Inhalt: Darum geht's in diesem Beitrag
- Was ist soziale Ausgrenzung am Arbeitsplatz?
- Wie unterscheidet sich Ausgrenzung am Arbeitsplatz von Mobbing?
- Was sind Gründe für Ausgrenzung am Arbeitsplatz?
- Was sind Beispiele für Ausgrenzung am Arbeitsplatz?
- Was sind Folgen von Ausgrenzung am Arbeitsplatz?
- Wie können Führungskräfte gegen Ausgrenzung am Arbeitsplatz vorgehen?
- Was, wenn die Führungskraft selbst ausgrenzt?
Was ist soziale Ausgrenzung am Arbeitsplatz?
Ausgrenzung bedeutet, dass sich eine Person nicht zugehörig fühlt, weil eine Gruppe ihr dieses Gefühl durch Gesten, Äußerungen oder Verhaltensweisen vermittelt. Am Arbeitsplatz geschieht dies, indem eine Person systematisch von sozialen Interaktionen ausgeschlossen wird. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grenzen jemanden zum Beispiel aus, indem sie ihm abwertende Blicke zuwerfen, ihn nicht zu Besprechungen einladen oder ihm die Hilfe verweigern.
Wie unterscheidet sich Ausgrenzung am Arbeitsplatz von Mobbing?
Die Übergänge von Mobbing und Abgrenzung sind fließend. Im Extremfall handelt es sich bei Ausgrenzung um Mobbing. Dieses beinhaltet die Absicht, eine Person zu schädigen, geschieht also bewusst. Ausgrenzung dagegen passiert nicht immer absichtlich, es kann auch unbeabsichtigt sein. Beispielsweise, wenn das Team neue Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter nicht ausreichend integriert.
Die Intention von Ausgrenzung am Arbeitsplatz kann sogar positiv sein: „Wir schaffen Grenzen, um uns vor der komplexen Außenwelt zu schützen“, erklärt Olaf Geramanis, Dozent für Gruppendynamik an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Ein Beispiel: Mitarbeitende laden ein bestimmtes Teammitglied nicht zu einem Meeting ein, weil sie davon ausgehen, dass die Besprechung mit weniger Teilnehmern effizienter verläuft – ohne das aber zu kommunizieren.
Ausgrenzung ist hingegen böswillig und damit absichtlich, wenn eine Person ausgeschlossen wird, weil sie anders aussieht oder sich anders verhält. Doch ob böse Absicht oder nicht: Die Konsequenzen sind immer gleich. Sobald sich eine Person im Team unwohl fühlt, ist eine produktive Zusammenarbeit kaum möglich. Deshalb sollten Führungskräfte eingreifen.
Was sind Gründe für Ausgrenzung am Arbeitsplatz?
Die Ursache für soziale Ausgrenzung im Job liegt selten bei der ausgeschlossenen Person selbst. „Die Ausgrenzung ist in der Regel ein Symptom für ein tieferliegendes systemisches Problem in der Gruppe“, betont Olaf Geramanis. Das kann bei den Teammitgliedern negative Gefühle wie Angst, Eifersucht oder schlicht Unverständnis hervorrufen.
Diese Gefühle können im Team durch verschiedene Ursachen entstehen. Eine davon können Olaf Geramanis zufolge Veränderungen im Unternehmen sein. „Bei Veränderungen gibt es in Gruppen oftmals eine Person, die sich offen dagegenstellt“, so Geramanis. Da heiße es dann schnell: „Frau Y ist inkompetent oder störrisch“ – nur, weil sie das neue Computersystem kritisiert. Wenn man gruppendynamisch auf die Situation schaue, artikuliere Frau Y aber möglicherweise nicht nur die eigene Angst, sondern auch die Ängste der anderen gegenüber der Veränderung: Ob das nun die Angst sei, den Job zu verlieren, oder die Befürchtung, nicht mit einer neuen Software klarzukommen.
