Personalmangel in der Gastronomie
„Keine Mitarbeiter? Dann putzen die Gäste eben selbst!“

Alle jammern über Personalmangel. Der Hotelier und Unternehmer Jürgen Krenzer geht lieber neue Wege – und wirft dafür mal eben das Konzept Urlaub über den Haufen.

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Personalmangel in der Gastronomie
© eskemar / photocase.de

„Der Chef hat gesagt, am Ende putzen die Gäste die Küche. Und jetzt putzen sie tatsächlich die Küche!“

Samstag, 9. Juli 2022, 23.32 Uhr: Mein Mitarbeiter Ben kann es noch immer nicht fassen. Zwei Unternehmerinnen schrubben gerade mit viel Elan und Spaß den Küchenfußboden in unserem Hotel. Die anderen Gäste lassen derweil bei einer Schokomousse entspannt den Tag ausklingen. Und ich freue mich, dass meine Idee funktioniert.

Aber der Reihe nach: Ich kann das Gejammer in den Dienstleistungsbranchen nicht mehr hören! Keine Mitarbeiter. Knausrige Kunden. Bürokratiemonster für kleine Betriebe. Inflation gibt‘s noch on top: Geiz ist jetzt noch geiler als je zuvor.

Ich kann und will das nicht mehr!

Mal abgesehen von diesen ganzen negativen Rahmenbedingungen, habe ich für meine Branche erkannt: Urlaub, wie wir ihn alle kennen, ist langweilig geworden! Planung ersetzt Spontanität. Erlebnishunger tötet die Erholung. Mittelmäßiges Essen zu vorgegebenen Zeiten beschert Frust. Es gibt keine Zeit für Sinnhaftes. Zum Beispiel gute Gespräche und gemeinsam erschaffene und damit unvergessliche Momente.

Nehmen wir die Alpen als Beispiel. Dort herrscht der pure Urlaubsstress. Alle stürmen morgens früh rauf auf den Berg (natürlich mit der Seilbahn) und am Abend wieder runter. Und dann müssen alle im Tal angekommenen Touristen um 19 Uhr frisch geduscht zu Abend essen. Super Konzept. Funktioniert seit 100 Jahren. Tourismus gibt es zwar schon länger, aber die hier von mir skizzierte Variante entstand erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Ist eigentlich mal jemandem aufgefallen, dass Dinge einfach verschwinden, die einmal genial waren? Gerade ist vieles in Bewegung, die Dinge ändern sich. Aber der einzige Mensch, der Veränderung braucht, ist bekanntlich ein Baby mit vollgekackten Windeln. Also machen wir weiter so: Punkt 19 Uhr Abendessen im Hotel. Ich kann das nicht mehr und will das auch nicht mehr. Als Tourist und als Gastgeber.

Das Produkt „Urlaub“ habe ich neu erfunden

Deswegen habe ich mich an einen Leitspruch erinnert, den ich schon in den 90er Jahren befolgt habe: „Beschäftige den Gast, sonst beschäftigt er dich.“ Meine These lautet: Es geht in Zukunft nicht mehr darum, wohin ich wann reise. Sondern mit wem und wie ich mich dort fallen lassen kann.

Zur Person
Jürgen KrenzerJürgen Krenzer ist Inhaber des Hotels Krenzers Rhön in Ehrenberg-Seiferts. Als 23-Jähriger hat er den Familienbetrieb an der ehemaligen Zonengrenze neu erfunden, statt auf Schnitzel setzt er konsequent auf regionale Spezialitäten, braut Apfelsherry und Bier.

Also habe ich ein neues Produkt erfunden: URLAUB. Natürlich den richtigen Urlaub. Ohne feste Zeiten. Verbunden mit Wandern in der einmaligen Rhöner Natur. Langweilige Wanderwege? Braucht keiner. Ankunftszeiten? Das wäre wieder Stress. Abendessen? Ja, klar! Aber wir kochen uns dann selbst was, wenn wir zurück sind – weil wir den ganzen Tag genießen wollen. Dafür muss keiner meiner Köche in der Küche ausharren. Und am Ende wird eben auch gemeinsam geputzt. Noch nicht mal einen Preis hatte ich kalkuliert. Und es gab trotzdem schon Anmeldungen für dieses GenussWanderWochenende. Das kommt davon, wenn deine Gäste genauso verrückt sind wie du.

