Tiktok für Unternehmen
Ist Tiktok für Ihr Unternehmen sinnvoll?

Immer mehr Unternehmen nutzen Tiktok. Sollten auch kleinere Betriebe mitziehen? Ein Experte erklärt, wann es sich lohnt – und wer es lieber sein lässt. Plus: Best-Practice-Beispiele kleiner Unternehmen.

Aktualisiert am 9. Oktober 2024, 13:53 Uhr, von Leonie Albrecht, Leitung Newsletter und digitale Produktentwicklung

Tiktok für Unternehmen
Ob sich Tiktok für Ihr Unternehmen lohnt, finden Sie nur heraus, wenn Sie sich mit der Plattform beschäftigen.
© Drew Angerer / Staff / Getty Images

Die Zahl der Tiktok-Nutzerinnen und -Nutzer wächst – und die App wird damit für viele Unternehmen zur wichtigen Social-Media-Plattform. Das zeigen etwa die Ergebnisse der ARD/ZDF-Medienstudie 2024: 18 Prozent der Erwachsenen ab 14 Jahren nutzen Tiktok mindestens einmal wöchentlich. Im Vergleich zu Instagram (37 Prozent der ab 14-Jährigen) und Facebook (33 Prozent) ist das zwar noch wenig – doch die Zahlen steigen.

Spätestens jetzt sollten sich Unternehmerinnen und Unternehmer fragen: Einen Firmenaccount starten, oder es bleiben lassen? Antworten auf die wichtigsten Fragen im Überblick.

Wer nutzt Tiktok?

„Tiktok ist mit einer sehr jungen Zielgruppe gestartet“, sagt Philipp Behncke, Gründer der Tiktok-Agentur Playful Media, die Unternehmen bei ihrer Social-Media-Strategie berät und bei der Erstellung von Inhalten betreut. Als die Plattform 2018 an den Start ging, war die Kernzielgruppe etwa 13 Jahre alt – doch die ist mittlerweile älter geworden. „Viele dieser Teenies sind mittlerweile 18 bis 22 Jahre alt“, erklärt Behncke.

Und es haben sich neue Zielgruppen angeschlossen. Immer mehr 20- bis 30-Jährige nutzen die Plattform, und auch bei den über 30-Jährigen wächst die Zahl. „Die Zielgruppen werden über die Jahre hinweg immer älter und auch die Inhalte verschieben sich so, dass sie für ältere Nutzergruppen interessant werden“, beobachtet Behncke.

Während Tiktok zunächst als Tanz-App bekannt wurde, gibt es mittlerweile viele Nischen-Themen: Fliesenleger, die ihren Alltag filmen. Schmuckhersteller, die zeigen, wie sie ihre Bestellungen anfertigen. Oder auch Coaches und Rechtsanwälte, die Fragen ihrer Community beantworten. Der Tiktok-Experte ist deshalb überzeugt, dass mittlerweile nahezu jedes Unternehmen seine Zielgruppe auf der Plattform findet.

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Was unterscheidet Tiktok von anderen Social-Media-Plattformen?

Kanäle wie Instagram und Facebook setzen vor allem auf das Netzwerk der Nutzerinnen und Nutzer: Wer eine der beiden Apps öffnet, sieht zuerst die Inhalte der Leute, denen er oder sie folgt. Tiktok hingegen stellt das einzelne Video in den Vordergrund. „Jedes Video hat potenziell die Chance, erfolgreich zu werden“, erklärt Experte Behncke. Denn auf der For-You-Page (so der Name für die Startseite in der App) scrollt man durch Videos, die der Algorithmus aussucht – zwischen Videos mit mehreren Millionen Views sind immer auch solche, die nur einige hundertmal angeschaut wurden.

Ein weiterer Unterschied ist besonders zu Instagram auffällig: Dort dreht sich viel um perfekte Bilder und Videos. Auf Tiktok ist das anders. „Man muss sich nicht so viele Gedanken um Perfektion machen wie auf Instagram“, sagt Behncke. Es sind also nicht unbedingt perfekte Videos, die erfolgreich sind, sondern authentische und unterhaltsame Inhalte.

Sollte jedes Unternehmen Tiktok nutzen?

„Ja – aber erstmal nur, um zu lernen“, sagt Behncke. Bevor Unternehmerinnen und Unternehmer entscheiden, ob ihre Firma einen aktiven Tiktok-Kanal braucht, sollte sich mindestens eine Person aus dem Team intensiv damit beschäftigen, rät der Experte: „Man muss sich erst einmal ein Bild machen. Und das geht nicht, wenn man nur Zeitungsartikel liest oder Youtube-Videos schaut. Man muss wirklich in die App reingehen und ein Gefühl dafür entwickeln.“

In den letzten Jahren zeigt sich bereits, dass nicht nur auf Tiktok Video-Formate immer relevanter werden. Die Plattform sei deshalb eine gute Chance, um das Format besser zu verstehen, Kompetenzen aufzubauen und Prozesse zu entwickeln. „Selbst wenn der Account nicht direkt erfolgreich wird, professionalisiert man sich über die Jahre in der Videoerstellung“, sagt der Tiktok-Experte.

