Homeoffice-Kritik
„Homeoffice ist für mich ein Privileg und keine Selbstverständlichkeit“

Die Artnight-Gründerin Aimie-Sarah Carstensen lehnt starre Homeoffice-Quoten ab. In ihrem Team setzt sie auf flexible Lösungen. Und muss sich dafür Kritik anhören. Ein Interview.

Aktualisiert am 10. September 2025, 12:19 Uhr, von Sandra Kunkel

Kommentieren
Mann liegt auf Couch mit geschlossenen Augen. Sein Laptop steht vor ihm auf dem Couchtisch
Zwischen Kontrolle und Vertrauen: Wie viel Homeoffice verträgt ein Unternehmen?
© Westend61 / Getty Images

impulse: Aimie, arbeitest du lieber im Homeoffice oder im Büro?
Aimie-Sarah Carstensen: Ich bin ein Fan vom Büro, weil ich die echte menschliche Interaktion schätze und sie als produktiver empfinde. Arbeit war für mich immer ein Ort für Freundschaften und Austausch. Die kleinen Gespräche zwischendurch fehlen mir im Homeoffice. Außerdem gibt das Büro Struktur: Es tut gut, an einem anderen Ort zu arbeiten als dort, wo man schläft und isst.

Wie sieht die Homeoffice-Regel bei Artnight aus?
Homeoffice ist für mich ein Privileg und keine Selbstverständlichkeit – daher gilt: Alle sind im Büro und jeder einzelne Tag muss beantragt und über unser Personalmanagement-Tool genehmigt werden. Es gibt keine allgemeine Regel oder pauschalen Ansagen wie „drei Tage Homeoffice für alle“. Jeder Mitarbeiter kennt meine Präferenz fürs Büro und bekommt eine Lösung, die individuell für ihn passt. Grundsätzlich kann jeder seine Homeoffice-Wünsche äußern – aber ich behalte mir ein Vetorecht vor.

Das heißt, dass man dann vielleicht ins Büro „muss“ …
Das ist doch ein Benefit: Wir kommen zusammen, es gibt kostenlosen Kaffee, Tee, Kaltgetränke und Müsli. Diese Dinge sind alle nicht selbstverständlich.

Warum bevorzugst du denn, dass alle ins Büro kommen?
Im Büro sind Menschen besser miteinander verbunden. Sie tauschen sich intensiver über Probleme aus und arbeiten oft produktiver. Das kann man nicht pauschalisieren, ich habe auch Leute im Homeoffice, die unglaublich effizient arbeiten. Deshalb ist es für mich am Ende immer eine individuelle Entscheidung.

Nach welchen Kriterien entscheidest du?
Nach der persönlichen Situation. Ich habe eine Mitarbeiterin in Köln, die kann nicht jeden Tag nach Berlin ins Büro kommen. Und viele Mitarbeiter mit jungen Familien, bei denen Homeoffice an vier bis fünf Tagen die Woche den Alltag erleichtert. Aber wenn jemand neu im Unternehmen ist und vielleicht den ersten Job hat, arbeitet er besser im Büro. Er lernt am meisten, wenn die Kollegen daneben sitzen, er Fragen stellen kann und direkt Feedback bekommt. Die Leistung entscheidet auch.

Zur Person
Aimie-Sarah Carstensen ist Gründerin und CEO von Artnight, einem „Do-it-yourself“-Start-up. Das Unternehmen bietet Kreativ-Events in über 60 Städten an – von Malkursen bis zu Cocktailabenden. Die Idee stellte sie 2017 in der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ vor. Das Unternehmen wuchs auf rund 120 Mitarbeitende. Nach der Pandemie musste es Stellen abbauen – heute beschäftigt Artnight ein Team von 20 Personen.

Wie meinst du das?
Ich vertraue darauf, dass meine Mitarbeiter arbeiten. Aber es ist so: Ich kenne privat Leute, die im Homeoffice effektiv eigentlich nur zehn Stunden in der Woche arbeiten und sich die Zeit einfach gut bezahlen lassen. Wenn ich merke, dass es bei mir im Unternehmen so ist, spreche ich das an. Dann kann es sein, dass das Privileg Homeoffice nicht mehr gilt.

