Auszeit als Unternehmer
„30 Tage ohne Arbeit haben mich gelehrt, loszulassen“

Lange fiel es Unternehmer und impulse-Blogger Sven Franzen schwer, im Urlaub abzuschalten. Wie es ihm gelungen ist, loszulassen und seine Mails in gute Hände abzugeben.

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Auszeit als Unternehmer
© go2 / photocase.de

Ende letzten Jahres sind wir nach Kolumbien gereist, um meine Schwiegereltern in spe und die restliche Familie kennenzulernen. Zuvor hatte ich schon die Weihnachtstage im Kreis meiner Familie verbracht. Insgesamt habe ich so 30 Tage lang nicht gearbeitet.

Ursprünglich war die Auszeit gar nicht so lange geplant. Anfangs dachte ich noch, ich mache „Workation“, nehme meinen Laptop mit nach Kolumbien und arbeite eben am Strand weiter. Doch vor Weihnachten habe ich gemerkt, dass ich erschöpft bin. Im November und Dezember gab es in meiner Marketingagentur so viel zu tun. Mir wurde klar, dass es mir guttun würde, meinen Geist einmal auf etwas völlig anderes zu lenken.

Nicht arbeiten – das gab es bei mir noch nie!

So kam es, dass ich einen guten Monat lang nicht gearbeitet habe. Das gab es bei mir noch nie! In der Vergangenheit habe ich ganz bewusst auch im Urlaub Mails gecheckt und gearbeitet, ich hielt das für den richtigen Weg für mich.

Als klar war, dass ich länger weg sein würde, habe ich zuerst mit meiner Assistentin gesprochen. Mein Plan war, dass sie alle meine Mails bekommt und wir einen Leitfaden erarbeiten, wie sie in welchem Fall reagiert. Als ich sie gefragt habe, ob sie sich das vorstellen kann, kam von ihr sofort: „Ja klar, das mache ich!“

Wir haben uns Kategorien für die Anfragen überlegt, um ihr das Abarbeiten zu erleichtern:

  • Was kann warten?
  • Was übernimmt sie?
  • Was kann jemand aus dem Team übernehmen?
  • Was muss unbedingt an mich?

Für Notfälle haben wir vereinbart, dass sie sich per Whatsapp bei mir melden kann. Davon mussten wir aber nie Gebrauch machen. Es hat natürlich geholfen, dass die Tage nach Weihnachten und Silvester bei uns in der Agentur generell eher ruhig sind.

Drei engen Kunden gegenüber habe ich direkt kommuniziert, dass ich länger nicht erreichbar sein werde. Unsere Projekte waren gut vorgeplant. Einer Kundin haben wir abgesagt, weil ihr Auftrag nicht realisierbar gewesen wäre. Zudem habe ich meine Abwesenheitsnotiz geschickt formuliert. Statt zu schreiben „Ich bin vom 24. Dezember bis zum 24. Januar verreist“, schrieb ich: „Ich bin ab dem 25. Januar wieder für Sie da, in der Zwischenzeit kümmert sich mein Team um Ihr Anliegen. Meine Assistentin liest alle Nachrichten.“

So habe ich vermittelt: „Sie sind in guten Händen, wir kümmern uns.“ Und gleichzeitig wusste nicht jeder direkt, wie lange ich unterwegs war. Als ich im Nachhinein mit Kunden über meine Reise gesprochen habe, war die Reaktion eigentlich immer: „Das ist ja toll, das gönne ich Ihnen!“

Mein Handy hat mich magisch angezogen

Die ersten Tage in Kolumbien ganz ohne Arbeit haben sich komisch angefühlt. Das blaue Icon für Mails auf meinem Handy hat mich magisch angezogen. Ich musste mich sehr zusammenreißen, die App nicht zu öffnen. Ich hatte mich auch dazu entschlossen, in diesem Urlaub keine Wirtschaftsnachrichten zu verfolgen. Ich wollte komplett abschalten. Das war für mich richtig schwer.

Doch schnell habe ich gemerkt, was für einen wahnsinnig positiven Effekt es auf mich hat, von nichts abgelenkt zu werden, einmal nicht auf das reagieren zu müssen, was andere von mir wollen. Ich konnte mich auf das Land, die Kultur, Familie und Freunde fokussieren. In Kolumbien habe ich tatsächlich gar nicht über das Tagesgeschäft nachgedacht. Stattdessen war auf einmal wieder Raum für ganz andere Fragen: Was will ich eigentlich im Leben? Was treibt mich an? Welche tiefen Bedürfnisse habe ich?