Auch Konkurrenz und Stress stecken oft hinter Ausgrenzung. „Denn der Leistungsdruck muss auch irgendwie wieder abgebaut werden“, erklärt Olaf Geramanis. Meist leide darunter die „schwächste Person“ der Gruppe, so der Experte – ob das nun der jüngste, neueste oder älteste Mitarbeiter sei.
Weitere mögliche Gründe für Ausgrenzung am Arbeitsplatz: stark hierarchische Strukturen und einseitige Kommunikation. „Beides kann ebenfalls dazu führen, dass Mitarbeitende von wichtigen Informationen ausgeschlossen werden“, sagt Ursula Dangelmayr, Psychologin und Organisationsentwicklerin aus Göppingen. Etwa, immer nur Entscheidungen an Mitarbeiter kommuniziert werden, ohne deren Meinung in die vorherigen Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Dadurch könnten sich Mitarbeitende machtlos oder isoliert fühlen, ergänzt Dangelmayr.
Was sind Beispiele für Ausgrenzung am Arbeitsplatz?
Manchmal reichen schon Kleinigkeiten aus, um jemanden spüren zu lassen: „Du gehörst nicht dazu.“ Beispiele für soziale Ausgrenzung im Job sind:
- Bei Verabredungen für gemeinsame Mittagessen oder ein Treffen nach Feierabend fragen Kolleginnen oder Kollegen ein einzelnes Teammitglied nicht, ob es teilnehmen will.
- Ein Kollege wird immer wieder mit Ausreden abgewiesen, wenn er um Unterstützung oder Informationen bittet. Es heißt oft: „Ich bin gerade beschäftigt, vielleicht später“, ohne dass konkrete Hilfe angeboten wird.
- In informelle Gespräche oder Smalltalks zwischen Kolleginnen und Kollegen wird die betroffene Person kaum oder gar nicht einbezogen.
- In Meetings oder Gesprächen ignoriert die Chefin oder der Chef Beiträge der betroffenen Person absichtlich oder kommentiert sie bewusst nicht. Selbst dann, wenn die Person relevante Informationen liefert.
Was sind Folgen von Ausgrenzung am Arbeitsplatz?
Fühlen sich Mitarbeitende im Job abgewertet und abgelehnt, können sie auf Dauer nicht die erforderliche Leistung erbringen. Betroffene werden häufiger krank oder kündigen. „Im schlimmsten Fall erleiden sie einen Burnout oder eine Depression“, erklärt Psychologin Ursula Dangelmayr. Auch die Stimmung im Team kann leiden: Ausgrenzung am Arbeitsplatz trägt zu einem negativen Betriebsklima bei und droht dann Teil der Unternehmenskultur zu werden.
Darüber hinaus haben Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen gegenüber ihren Beschäftigten eine Fürsorgepflicht, die in verschiedenen Gesetzen verankert ist. Diese umfasst auch die Aufgabe, Beschäftigte vor Diskrimierung und Mobbing zu schützen. So verpflichtet § 12 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Arbeitgebende dazu, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen.
Wie können Führungskräfte gegen Ausgrenzung am Arbeitsplatz vorgehen?
Mit den folgenden fünf Schritten stoppen Führungskräfte soziale Ausgrenzung im Team.
1: Die Ausgrenzung erkennen
Führungskräfte sollten laut Psychologin Dangelmayr regelmäßig durch den Betrieb gehen, die Stimmung im Team beobachten, Veränderungen wahrnehmen und gut zuhören. Nur dann können sie rechtzeitig gegensteuern. Warnzeichen für Ausgrenzung am Arbeitsplatz sind zum Beispiel, wenn sich eine Mitarbeiterin in Besprechungen zurückhält, abseits der Gruppe isst – oder Kollegen abfällige Bemerkungen über sie machen.