Kannst du Leistung überhaupt objektiv messen?
Die Mitarbeiter bekommen klar definierte Ziele. Die Leistung bemessen wir daran, ob sie erreicht werden. Allerdings haben wir nur 20 Mitarbeiter, da fällt es schnell auf, wenn jemand seine Arbeit nicht gut macht. Wenn zum Beispiel nur eine Person für Social Media zuständig ist und andere im Team auf deren Ergebnisse angewiesen sind, wird das schnell sichtbar. Und dann sprechen die anderen das auch an. Dadurch reguliert sich vieles von selbst.

Gibt es Tage, an denen du Homeoffice ausschließt?
Wir haben im Team über die Rahmenbedingungen gesprochen: Wir haben zum Beispiel jede Woche ein größeres Team Meeting in einem der Teams. Das machen wir eigentlich immer persönlich, weil wir festgestellt haben, dass das viel effizienter ist.

Was sind gute Gründe, um Homeoffice anzufragen?
Wenn jemand bei der Familie in Süddeutschland ist und das vorher abgesprochen hat, ist es in Ordnung, wenn er remote teilnimmt. Oder wenn jemand sagt, dass er jeden Nachmittag um 15 Uhr sein Kind von der Kita abholt.

Du hast für deine Haltung Kritik einstecken müssen.
Ja, ich habe auf LinkedIn einen Shitstorm erlebt. Ich habe Drohungen bekommen – von „Ich hoffe, dein Unternehmen geht pleite“ bis zu persönlichen Beleidigungen. Viele erachten den leistungsbasierten Ansatz als unfair, weil für die Mitarbeiter unterschiedliche Regeln gelten. Und sie glauben, ich vertraue meinen Mitarbeitern nicht.

Bist du daraufhin weicher geworden?
Nein, die Kritik hat mich persönlich echt getroffen, aber ich bleibe bei meinem Ansatz. Viele Unternehmer, die ich kenne, sehen das ganz genauso. Die Kritik kommt oft von New-Work-Verfechtern. Also von Menschen, deren Geschäftsmodell es ist, neue Arbeitsmodelle einzuführen.

Impulse-Akademie-Angebot
Marketingtexte schreiben - mit ChatGPT
Online-Workshop mit Nicole Basel
Marketingtexte schreiben - mit ChatGPT

Wie hat dein Team reagiert?
Das hat sich gewundert, dass in der öffentlichen Diskussion sofort von fehlendem Vertrauen gesprochen wurde. Misstrauen existiert bei uns nicht. Von Anfang an haben wir im Team darüber gesprochen, welche Vor- und Nachteile Homeoffice hat, wann es angebracht ist und wann nicht. Die Regelung wird von allen akzeptiert. Es gibt keine Neiddebatten darüber, wer wann ins Homeoffice geht.

Wie stellst du sicher, dass Remote-Arbeit funktioniert?
Wenn jemand nicht vor Ort sein kann, spricht er das im Teammeeting an: Hört mal zu, ich habe eine private Situation, die erfordert, dass ich viel zu Hause bin. Wie schaffen wir es uns als Team auszutauschen? Ist es in Ordnung, wenn ich das so und so gestalte? Meist heißt das einfach nur, dass die Person dann remote an Meetings teilnimmt und dafür technisch gewappnet sein muss.

Wie oft arbeitet dein Team im Büro?
Fünf Menschen arbeiten über Deutschland verteilt im Homeoffice, der Rest arbeitet am Firmensitz in Berlin. Davon sind zehn Mitarbeiter sind mindestens vier Tage pro Woche im Büro, der Rest arbeitet häufiger von zuhause, aus gesundheitlichen Gründen, durch junge Familien oder der notwendigen Pflege und Betreuung einer anderen Person. Ich selbst komme fünf Tage pro Woche.

Bist du nie selbst im Homeoffice?
Vor drei Wochen hatte ich eine OP, da habe ich von Zuhause gearbeitet. Da ging es nicht anders.

In eigener Sache
Voller Fokus auf 2026
Online-Workshop mit Nikolaus Förster
Voller Fokus auf 2026
3 Sessions, 3 Stunden, 1 großes Ziel: Mit dem eigenen Unternehmen schneller vorankommen.
Mehr lesen über