Ungeschöntes Feedback an Führungskräfte
Auch wenn’s wehtut: Mit diesen 3 Fragen erhältst du ungeschöntes Feedback

Wer auf Fehler und blinde Flecken hingewiesen wird, kann besser werden. Doch Führungskräfte haben es durch ihre Position schwer, ehrliches Feedback zu bekommen. Mit diesen drei Fragen klappt’s.

Aktualisiert am 6. August 2025, 17:48 Uhr, von Kathrin Halfwassen, Redakteurin

Feedback an Führungskräfte
Mit den richtigen Fragen geben Mitarbeitende ehrliches Feedback an Führungskräfte.
© MirageC / Moment / Gettyimages

Sich ungeschöntes Feedback einzuholen ist für Führungskräfte heute nicht mehr Kür, sondern Pflicht, meint Anne Schüller. Sie arbeitet als Business-Coachin und ist Expertin für kundenzentrierte Unternehmensführung. „Weil sich unsere Welt rasant ändert und immer rasanter ändern wird, sind Veränderungsbereitschaft und Anpassungsvermögen die Kernkompetenzen der Zukunft. Und dafür ist es unerlässlich, ehrliches Feedback zu bekommen“, sagt Schüller.

Feedback aktiv einfordern

Die Tür steht offen, Feedback immer willkommen – Sätze wie diese reichten nicht. Chefs und Chefinnen sind Respektspersonen, verantwortlich für Gehaltserhöhungen oder Urlaubsanträge. „Das hält Menschen davon ab, ihren Führungskräften weniger erfreuliche Rückmeldungen zu geben – selbst, wenn sie es eigentlich gern täten“, sagt Schüller.

Deshalb empfiehlt sie, sich aktiv Feedback einzuholen. Ein Weg sei, offene Fragen zu stellen anstatt Fragebögen mit Aussagen zum Ankreuzen zu verteilen. Schüller: „Damit erhalten Führungskräfte nicht nur inhaltlich wertvollere Rückmeldungen zu Dingen, bei denen es hakt. Sie vermitteln außerdem, dass sie wirklich an den Meinungen und der Kritik ihrer Teammitglieder interessiert sind.“

Besonders drei Fragen für ungeschöntes Feedback empfiehlt die Expertin. Was diese konkret bringen und wie du sie stellen solltest:

1. Die Gewissensfrage: „Stell dir vor, du wärst unser Unternehmensgewissen. Was würdest du uns/mir sagen? Was könnten wir/könnte ich besser machen – und was müsste sich zügig verändern?“

Das bringt die Frage: Die Gewissensfrage bringt Teammitgliedern dazu, offen zu sein: „Die Frage regt sie dazu an, aus sich herauszukommen, eventuelle Unzufriedenheiten deutlich zu benennen – und auch die Gründe, die dahinterliegen“, so Schüller.

Vor allem innerbetriebliche Reibungspunkte kämen in den Antworten typischerweise zur Sprache. Konflikte wie Mobbing, die Tatsache, dass jemand wegen Personalmangels einen Kunden verloren hat – oder Beobachtungen, dass Kolleginnen oder Kollegen auf der Baustelle regelmäßig schlampen. „Kurz: Man erfährt dank dieser Frage so ziemlich alles, worüber man sonst nur hintenrum oder gar nicht spricht und von dem man ausgeht, dass Führungskräfte es nicht wissen können“, so Schüller.

So solltest du die Frage stellen: Wer das erste Mal als Führungskraft ungeschöntes Feedback einholt, sollte die Frage schriftlich stellen. „Eine Möglichkeit: Teammitglieder bitten, die Frage in einem Office-Dokument zu beantworten, auszudrucken und irgendwo einzuwerfen“, so Schüller.

Das möge manchen überzogen erscheinen, erhöhe aber den Wert des Ergebnisses. „Es gibt immer wieder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die befürchten, jemand könnte sie an ihrer Handschrift erkennen. Deshalb gilt: Je anonymer die Frage gestellt wird, desto ehrlicher antworten alle“, erklärt die Expertin.

