ein Überblick.
Wie kann eine Kündigung wegen Alkohol am Arbeitsplatz aussehen?
Für jede Kündigung brauchen Arbeitgeber einen Grund. Möglich ist bei Alkohol am Arbeitsplatz eine Kündigung aus verhaltensbedingten oder personenbedingten Gründen. „Welcher genau vorliegt, hängt von der Frage ab: ‚Kann der Arbeitsnehmer seinen Alkoholkonsum grundsätzlich steuern?‘“, erklärt Fuhlrott. Laute die Antwort ja, sei eine verhaltensbedingte Kündigung möglich.
Etwa, wenn sich ein Teammitglied abends bei einer Party unter Freunden betrinkt und morgens restalkoholisiert am Arbeitsplatz erscheint. „Arbeitnehmer sind dazu verpflichtet, ihre Normalleistung zu erbringen. Tun sie das nicht, weil sie berauscht sind, können Arbeitgeber solches Verhalten arbeitsrechtlich sanktionieren“, sagt Fuhlrott.
Das erste Mittel der Wahl sei eine Abmahnung. „Wenn sich der Vorgang wiederholt, der Arbeitnehmer sein Verhalten also nicht ändert, ist eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung möglich“, so der Arbeitsrechtler.
Anders liegt der Fall, wenn der Arbeitnehmer alkoholsüchtig ist und dies dem Arbeitgeber gegenüber offenlegt. Dann ist dem Experten zufolge eine verhaltensbedingte Kündigung nicht möglich. Denn der Beschäftigte kann seinen Alkoholkonsum nicht willentlich steuern und damit sein Verhalten nicht ohne Weiteres ändern. „Denkbar wäre dann eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit. Allerdings liegen die Hürden dafür hoch“, erklärt Fuhlrott.
Beispielsweise müssten Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen Beschäftigten zuvor die Möglichkeit einräumen, eine Entziehungskur zu machen und so die Krankheit in den Griff zu bekommen. „Es gilt das Ultima-Ratio-Prinzip: Die Kündigung muss das letzte Mittel sein, um den Konflikt zu lösen“, so Fuhlrott.
Außerdem gelte wie bei jeder Kündigung wegen Krankheit: Zulässig ist diese nur dann, wenn die Krankheit die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers negativ beeinflusst. Ist jemand beispielsweise als Pförtner tätig und erledigt seinen Job trotz Alkoholsucht normal, reicht die Abhängigkeit an sich Fuhlrott zufolge nicht aus, um ihm zu kündigen.
Ist die Arbeitsleistung beeinträchtigt, braucht es für eine personenbedingte Kündigung zusätzlich eine sogenannte negative Prognose: Es muss klar sein, dass sich die Alkoholabhängigkeit in Zukunft wahrscheinlich nicht bessern wird. „Kommt es zu einem Kündigungsschutzprozess, müssen Arbeitgeber diese negative Prognose vor Gericht belegen können“, sagt Arbeitsrechtler Fuhlrott.
Wann ist bei Alkohol am Arbeitsplatz eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich?
Angenommen, eine Angestellte eines Busunternehmens bemerkt bei ihrer Kollegin eine Alkoholfahne. Sie spricht diese darauf an – kann aber nicht verhindern, dass sich die Kollegin hinter das Steuer des Schulbusses setzt. Sie informiert die Polizei, die den Bus stoppt. Der Chef erfährt von dem Vorfall. „In so einem Fall können Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen eine fristlose Kündigung aussprechen. Denn die Arbeitnehmerin gefährdet mit ihrem Verhalten Dritte“, sagt Fuhlrott.
Eine Abmahnung sei dann nicht nötig. „Dies gilt insbesondere aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung, die vorliegend auch in den Bereich strafrechtlichen Handelns ausstrahlt“, sagt Fuhlrott.
Ist ein Alkoholtest am Arbeitsplatz zulässig?
Angenommen, eine Arbeitgeberin bemerkt, dass ein Mitarbeiter in der Produktion sich regelmäßig merkwürdig verhält und verwaschen spricht. Sie tippt darauf, dass er betrunken ist, obwohl es ein Verbot für Alkohol am Arbeitsplatz gibt – ein Beweis aber fehlt. Da der Angestellte keine schweren Maschinen bedient, also niemanden gefährdet, ist eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung ausgeschlossen. „Auch eine Abmahnung allein aufgrund einer Unterstellung von Alkohol am Arbeitsplatz ist unzulässig“, sagt Fuhlrott. „Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, wird die Arbeitgeberin nachweisen müssen, das Alkohol im Spiel wahr. Im Zweifel hört das Gericht Zeugen an und trifft auf Grundlage von deren Schilderungen eine Entscheidung“.
