New Work
„Das New-Work-Gebrabbel nervt!“

Bernhard Kuntz leitet eine PR-Agentur. Verblüfft bis verstört guckt er auf Agenturen, die im Namen der „New Work“-Philosophie statt 40 Stunden die Woche nur noch 25 Stunden arbeiten. Eine Abrechnung.

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Nine to two statt nine to five: Den 5-Stunden-Arbeitstag und andere New-Work-Konzepte hält Bernhard Kuntz für Mogelpackungen.
Nine to two statt nine to five: Den 5-Stunden-Arbeitstag und andere New-Work-Konzepte hält Bernhard Kuntz für Mogelpackungen.
© impulse

Soeben las ich mal wieder einen Artikel zum Thema New Work mit der Überschrift „Niemand kann sich acht Stunden konzentrieren“. In ihm wird Lasse Rheingans, der Inhaber beziehungsweise Geschäftsführer der Agentur Rheingans Digital Enabler in Bielefeld, interviewt. Rheingans hat in seinem Unternehmen die 25-Stunden-Woche eingeführt – „bei vollen Gehalt“.

In diesem Unternehmen werden laut dem Artikel, um „die Arbeit von 8 Stunden derart zu verdichten, alle potenziellen Ablenkungen vermieden“: Die Mitarbeiter „arbeiten einen Wochenplan ab, nutzen keine privaten Smartphones und chatten nicht, es gibt keinen Kaffeeküchentratsch und keine Social Media am Rechner. Gefragt ist volle Konzentration auf die gesetzten Ziele. Zum Lohn gibt es bei Vollzeit-Gehalt einen frühen Feierabend – und freiwillige Teamtreffen zum Mittagessen nach der Arbeit.“

Selbstverständlich hat der Inhaber der Agentur, der auch Speaker zum Thema New Work ist, über dieses Arbeitszeitmodell ein Buch geschrieben. Sein Titel: „Die 5-Stunden-Revolution – Wer Erfolg will, muss Arbeit neu denken“. In ihm erklärt Rheingans laut Verlagsangaben, warum ein 5-Stunden-Tag wie in seinem Unternehmen zukunftsweisend ist.

Ich hätte da ein paar Fragen an die New-Worker …

Gelesen habe ich das im Campus Verlag frisch erschienene Buch (noch) nicht, weil mich die oberflächlichen Artikel über dieses in der Zeit, der Wirtschaftswoche, der Bild-Zeitung schon nervten [Anmerkung der Redaktion: Auch impulse.de berichtete]. In ihnen fragte kein Journalist zum Beispiel mal nach:

  • „Und wie viel Geld zahlen Sie nun Ihren Mitarbeitern für eine (25-Stunden-)Vollzeit-Stelle? Dieselben ‚Hungerlöhne‘ wie viele andere Agenturen oder …?“
  • „Sind die Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig bei Ihnen beschäftigt oder sind diese weitgehend ‚Freelancer‘?“
  • „Wie viele Urlaubstage haben Ihre fest angestellten Mitarbeiter pro Jahr? 30 Tage oder nur die gesetzlich vorgeschriebenen 20 Tage wie in vielen Agenturen?“
  • „Wie ist die Altersstruktur Ihrer Mitarbeiter? Handelt sich bei ihnen weitgehend um Studenten und junge Mütter, die ohnehin nur maximal 25 Stunden die Woche arbeiten möchten oder dürfen oder sind sie die ‚Haupternährer‘ ihrer Familien?“
  • „Wie viele Praktikanten sind unter Ihren Mitarbeitern?“

… und wo bleiben die Freiräume zum kreativen Arbeiten?

Da mich das interessierte, schaute ich mal auf die Webseite von Rheingans Digital Enabler. Mein Eindruck: Von den dort abgebildeten 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind außer dem Geschäftsführer maximal zwei, drei knapp über 30. Entsprechend groß dürfte der Anteil der Noch-Studierenden, Praktikanten und jungen Mütter sein.