Ist es jetzt noch sinnvoll, als kleines Unternehmen mit Tiktok zu starten?

„Tiktok ist eine relativ neue Plattform. Hier gibt es eine höhere organische Reichweite als auf anderen Plattformen“, sagt der Experte. „Jetzt hat man die Chance, mit ein paar Posts und wenigen Followern schon mehrere tausend Views zu generieren.“

Ähnliches konnte man in der Vergangenheit auch bei Facebook und Instagram beobachten: Anfangs war es einfach, mit unbezahlten – also organischen – Postings Reichweite zu generieren. Mittlerweile hat das stark nachgelassen – eine ähnliche Entwicklung vermutet der Experte auch bei Tiktok: „Wenn die Plattform weiterwächst und man zögerlich entscheidet, aktiv zu werden, dann wird es sehr viel schwieriger sein, eine Community aufzubauen und Reichweite zu generieren.“ Er sieht insbesondere eine gute Gelegenheit für kleine Unternehmen, sich noch vor den großen Playern auf der Plattform zu etablieren.

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Tiktok für Unternehmen: Für wen lohnt es sich nicht?

Auch wenn Behncke viel Potenzial für Unternehmen auf der Plattform sieht, weiß er, dass sie nicht für jeden gemacht ist: „Wer andere Social-Media-Apps noch nicht richtig verstanden hat oder beherrscht, für den lohnt sich das eher nicht.“

Dennoch rät er davon ab, vorschnell davon auszugehen, dass Tiktok fürs eigene Unternehmen ungeeignet sei, weil es nicht zum Betrieb passt. Es gebe auch Beispiele, die das Gegenteil zeigen, sagt Behncke. Etwa das Bestattungsunternehmen Burger aus Fürth, das in Videos über Themen rund um Tod und Trauer aufklärt. Laut Behncke ist das eine Branche, die sich die wenigsten auf Tiktok vorstellen können. Doch das Unternehmen erzielt mit seinen Videos hohe Reichweiten: 1,3 Millionen Nutzerinnen und Nutzer folgen dem Bestatter.

Schwierig ist Tiktok allerdings für das B2B-Geschäft. Wer über die Plattform seine Business-Kontakte erreichen will, ist dort falsch. Während Geschäftskunden auf Plattformen wie Linkedin oder Xing offen für berufliche Inhalte sind, dient Tiktok vorwiegend der Unterhaltung.

Mit welchen Zielen sollte man die Plattform nutzen?

Grundsätzlich lassen sich Marketingziele von anderen Social-Media-Kanälen auch auf Tiktok übertragen. Trotzdem müssen Unternehmer überlegen, was sinnvoll ist: „Werbung funktioniert in der App nicht besonders gut. Wenn man werbliche Inhalte zu schnell oder zu offensichtlich erkennt, haben die Videos keine guten Chancen, erfolgreich zu sein“, sagt der Experte. Um mit Tiktok Verkäufe zu erzielen, müssten Unternehmen sich viel Mühe geben, die Werbung kreativ zu verpacken.

Deshalb sieht Behncke Tiktok vor allem als Kanal, um die Markenbekanntheit zu erhöhen. Auch fürs Recruiting können Unternehmen die Plattform gut nutzen. Zentral sei auch hier die Kreativität der Inhalte.

Wie funktioniert Employer Branding über Tiktok-Videos?

Wie Recruiting über Tiktok funktionierenn kann, zeigt etwa der Motoren- und Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg aus Künzelsau, der den Kanal ausschließlich nutzt, um als Arbeitgeber bekannt zu werden. In den Videos stellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise typische Situationen aus dem Büroalltag nach und manchmal tanzt sogar der Chef. Damit hat das Unternehmen mittlerweile mehr als 100.000 Follower gewinnen können. Und die Strategie geht auf: In den Kommentarspalten fragen Nutzerinnern und Nutzer nach freien Arbeitsplätzen und wie sie sich bewerben können.

Auch die Buchhandlung Hugendubel nutzt Tiktok, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu zeigen: Auf dem Account stellen sich etwa Azubis und Mitarbeitende vor, sie beantworten Fragen zu ihrer Arbeit als Buchhändler und empfehlen Bücher – oft mit Humor. Durch die Videos bekommt das Unternehmen viel Aufmerksamkeit: Mehr als 160.000 Personen folgen dem Account.

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Ein weiteres Beispiel für modernes Recruiting auf TikTok ist der Karrierekanal des Baumarkts Bauhaus. Der Kanal ist erst im Juni 2024 gestartet und hat bereits mehr als 13.000 Follower gewonnen. Wie das gelingt? Das Unternehmen setzt auf Gen-Z-spezifische Themen, die es zielgruppengerecht in Szene setzt. Die Auszubildenden zeigen etwa Einblicke in ihr Arbeitsleben und präsentieren das Unternehmen so als sympathischen Arbeitgeber.

Welche ersten Schritte gibt es zu beachten?