Ursula Dangelmayr empfiehlt Führungskräften, die mögliche Ausgrenzung für etwa vier Wochen zu beobachten. Und erst dann den nächsten Schritt zu gehen, wenn sich in dieser Zeit nichts verändert hat. Möglicherweise hat eine Kollegin zum Beispiel nur deshalb für eine Weile abseits der Gruppe gegessen, weil jemand aus der Familie gestorben war und sie keine Lust auf Gesellschaft hatte. Oder sie einfach grundsätzlich schlecht gelaunt ist.
2. Problem ansprechen
Wenn eine Führungskraft erkennt, dass jemand am Arbeitsplatz über längere Zeit ausgegrenzt wird, sollte sie so schnell wie möglich klären, ob der Eindruck richtig ist. „Sobald ich merke, dass etwas nicht stimmt, empfehle ich ein Fürsorgegespräch mit dem Mitarbeiter“, sagt Ursula Dangelmayr. Chefs und Chefinnen könnten unter vier Augen fragen: „Ich habe das Gefühl, du ziehst dich zurück. Was ist los?“ Vielleicht berichtet das Teammitglied dann, dass es keinen Anschluss findet. Die Führungskraft könne in diesem Fürsorgegespräch dann mit dem Mitarbeitenden gemeinsam überlegen, was die Führungskraft tun kann, um sie oder ihn zu unterstützen, so Ursula Dangelmayr.
Anschließend rät Dangelmayr immer zu einem Teamgespräch. Hier sollte die Führungskraft klar den Grund und das Ziel des Treffens kommunizieren: „Es geht um die Verbesserung unserer Zusammenarbeit. Der Anlass ist für mich die Situation letzte Woche, als …“ Je nach Ausgangslage kann die Chefin hinzufügen: „Das ist kein Umgang, den ich mir hier wünsche. Stattdessen ist mir wichtig …“ Dann kann die Führungskraft auf Hintergründe eingehen. Laut Ursula Dangelmayr etwa so: „Mir geht es heute darum, dass wir das besprechen und ich versuche zu verstehen, was die Situation schwierig macht.“
Falls der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin im Einzelgespräch nichts zum Thema gesagt hat, weil sie sich vielleicht schämen, sollte die Führungskraft trotzdem das Teamgespräch suchen, dabei aber behutsamer vorgehen. „Die Führungskraft sollte sich selbst ein Bild machen, was in dem Team los ist, und dann ihre eigenen Beobachtungen zum Anlass nehmen, um mit dem Team über die Zusammenarbeit zu sprechen“, sagt Ursula Dangelmayr.
3. Ursache ermitteln
In dem Teamgespräch ist entscheidend, dass jeder seine Sicht äußern kann. „Die Führungskraft sollte darauf achten, dass das Gespräch sachlich bleibt und alle Perspektiven gehört werden“, erklärt Expertin Ursula Dangelmayr. Um der eigentlichen Ursache auf den Grund zu gehen, empfiehlt die Psychologin ein moderiertes Gespräch zwischen den Teammitgliedern. Dabei habe die Führungskraft als Moderator oder Moderatorin die Aufgabe, nachzuhaken, wie bestimmte Aussagen gemeint sind.
Führungskräfte müssen laut Gruppendynamik-Experte Olaf Geramanis damit rechnen, dass die Teammitglieder als Erstes ihr eigenes Verhalten rechtfertigen, indem der ausgegrenzte Mitarbeiter als das Problem bezeichnet wird. Typische Aussagen seien: „Er verhält sich seltsam.“ „Er verbreitet schlechte Stimmung.“ „Er ist unsympathisch.“ „Er ist einfach immer total arrogant.“
Nachdem jeder einmal gesagt hat, wie er die Situation sieht, legt der Chef oder die Chefin auf Grundlage der Aussagen ein oder zwei Themen fest, über die intensiver gesprochen werden soll.
Dabei kann es sich auch um besonders emotionale Themen handeln, wie etwa vermeintliche „Arroganz“. Was ist arrogantes Verhalten? In welchen Situationen, mit welchen Gesten und Worten äußert sich diese Arroganz? Indem das Team solche Fragen beantwortet, komme es Olaf Geramanis zufolge gut auf das eigentliche Problem.