Gibt es dagegen bereits eine ausgeprägte offene Feedbackkultur, könnten Chefs und Chefinnen die Gewissensfrage auch in einem kleineren Meeting oder einem Weiterentwicklungs-Workshop stellen. „Man sollte die Teilnehmer die Frage auf einem Blatt Papier beantworten lassen und dieses dann nacheinander an eine umgedrehte Pinnwand heften – damit man nicht sieht, wer was genau anbringt. Und anschließend besprechen alle gemeinsam die Ergebnisse“, rät Schüller.

2. Die Forumsfrage: „Wenn wir ein Forum hätten mit dem Namen: „Was bei uns total nervt“ – welche drei Hauptdiskussionspunkte würdest du nennen?“

Das bringt die Frage: Die Forumsfrage hilft, herauszufinden, wo es im Unternehmen hakt. Schüller zufolge würden Mitarbeitende dabei meist operative Themen ansprechen. Also etwa Prozesse aufzählen, die im Tagesablauf unrund laufen oder Zeit rauben. Sich über die Unpünktlichkeit des Chefs beklagen. Anmerken, dass eine Führungskraft Dienstpläne nach Schema F erstellt – obwohl das Team es selbst viel besser könnte. Oder aber eine zu hohe Fluktuation monieren oder den Druck, viele Überstunden machen zu müssen.

Schüller dazu: „Der große Vorteil dieser Frage liegt in ihrer Konkretheit. Indem Chefs und Chefinnen nach drei Punkten fragen, bekommen sie die Priorität direkt mitgeliefert, mit der man das, was das Team nervt, aus der Welt schaffen sollte.“

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So solltest du die Frage stellen: Weil die Forumsfrage eher auf Prozesse zielt, lässt sie sich Schüller zufolge gut in einem Workshop oder in einer Arbeitsgruppe stellen. Die Teammitglieder könnten ihre drei Punkte etwa auf drei Kärtchen schreiben und diese an eine umgedrehte Pinnwand heften. „Anschließend dreht die Führungskraft die Wand um, clustert die Punkte – und bespricht mit allen jene drei, die am häufigsten genannt wurden.“

3. Die Gummibaumfrage: „Wenn der Gummibaum in unserer Kaffeeküche/Cafeteria oder in unserem Empfangsbereich reden könnte, was würde er sagen?“

Das bringt die Frage: Die Gummibaumfrage nutzt das Stellvertreter-Prinzip: Sie fingiert, dass nicht das Teammitglied selbst ein Thema anspricht, sondern eben der Gummibaum. Das macht es Menschen Schüller zufolge sehr viel leichter, deutlich zu sagen, was ihnen auf dem Herzen liegt. Und weil die Frage in einem Raum wie der Kaffeeküche verortet ist, erhielten Chefs und Chefinnen damit vor allem Rückmeldungen zu Klatsch-und-Tratsch-Themen.

„In den Antworten erfahren Chefs und Chefinnen Dinge, die meist jeder im Team irgendwie mitkriegt – nur sie selbst nicht“, erklärt Schüller. Beispielsweise könnte über die Gummibaumfrage herauskommen, dass eine Mitarbeiterin oft über die Chefin lästert, immer nur negative Stimmung verbreitet und andere damit ansteckt. Oder sie sich in Meetings regelmäßig zu viel Raum in Gesprächen nimmt. „Führungskräfte erfahren so Dinge, von denen alle denken, dass sie das wissen müssten. Doch das ist nicht der Fall – denn Chefs und Chefinnen stehen ja meist nicht mit in der Kaffeeküche und niemand spricht sonst mit ihnen über diese Themen“, so Schüller.

So solltest du die Frage stellen: Weil bei der Gummibaumfrage oft heikle Dinge zur Sprache kommen, sollte diese Frage, ähnlich wie die Gewissensfrage, anonym und schriftlich beantwortet werden können. Und zwar auch in Unternehmen, die in Sachen Feedbackkultur schon weit vorangekommen sind.