Leider fragt niemand mal kritisch nach, wenn der Buchautor zum Thema „New Work“ etwa einerseits sagt: „Es geht gar nicht so sehr um die Zeit, sondern um die Einstellung zur Arbeit. Die sollte ergebnisorientiert sein. Kreative Prozesse kann man nicht in Zeit ausdrücken; der eine arbeitet schnell, der andere langsam.“ Und andererseits einige Abschnitte weiter: „Ich frage aber regelmäßig nach, ob alle noch bereit sind, den Preis zu bezahlen. Und der ist: Diese Arbeit ist extrem anstrengend, denn man erledigt in fünf Stunden so viel wie anderswo in acht. Jeder muss enormen Einsatz und Energie investieren.“ Ich frage mich: Wo bleiben da die Freiräume, die man – wie ich mal hörte – zum kreativen Arbeiten braucht?

„New Work“ oder moderne (Selbst-)Ausbeutung?

Wenn ich so etwas lese, dann frage ich mich: Ist das nicht eine neue Form der – scheinbar freiwilligen – (Selbst-)Ausbeutung, die jedoch verkaufsfördernd mit einem New-Work-Mäntelchen umhüllt wird?

Der Gastautor
Bernhard Kuntz ist Inhaber der auf Berater, Trainer und Coaches spezialisierten Marketing- und PR-Agentur „Die PRofilBerater“ in Darmstadt. Er ist unter anderem Autor der Bildungs- und Beratungsmarketing-Fachbücher „Die Katze im Sack verkaufen – off- und online“ und „Fette Beute für Trainer und Berater“.

Klar ist mir jedoch: Dies ist nicht die Arbeitsform, die ich mir für mich selbst und meine Mitarbeiter wünsche – gerade, weil sich niemand acht Stunden konzentrieren kann (und auch nur fünf Stunden schwer am Stück).  Gerade deshalb möchte ich keinen Arbeitstag, der so verdichtet ist, dass ich nicht auch mal:

  • „tratschen“ kann,
  • eine Zigarette vor der Tür rauchen kann,
  • den Sportteil in der Zeitung durchblättern kann oder
  • eine Partie „Internet-Backgammon“ spielen kann,

wenn ich das Gefühl habe: „Ich brauche diese Auszeit beziehungsweise diesen Abstand jetzt“.

Im Gegenteil! Ich erachte es zuweilen sogar als meine Pflicht als Vorgesetzter, den Tratsch und das Gespräch über Dinge, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, und das gemeinsame Kaffee-Trinken in meinem Büro zu stimulieren. Und selbstverständlich sollen meine Mitarbeiter während ihrer Arbeitszeit mal mit ihrem Partner telefonieren oder eine WhatsApp-Nachricht von ihren Kindern lesen können. Alles andere wäre aus meiner Warte inhuman und würde ihrer Lebenssituation nicht gerecht; außerdem würde es weder die Effektivität, noch die Kreativität fördern, sondern nur den Arbeitsdruck erhöhen.

New-Work-Protagonisten sind für mich keine Vorbilder

Solche Arbeitsformen und Arbeitszeitmodelle wie etwa bei der Agentur Rheingans mögen aufgrund der Mitarbeiterstruktur und Arbeitsinhalte im Einzelfall durchaus ihre Berechtigung haben. Aber eignen sie sich als die Vorbilder die Wirtschaft? In meinen Augen nicht. Denn bei einem näheren Hinsehen handelt es sich bei den Unternehmen in der Regel um Digital-Agenturen oder Beratungsunternehmen, die maximal ein, zwei Dutzend Mitarbeiter beschäftigten.

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Als Vorbilder für die „Arbeit von morgen“ in größeren Unternehmen, deren Belegschaften viel heterogener sind, taugen sie meist nicht – auch weil bei einer solchen Arbeitsverdichtung wie beim propagierten 5-Stunden-Tag keine emotionale Bindung ans Unternehmen entsteht. Vielmehr reißen die Mitarbeiter, so meine Vermutung, im Idealfall hochkonzentriert ihre fünf Stunden herunter, und dann verlassen sie mit einem Seufzer der Erleichterung das Büro. Deshalb noch eine Frage an die New-Work-Protagonisten: „Wie lange ist die Verweildauer der Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen?“