Zum Beispiel wirkte das Verhalten eines Mitarbeiters eventuell nur deshalb arrogant, weil im Team nicht respektvoll mit persönlichen Grenzen umgegangen wird – und er sich deswegen zurückgezogen hat. Bei einem solchen Problem ginge es dann um die zugrundeliegende Frage: Wie gehen wir im Team mit persönlichen Grenzen um?
4. Lösungen erarbeiten
Nachdem das Team das eigentliche Problem identifiziert hat, kann es gemeinsam konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und gegen die Ausgrenzung am Arbeitsplatz erarbeiten. Die Beteiligten erhalten so die Möglichkeit, aktiv an der Lösung mitzuwirken. Das Ergebnis können zum Beispiel neue Kommunikationsregeln sein – oder die Erkenntnis, dass weitere Workshops oder Schulungen nötig sind.
Der Berater Olaf Geramanis schlägt folgende Fragen vor, die das Team zum Beispiel in einem weiteren Workshop bearbeiten kann: Wie wollen wir zukünftig miteinander umgehen? Wie kann dies gelingen? Welche Maßnahmen lassen sich daraus ableiten?
5. Nachfassen
Um ein positives Arbeitsklima zu fördern und erneute Ausgrenzungen zu vermeiden, hält es die Psychologin Ursula Dangelmayr für wichtig, weiterhin die Stimmung im Team zu beobachten und regelmäßig im Team nachzufassen: „Einmal im Jahr oder alle sechs Monate sollte man nachfragen“, sagt sie. Dafür eigneten sich beispielsweise regelmäßige Teambesprechungen. Nachzufassen zeige den Mitarbeitenden, dass die Führungskraft das Thema ernst nimmt und kontinuierlich mit dem Team arbeitet, um die Situation zu verbessern.
Dabei könne die Führungskraft folgende Fragen stellen: Wie empfindet ihr jetzt die Zusammenarbeit im Team? Was läuft gut? Was läuft nicht so gut? Was kann man verbessern? Durch diese Fragen könne eine Führungskraft ein respektvolles und inklusives Umfeld ohne Ausgrenzung am Arbeitsplatz fördern.
Was, wenn die Führungskraft selbst ausgrenzt?
Ausgrenzung am Arbeitsplatz kann durch die Kollegen und Kolleginnen erfolgen, aber auch durch Vorgesetzte. Eine Führungskraft sollte daher immer kritisch hinterfragen, ob sie selbst ausgrenzendes Verhalten zeigt. „Die Führungskraft muss eine neutrale, unvoreingenommene Haltung einnehmen können“, meint Ursula Dangelmayr. Sollte dies nicht möglich sein, kann sie sich für Gespräche und Workshops Unterstützung durch externe Mediation einholen.
Sie haben ein Unternehmen mit mehreren Führungsebenen – und bemerken, dass von einer Ihrer Führungskräfte Ausgrenzung ausgeht? Ursula Dangelmayr rät: „Dann sollte die nächsthöhere Führungsebene ein gemeinsames Klärungsgespräch mit dem Vorgesetzten und dem Mitarbeitenden führen.“ Falls die nächsthöhere Führungskraft sich hierzu nicht ausreichend gerüstet fühlt, kann auch hier externe Mediation helfen.
Prof. Dr. Olaf Geramanis ist Dozent für Gruppendynamik an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Berater für Organisationsentwicklung in Basel. Er ist Autor des Buches „Vertrauen und Vertrautheit in Organisationen“ (Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, 96 Seiten, 18 Euro).
Ursula Dangelmayr ist Psychologin und Organisationsentwicklerin aus Göppingen. Sie bietet Beratung für Teamentwicklung, Organisationsentwicklung und Personal- und Führungskräfteentwicklung an.