Auf die schönen Seiten des Lebens konzentrieren, nicht auf die Probleme

Die besondere Stimmung in Kolumbien tat ihr übriges: Man konzentriert sich auf die schönen Seiten des Lebens, nicht auf die Probleme. Werte wie Familie, Gemeinschaft und menschliche Wärme sind dort sehr wichtig.

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Auch was Corona angeht, gibt es in Kolumbien meinem Empfinden nach einen anderen Umgang. Natürlich gibt es auch dort Corona-Regeln, die Menschen handeln verantwortlich. Aber das Thema ist nicht so dauer-präsent wie bei uns. Zurück in Deutschland hatte ich einen richtigen Kulturschock. Am Flughafen wurde man auf Bildschirmen direkt von den neuesten RKI-Zahlen begrüßt. Im Café blaffte jemand: „Halten Sie doch mal Abstand!“

Ich habe gelernt, die Kontrolle abzugeben

Die Busse in Kolumbien haben keine Abfahrtspläne. Die fahren eben, wenn sie fahren – und man akzeptiert das. Die Dinge sind so, wie sie sind. Diese Form des Kontrollverlusts hat mir gutgetan. Außerdem hatte ich eine einzigartige Erfahrung mitten im Urwald. Wir sind durch einen Nationalpark geritten und mein Pferd machte einfach, was es wollte. Es übernahm komplett die Führung. Ich musste mich damit arrangieren, dass ich keinerlei Einfluss habe. Ich konnte nur die Zügel loslassen und darauf vertrauen, dass das Tier das Richtige tat. Wir ritten auf einem schmalen Pfad, an manchen Stellen wurde es kniffelig. Einmal blieb das Pferd einfach stehen und ich musste warten, bis es sich irgendwann bequemte, weiterzulaufen. Als Unternehmer bin ich es gewohnt, außerhalb meiner Komfortzone zu sein – aber doch nicht so!

Die Auszeit hat bei mir einen Stein ins Rollen gebracht

Ich merke, wie mir die Erfahrungen dabei geholfen haben, das Leben insgesamt leichter zu nehmen. Ich bin viel mehr im Flow. Statt zu grübeln, denke ich mir zum Beispiel: Der Kunde wird sich schon melden. Und wenn nicht, dann eben nicht.

Das bewusste Loslassen hat bei mir einen Stein ins Rollen gebracht. Ich war früher der Ansicht, dass ich überall gefragt bin als Leittier, damit die Qualität stimmt. Jetzt habe ich festgestellt: Das geht auch alles ohne mich. Ich muss nicht mehr überall in CC stehen. Auch mein Team hat die Auszeit sehr positiv aufgenommen. Ich hatte den Eindruck, dass meine Leute dachten: Endlich zieht der sich mal raus!

Ich weiß jetzt: Meine Firma steht auch noch, wenn ich eine Zeit lang nicht präsent bin. Das war eine sehr wertvolle Erfahrung für mich.