Letztendlich waren wir 15 Genießer, allesamt Unternehmerinnen und Unternehmer, die eines der geilsten Wochenenden verbracht haben, die ich je erlebt habe. Und ich bin schon seit 1988 hier im Unternehmen. Ab sofort wird es mehr davon geben. Und weitere Ideen sprudeln bei mir nur so.

Es gibt für alle Probleme eine Lösung – wenn man bereit ist umzudenken

Gerade keine Köche zur Hand? Kein Problem. Lass die Gäste in die Küche. Verständlich, dass gute Köche auch mal zwei Tage in der Woche am Stück frei haben wollen. Schwierig, wenn du im Betrieb eine 7-Tage-Woche hast. Aber vielleicht habe ich dafür auch schon eine Lösung gefunden: Wie wäre es mit einer 5-Tage-Woche für alle meine Mitarbeiter?

Dann könnte es am 6. Tag ein Picknick am Abend geben. Die Gäste stellen es sich schon morgens beim Frühstück zusammen und holen den gepackten Korb dann, wenn es ihnen passt, selbst aus dem Kühlraum. Und am 7. Tag mache ich einen kleinen Kochkurs mit meinen Gästen. Am darauffolgenden Tag sind Koch und Kellner erholt wieder zurück im Betrieb. Und ich darf einen freien Tag verbringen.

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Und wenn sich die Krise in der Arbeitswelt noch weiter verschärft, dann führe ich eben die 4-Tage-Woche hier in Krenzers Rhön ein. Also für die Gäste. Von Donnerstag bis Sonntag. Als ich das meinen Führungskräften vorschlug, haben einige Schnappatmung bekommen. Und ich habe wieder was gelernt: Visionen musst du mit dir selbst ausmachen.

Es gibt in meiner Branche so viele Probleme. Da helfen Buzzwords wie „New Work“ oder „Work-Life-Balance“ auch nicht weiter. Aber es gibt für diese Probleme mindestens genauso viele empathische Lösungen. Man kann aus der Not eine Tugend machen, wenn man bereit ist umzudenken.

Ich liebe mein Unternehmerleben. Erst recht bei stürmischer See. Da braucht es Menschen, die handeln. Und dazu bin ich bereit!