Bevor Unternehmen die ersten Videos hochladen, sollten sie sich mit der Plattform vertraut machen. Sie sollten beispielsweise schauen, ob die Konkurrenz oder vergleichbare Unternehmen bereits Videos produzieren. So kann man sich ein Bild machen: Wie sehen die Inhalte aus? Und vor allem: Wie kommen sie bei den Nutzerinnen und Nutzern an? Was kommentieren sie? So lässt sich besser einordnen, ob sich ein Account lohnen wird.

Nach dieser Recherche sollten Unternehmen überlegen, was sie auf der Plattform machen wollen. „Es gibt schon viele Videos auf Tiktok und man kann zum Beispiel Formate adaptieren“, rät der Experte. „Sie müssen auf jeden Fall kreativ sein und in dem Feed zwischen all den anderen herausstechen.“ Dazu zählt auch ein gewisser Qualitätsstandard. Dafür ist kein Profi-Equipment nötig: Meist reicht eine gute Handykamera, beim Ton kann ein externes Mikrofon helfen.

Wie genau erreicht man seine Zielgruppe auf Tiktok?

Wie auf anderen Social-Media-Apps lässt sich auch der Tiktok-Algorithmus trainieren. Dazu sollten Unternehmen entsprechende Hashtags recherchieren, ihnen folgen und sie auch selbst nutzen. Auch hier ist die Buchhandlung Hugendubel ein gutes Beispiel: Unter Hashtags wie #booktok, #booktokgermany oder #buchtipp tauschen sich Nutzende über Buchtipps aus. Das Unternehmen verwendet diese Hashtags ebenfalls, um in der Zielgruppe als relevant erkannt zu werden. Dazu greift es auch aktuelle Trends der „booktok“-Community auf und Mitarbeitende gehen auf Kommentare und Fragen der Nutzer ein.

Wer die App fürs Recruiting nutzt, kann in den Videos nicht nur den Job beschreiben, sondern auch auf den Standort eingehen. Zum Beispiel, indem man das Video draußen dreht oder Besonderheiten der Stadt nennt. Und auch hier helfen Hashtags weiter (zum Beispiel für Bielefeld: #bielefeld #bielefeldcity #bielefelder). Dann sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Videos lokal ausgespielt werden, sagt Experte Behncke – auch wenn man es nicht garantieren könne.

Wie viel Zeit muss man in die Plattform stecken?

„Wenn man startet, sollte man mindestens einmal pro Woche posten, sonst verliert man an Relevanz“, sagt Behncke. Optimal seien etwa zwei bis drei Videos pro Woche. Im Gegensatz zu Facebook oder Instagram müssen Unternehmerinnen und Unternehmer sich keine Gedanken um den besten Zeitpunkt machen, um etwas zu posten. Da die Videos nicht chronologisch ausgespielt, sondern vom Algorithmus ausgewählt werden, kann man jederzeit posten.

Der hohe zeitliche Aufwand ist ein Bedenken, das dem Experten immer wieder begegnet: „Viele denken, sie müssten jeden Tag zehn Stunden in der App verbringen, um jeden Trend mitzubekommen.“ Doch das sei ein Trugschluss. Anfangs müsse man zwar Zeit auf der Plattform verbringen, um sie und ihre Sprache zu verstehen, aber: „Ich kenne auch Personen, die sind jeden Tag zehn Minuten in der App und damit erfolgreich“, sagt Behncke.

Eigene Formate entwickeln

„Die meisten Unternehmen, die es richtig gut machen, folgen keinen Trends, sondern entwickeln eigene Formate“, sagt der Experte. Als Beispiel nennt er etwa den Account des Geldratgebers Finanztip. Statt Trends und Tänze zu kopieren, haben sich die Macherinnen eine eigene Darstellung überlegt, mit eigenem Intro und regelmäßigen Formaten.

Außerdem, warnt Behncke, seien viele Tiktok-Trends mit Liedern verbunden, die urheberrechtlich geschützt sind. Unternehmen, die solchen Trends folgen wollen, sollten sich über die Rechte vorab informieren.

Tiktok und Datenschutz

Tiktok steht immer wieder in Sachen Datenschutz in der Kritik. So sollen Hacker auf persönliche Daten zugegriffen haben. Im Raum steht zudem der Verdacht, der chinesische Mutterkonzern ByteDance würde mit der chinesischen Regierung in Verbindung stehen. Der Algorithmus soll etwa regierungskritische Videos automatisch gelöscht haben. Die Plattform bestreitet diese Vorwürfe.

Unternehmen, die Tiktok nutzen wollen, sollten sich daher auch Gedanken machen, welche Datenschutzrisiken die Plattform mit sich bringen könnte. Die Angestellten beim Motoren- und Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg nutzen die App etwa nur auf privaten Handys und dürfen sie nicht auf Diensttelefonen installieren.

Der Experte
Philipp Behncke ist seit 2018 als Creator auf Tiktok unterwegs. Dabei fielen ihm viele Fehler auf, die Marken auf der Plattform machen. 2020 gründete er die Tiktok-Agentur Playful Media, die Unternehmen aus allen Branchen zu ihrer Strategie berät und deren Accounts betreut.

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