Weil die Arbeitgeberin um dieses Prozessrisiko weiß, überlegt sie, einen allgemeinen Alkoholtest am Arbeitsplatz anzuordnen – im ganzen Team. Um niemanden zu diskriminieren und trotzdem bei dem Angestellten den Konsum von Alkohol am Arbeitsplatz nachweisen zu können. „So etwas ist keine zulässige Option“, sagt Fuhlrott. „Denn solche allgemeinen Tests beeinträchtigen das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer unangemessen.“
Wann ist bei Alkohol am Arbeitsplatz eine Kündigung auf Verdacht möglich?
Grundsätzlich müssen Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen aber nicht bei jedem Verdacht auf Alkohol am Arbeitsplatz einen Beweis vorlegen können, um eine Kündigung auszusprechen. „Gehen sie davon aus, dass jemand alkoholisiert arbeitet und dabei möglicherweise Dritte gefährdet, ist eine Verdachtskündigung eine Option“, erklärt Fuhlrott. Dafür müssten allerdings wieder einige Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Der Verdacht muss schwerwiegend sein. Und zwar so sehr, dass er, sollte er sich als wahr erweisen, eine fristlose Kündigung begründen würde.
2. Arbeitgeber oder Arbeitgeberinnen müssen objektive Anhaltspunkte haben, die den Verdacht bekräftigen. Jemand hat einen schwankenden Gang, lallt oder riecht nach Alkohol – das können solche Indizien darstellen. Das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, reicht dagegen nicht. Ebensowenig wie aufgeschnappte Bemerkungen aus dem Flurfunk.
3. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen müssen das Teammitglied auf ihren Verdacht angesprochen haben, um ihn auszuräumen – oder zu erhärten.
So sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber reagieren, wenn Mitarbeiter alkoholisiert wirken
Experte Fuhlrott rät Chefs und Chefinnen, Beschäftigte direkt anzusprechen, wenn diese angetrunken scheinen. „Beschreiben Sie, was Sie wahrnehmen – eine verwaschene Sprache etwa, einen unsicheren Gang, ein verändertes Wesen. Dann könnten Sie die Person fragen, ob sie bereit wäre, einen Alkoholtest zu machen. Aber natürlich streiten die allermeisten Beschäftigten in so einer Situation ab, etwas getrunken zu haben“, so Fuhlrott.
Könnten alkoholisierte Mitarbeiter Dritte gefährden, sind Arbeitgeber dem Arbeitsrechtler zufolge verpflichtet, sie nach Hause zu schicken. Im Nachgang empfiehlt sich ein strukturiertes Interventionsgespräch.
Zudem empfiehlt Fuhlrott, den Vorfall genau zu dokumentieren – um im Fall einer Kündigung den Konsum von Alkohol am Arbeitsplatz nachweisen zu können.
Ist eine Kündigung möglich, wenn sich jemand bei der Betriebsfeier betrinkt und danebenbenimmt?
In aller Regel sind Beschäftigte nicht dazu verpflichtet, an Weihnachtsfeiern und Sommerfesten teilzunehmen. Daher gelten diese nicht als Arbeitszeit, sondern als Freizeit. „Und in ihrer Freizeit dürfen Beschäftigte so viel trinken, wie sie wollen – selbst wenn die Feier in der Firma stattfindet und dort während der Arbeitszeit ein absolutes Alkoholverbot gilt, das für die Feier aufgehoben worden ist“, so Fuhlrott. Entsprechend sei eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung allein wegen des Alkoholkonsums auf dem Betriebsfest nicht möglich.
Anders liegt der Fall, sollte sich ein Teammitglied betrinken und anschließend sogenannte „Fehlleistungen“ begehen. „Wenn etwa jemand nach dem sechsten Glas Wein seinen Vorgesetzten beschimpft, einen Kollegen beleidigt, sich rassistisch äußert oder gegenüber der Kollegin sexistische Kommentare macht oder diese sogar ungefragt anfasst, können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das sanktionieren. Mit einer Abmahnung oder einer Kündigung – je nach Art und Schwere der Fehlleistung“, erklärt Fuhlrott.
Da das Thema Alkohol am Arbeitsplatz und Kündigung so komplex ist, empfiehlt es sich, vorab eine Rechtsberatung einzuholen – um einen Kündigungsschutzprozess zu vermeiden.
Prof. Dr. Michael Fuhlrott berät als Fachanwalt für Arbeitsrecht mit eigener Kanzlei in Hamburg Unternehmerinnen und Unternehmer. Darüber hinaus ist er als Prüfer für das zweite juristische Staatexamen im Fach Arbeitsrecht tätig.