"Der Chef hat gesagt, am Ende putzen die Gäste die Küche. Und jetzt putzen sie tatsächlich die Küche!" Samstag, 9. Juli 2022, 23.32 Uhr: Mein Mitarbeiter Ben kann es noch immer nicht fassen. Zwei Unternehmerinnen schrubben gerade mit viel Elan und Spaß den Küchenfußboden in unserem Hotel. Die anderen Gäste lassen derweil bei einer Schokomousse entspannt den Tag ausklingen. Und ich freue mich, dass meine Idee funktioniert. Aber der Reihe nach: Ich kann das Gejammer in den Dienstleistungsbranchen nicht mehr hören! Keine Mitarbeiter. Knausrige Kunden. Bürokratiemonster für kleine Betriebe. Inflation gibt‘s noch on top: Geiz ist jetzt noch geiler als je zuvor. Ich kann und will das nicht mehr! Mal abgesehen von diesen ganzen negativen Rahmenbedingungen, habe ich für meine Branche erkannt: Urlaub, wie wir ihn alle kennen, ist langweilig geworden! Planung ersetzt Spontanität. Erlebnishunger tötet die Erholung. Mittelmäßiges Essen zu vorgegebenen Zeiten beschert Frust. Es gibt keine Zeit für Sinnhaftes. Zum Beispiel gute Gespräche und gemeinsam erschaffene und damit unvergessliche Momente. Nehmen wir die Alpen als Beispiel. Dort herrscht der pure Urlaubsstress. Alle stürmen morgens früh rauf auf den Berg (natürlich mit der Seilbahn) und am Abend wieder runter. Und dann müssen alle im Tal angekommenen Touristen um 19 Uhr frisch geduscht zu Abend essen. Super Konzept. Funktioniert seit 100 Jahren. Tourismus gibt es zwar schon länger, aber die hier von mir skizzierte Variante entstand erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ist eigentlich mal jemandem aufgefallen, dass Dinge einfach verschwinden, die einmal genial waren? Gerade ist vieles in Bewegung, die Dinge ändern sich. Aber der einzige Mensch, der Veränderung braucht, ist bekanntlich ein Baby mit vollgekackten Windeln. Also machen wir weiter so: Punkt 19 Uhr Abendessen im Hotel. Ich kann das nicht mehr und will das auch nicht mehr. Als Tourist und als Gastgeber. Das Produkt „Urlaub“ habe ich neu erfunden Deswegen habe ich mich an einen Leitspruch erinnert, den ich schon in den 90er Jahren befolgt habe: „Beschäftige den Gast, sonst beschäftigt er dich." Meine These lautet: Es geht in Zukunft nicht mehr darum, wohin ich wann reise. Sondern mit wem und wie ich mich dort fallen lassen kann. Also habe ich ein neues Produkt erfunden: URLAUB. Natürlich den richtigen Urlaub. Ohne feste Zeiten. Verbunden mit Wandern in der einmaligen Rhöner Natur. Langweilige Wanderwege? Braucht keiner. Ankunftszeiten? Das wäre wieder Stress. Abendessen? Ja, klar! Aber wir kochen uns dann selbst was, wenn wir zurück sind – weil wir den ganzen Tag genießen wollen. Dafür muss keiner meiner Köche in der Küche ausharren. Und am Ende wird eben auch gemeinsam geputzt. Noch nicht mal einen Preis hatte ich kalkuliert. Und es gab trotzdem schon Anmeldungen für dieses GenussWanderWochenende. Das kommt davon, wenn deine Gäste genauso verrückt sind wie du. Letztendlich waren wir 15 Genießer, allesamt Unternehmerinnen und Unternehmer, die eines der geilsten Wochenenden verbracht haben, die ich je erlebt habe. Und ich bin schon seit 1988 hier im Unternehmen. Ab sofort wird es mehr davon geben. Und weitere Ideen sprudeln bei mir nur so. Es gibt für alle Probleme eine Lösung – wenn man bereit ist umzudenken Gerade keine Köche zur Hand? Kein Problem. Lass die Gäste in die Küche. Verständlich, dass gute Köche auch mal zwei Tage in der Woche am Stück frei haben wollen. Schwierig, wenn du im Betrieb eine 7-Tage-Woche hast. Aber vielleicht habe ich dafür auch schon eine Lösung gefunden: Wie wäre es mit einer 5-Tage-Woche für alle meine Mitarbeiter? Dann könnte es am 6. Tag ein Picknick am Abend geben. Die Gäste stellen es sich schon morgens beim Frühstück zusammen und holen den gepackten Korb dann, wenn es ihnen passt, selbst aus dem Kühlraum. Und am 7. Tag mache ich einen kleinen Kochkurs mit meinen Gästen. Am darauffolgenden Tag sind Koch und Kellner erholt wieder zurück im Betrieb. Und ich darf einen freien Tag verbringen. Und wenn sich die Krise in der Arbeitswelt noch weiter verschärft, dann führe ich eben die 4-Tage-Woche hier in Krenzers Rhön ein. Also für die Gäste. Von Donnerstag bis Sonntag. Als ich das meinen Führungskräften vorschlug, haben einige Schnappatmung bekommen. Und ich habe wieder was gelernt: Visionen musst du mit dir selbst ausmachen. Es gibt in meiner Branche so viele Probleme. Da helfen Buzzwords wie "New Work" oder "Work-Life-Balance" auch nicht weiter. Aber es gibt für diese Probleme mindestens genauso viele empathische Lösungen. Man kann aus der Not eine Tugend machen, wenn man bereit ist umzudenken. Ich liebe mein Unternehmerleben. Erst recht bei stürmischer See. Da braucht es Menschen, die handeln. Und dazu bin ich bereit!
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