impulse: Herr Wendt, aus Ihrer Sicht als Soziologe für Gesundheit – inwiefern ist Einsamkeit ein Problem in unserer Gesellschaft?
Claus Wendt: Wir sehen an den Daten des Einsamkeitsbarometers 2024 der Bundesregierung, dass es immer mehr einsame Menschen in Deutschland gibt. Ein Grund dafür ist natürlich die Pandemie: Insgesamt stiegen die Einsamkeitsbelastungen bei der Gesamtbevölkerung von 7,6 Prozent im Jahr 2017 auf 28,2 Prozent 2020. Danach ist der Wert wieder gesunken, auf 11,3 Prozent 2021. Was an den Daten besonders auffällt: Es sind nicht mehr länger allein alte Menschen besonders einsam, sondern vor allem junge zwischen 18 und 25 Jahren.
Aber haben die nicht unglaublich viele Kontakte über soziale Medien?
Das ist ein spannender Punkt: Wir wissen, dass diejenigen, die sehr exzessiv soziale Medien nutzen, häufig unter empfundener Einsamkeit leiden. Diese Form des sozialen Kontakts schützt also nicht vor Einsamkeit.
Was meinen Sie mit „empfundener Einsamkeit“?
Es gibt die Form der Einsamkeit, die sich sehr einfach über die Frage messen lässt: Wie viele Kontakte hat eine Person? In der Psychologie aber geht es darum, ob sich eine Person einsam fühlt, unabhängig von der Anzahl ihrer Kontakte. Wenn Menschen messbar zwar sehr wenige Kontakte haben, sich aber nicht als einsam empfinden und darunter leiden, würden Psychologen vermutlich kein Problem sehen. Aus Soziologenperspektive ist da für mich aber schon ein Zusammenhang: Krank werden vor allem die Menschen, die beides aufweisen – soziale Isolation sowie ein hohes Einsamkeitsempfinden.
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