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Als klar war, dass ich länger weg sein würde, habe ich zuerst mit meiner Assistentin gesprochen. Mein Plan war, dass sie alle meine Mails bekommt und wir einen Leitfaden erarbeiten, wie sie in welchem Fall reagiert. Als ich sie gefragt habe, ob sie sich das vorstellen kann, kam von ihr sofort: „Ja klar, das mache ich!“ Wir haben uns Kategorien für die Anfragen überlegt, um ihr das Abarbeiten zu erleichtern: Was kann warten? Was übernimmt sie? Was kann jemand aus dem Team übernehmen? Was muss unbedingt an mich? Für Notfälle haben wir vereinbart, dass sie sich per Whatsapp bei mir melden kann. Davon mussten wir aber nie Gebrauch machen. Es hat natürlich geholfen, dass die Tage nach Weihnachten und Silvester bei uns in der Agentur generell eher ruhig sind. Drei engen Kunden gegenüber habe ich direkt kommuniziert, dass ich länger nicht erreichbar sein werde. Unsere Projekte waren gut vorgeplant. Einer Kundin haben wir abgesagt, weil ihr Auftrag nicht realisierbar gewesen wäre. Zudem habe ich meine Abwesenheitsnotiz geschickt formuliert. Statt zu schreiben „Ich bin vom 24. Dezember bis zum 24. Januar verreist“, schrieb ich: „Ich bin ab dem 25. Januar wieder für Sie da, in der Zwischenzeit kümmert sich mein Team um Ihr Anliegen. Meine Assistentin liest alle Nachrichten.“ So habe ich vermittelt: „Sie sind in guten Händen, wir kümmern uns.“ Und gleichzeitig wusste nicht jeder direkt, wie lange ich unterwegs war. Als ich im Nachhinein mit Kunden über meine Reise gesprochen habe, war die Reaktion eigentlich immer: „Das ist ja toll, das gönne ich Ihnen!“ Mein Handy hat mich magisch angezogen Die ersten Tage in Kolumbien ganz ohne Arbeit haben sich komisch angefühlt. Das blaue Icon für Mails auf meinem Handy hat mich magisch angezogen. Ich musste mich sehr zusammenreißen, die App nicht zu öffnen. Ich hatte mich auch dazu entschlossen, in diesem Urlaub keine Wirtschaftsnachrichten zu verfolgen. Ich wollte komplett abschalten. Das war für mich richtig schwer. Doch schnell habe ich gemerkt, was für einen wahnsinnig positiven Effekt es auf mich hat, von nichts abgelenkt zu werden, einmal nicht auf das reagieren zu müssen, was andere von mir wollen. Ich konnte mich auf das Land, die Kultur, Familie und Freunde fokussieren. In Kolumbien habe ich tatsächlich gar nicht über das Tagesgeschäft nachgedacht. Stattdessen war auf einmal wieder Raum für ganz andere Fragen: Was will ich eigentlich im Leben? Was treibt mich an? Welche tiefen Bedürfnisse habe ich? Auf die schönen Seiten des Lebens konzentrieren, nicht auf die Probleme Die besondere Stimmung in Kolumbien tat ihr übriges: Man konzentriert sich auf die schönen Seiten des Lebens, nicht auf die Probleme. Werte wie Familie, Gemeinschaft und menschliche Wärme sind dort sehr wichtig. Auch was Corona angeht, gibt es in Kolumbien meinem Empfinden nach einen anderen Umgang. Natürlich gibt es auch dort Corona-Regeln, die Menschen handeln verantwortlich. Aber das Thema ist nicht so dauer-präsent wie bei uns. Zurück in Deutschland hatte ich einen richtigen Kulturschock. Am Flughafen wurde man auf Bildschirmen direkt von den neuesten RKI-Zahlen begrüßt. Im Café blaffte jemand: „Halten Sie doch mal Abstand!“ Ich habe gelernt, die Kontrolle abzugeben Die Busse in Kolumbien haben keine Abfahrtspläne. Die fahren eben, wenn sie fahren – und man akzeptiert das. Die Dinge sind so, wie sie sind. Diese Form des Kontrollverlusts hat mir gutgetan. Außerdem hatte ich eine einzigartige Erfahrung mitten im Urwald. Wir sind durch einen Nationalpark geritten und mein Pferd machte einfach, was es wollte. Es übernahm komplett die Führung. Ich musste mich damit arrangieren, dass ich keinerlei Einfluss habe. Ich konnte nur die Zügel loslassen und darauf vertrauen, dass das Tier das Richtige tat. Wir ritten auf einem schmalen Pfad, an manchen Stellen wurde es kniffelig. Einmal blieb das Pferd einfach stehen und ich musste warten, bis es sich irgendwann bequemte, weiterzulaufen. Als Unternehmer bin ich es gewohnt, außerhalb meiner Komfortzone zu sein – aber doch nicht so! Die Auszeit hat bei mir einen Stein ins Rollen gebracht Ich merke, wie mir die Erfahrungen dabei geholfen haben, das Leben insgesamt leichter zu nehmen. Ich bin viel mehr im Flow. Statt zu grübeln, denke ich mir zum Beispiel: Der Kunde wird sich schon melden. Und wenn nicht, dann eben nicht. Das bewusste Loslassen hat bei mir einen Stein ins Rollen gebracht. Ich war früher der Ansicht, dass ich überall gefragt bin als Leittier, damit die Qualität stimmt. Jetzt habe ich festgestellt: Das geht auch alles ohne mich. Ich muss nicht mehr überall in CC stehen. Auch mein Team hat die Auszeit sehr positiv aufgenommen. Ich hatte den Eindruck, dass meine Leute dachten: Endlich zieht der sich mal raus! Ich weiß jetzt: Meine Firma steht auch noch, wenn ich eine Zeit lang nicht präsent bin. Das war eine sehr wertvolle Erfahrung für mich.