Wie sollten Führungskräfte auf Feedback reagieren, das wehtut?

Ungeschöntes Feedback kann Führungskräfte hart treffen. Schüller rät dazu, sich dafür genauso zu bedanken wie für positive Rückmeldungen. „Auch wenn es schwerfällt und viel menschliche Größe verlangt, sollten Chefs und Chefinnen das unbedingt tun. Nur so zeigen sie, dass ihnen Feedback wichtig ist, sie sich maximale Offenheit wünschen – und diese wertschätzen“, sagt Schüller.

Kämen Gefühle hoch wie Verletztheit, Enttäuschung oder Scham, könnte man das zeigen und ansprechen. „Das macht jeden menschlich und nahbar – etwas, das gute Führungskräfte auszeichnet“, so Schüller weiter.

Formulieren ließe sich das zum Beispiel so: „Leute, ganz ehrlich, die Rückmeldung XY hat mir richtig wehgetan. Aber ich danke der Person, die den Mut hatte, mir das Problem in der ganzen Tragweite offen mitzuteilen. Ich werde daran arbeiten. Und wenn das nicht gleich klappen sollte, gebt mir bitte nochmal einen Hinweis.“

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Oder: „Ich bin traurig darüber, dass Projekt XY manchen von euch so schlecht in Erinnerung geblieben ist. Ich habe damit so viel Gutes bewirken wollen und finde es schade, dass es in die andere Richtung gegangen ist. Aber ich bin dankbar, dass ihr so offen seid und wir darüber sprechen können. Ich werde überlegen, wie ich es das nächste Mal besser mache – und das Projekt besser läuft.“

Was gibt es noch zu beachten?

Schüller empfiehlt, die Fragen für ehrliches Feedback einzeln zu stellen, anstatt sie auf einen Fragebogen zu schreiben. „Die Fragen zielen auf unterschiedliche Bereiche, haben einen Fokus – den sollte man nicht verwässern“, sagt Schüller.

Die Antworten bedeuteten Arbeit für Chefs und Chefinnen. „Das Wichtigste ist, auf  Rückmeldungen zu reagieren. Kommt eine Chefin immer zehn Minuten zu spät und jemand äußert das in seinem Feedback, dann muss sie das abstellen.“

Wenn Mitarbeitende sähen, dass ihr Feedback etwas bewirkt, werde sich eine wirklich offene Feedbackkultur etablieren. So dass Teammitglieder von selbst kämen, wenn sie etwas stört – und nicht auf den nächsten Feedback-Workshop damit warten.

Was Schüller noch empfiehlt: Beim Sichten des Feedbacks entscheiden, bei welchen Punkten man selbst aktiv werden will – und welche man an die Teammitglieder zurückspielt. „Die Gummibaumfrage etwa wird Dinge zutage fördern, um die sich eine Chefin oder ein Chef nicht kümmern muss. Etwa, wenn zwei Kollegen einen Konflikt haben, weil einer immer sein Mittagsessen am Schreibtisch isst oder nie die Spülmaschine in der Kaffeeküche ausräumt“, sagt Schüller.

Wer auf jedes Feedback reagiere, gerate nicht nur schnell ins Mikromanagement. „Führungskräfte spielen sich zudem öfter als Richter auf. Und das ist die schlechteste Position, die sie einnehmen können – weil dann eine Konfliktpartei verliert und diese Person fortan sehr wahrscheinlich intrigieren wird“, sagt sie.

Das Buch
Mit ihrem Ratgeber „Bahn frei für Übermorgengestalter! 25 Quick Wins für Innovatoren und Zukunftsversteher“ (Gabal, 24,90 Euro) will Anne Schüller Unternehmerinnen und Unternehmer dazu anregen, im Alltag kühner zu denken – und beispielsweise für eine offene Feedbackkultur zu sorgen. Um Menschen zu stärken, die Zusammenarbeit zu verbessern und Innovationskraft in Unternehmen zu vergrößern – für eine bessere Zukunft.
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