Soeben las ich mal wieder einen Artikel zum Thema New Work mit der Überschrift „Niemand kann sich acht Stunden konzentrieren“. In ihm wird Lasse Rheingans, der Inhaber beziehungsweise Geschäftsführer der Agentur Rheingans Digital Enabler in Bielefeld, interviewt. Rheingans hat in seinem Unternehmen die 25-Stunden-Woche eingeführt – „bei vollen Gehalt“. In diesem Unternehmen werden laut dem Artikel, um „die Arbeit von 8 Stunden derart zu verdichten, alle potenziellen Ablenkungen vermieden“: Die Mitarbeiter „arbeiten einen Wochenplan ab, nutzen keine privaten Smartphones und chatten nicht, es gibt keinen Kaffeeküchentratsch und keine Social Media am Rechner. Gefragt ist volle Konzentration auf die gesetzten Ziele. Zum Lohn gibt es bei Vollzeit-Gehalt einen frühen Feierabend - und freiwillige Teamtreffen zum Mittagessen nach der Arbeit.“ Selbstverständlich hat der Inhaber der Agentur, der auch Speaker zum Thema New Work ist, über dieses Arbeitszeitmodell ein Buch geschrieben. Sein Titel: „Die 5-Stunden-Revolution – Wer Erfolg will, muss Arbeit neu denken“. In ihm erklärt Rheingans laut Verlagsangaben, warum ein 5-Stunden-Tag wie in seinem Unternehmen zukunftsweisend ist. Ich hätte da ein paar Fragen an die New-Worker … Gelesen habe ich das im Campus Verlag frisch erschienene Buch (noch) nicht, weil mich die oberflächlichen Artikel über dieses in der Zeit, der Wirtschaftswoche, der Bild-Zeitung schon nervten [Anmerkung der Redaktion: Auch impulse.de berichtete]. In ihnen fragte kein Journalist zum Beispiel mal nach: „Und wie viel Geld zahlen Sie nun Ihren Mitarbeitern für eine (25-Stunden-)Vollzeit-Stelle? Dieselben ‚Hungerlöhne‘ wie viele andere Agenturen oder …?“ „Sind die Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig bei Ihnen beschäftigt oder sind diese weitgehend ‚Freelancer‘?“ „Wie viele Urlaubstage haben Ihre fest angestellten Mitarbeiter pro Jahr? 30 Tage oder nur die gesetzlich vorgeschriebenen 20 Tage wie in vielen Agenturen?“ „Wie ist die Altersstruktur Ihrer Mitarbeiter? Handelt sich bei ihnen weitgehend um Studenten und junge Mütter, die ohnehin nur maximal 25 Stunden die Woche arbeiten möchten oder dürfen oder sind sie die ‚Haupternährer‘ ihrer Familien?“ „Wie viele Praktikanten sind unter Ihren Mitarbeitern?“ … und wo bleiben die Freiräume zum kreativen Arbeiten? Da mich das interessierte, schaute ich mal auf die Webseite von Rheingans Digital Enabler. Mein Eindruck: Von den dort abgebildeten 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind außer dem Geschäftsführer maximal zwei, drei knapp über 30. Entsprechend groß dürfte der Anteil der Noch-Studierenden, Praktikanten und jungen Mütter sein. Leider fragt niemand mal kritisch nach, wenn der Buchautor zum Thema „New Work“ etwa einerseits sagt: „Es geht gar nicht so sehr um die Zeit, sondern um die Einstellung zur Arbeit. Die sollte ergebnisorientiert sein. Kreative Prozesse kann man nicht in Zeit ausdrücken; der eine arbeitet schnell, der andere langsam.“ Und andererseits einige Abschnitte weiter: „Ich frage aber regelmäßig nach, ob alle noch bereit sind, den Preis zu bezahlen. Und der ist: Diese Arbeit ist extrem anstrengend, denn man erledigt in fünf Stunden so viel wie anderswo in acht. Jeder muss enormen Einsatz und Energie investieren.“ Ich frage mich: Wo bleiben da die Freiräume, die man – wie ich mal hörte – zum kreativen Arbeiten braucht? „New Work“ oder moderne (Selbst-)Ausbeutung? Wenn ich so etwas lese, dann frage ich mich: Ist das nicht eine neue Form der – scheinbar freiwilligen – (Selbst-)Ausbeutung, die jedoch verkaufsfördernd mit einem New-Work-Mäntelchen umhüllt wird? Klar ist mir jedoch: Dies ist nicht die Arbeitsform, die ich mir für mich selbst und meine Mitarbeiter wünsche – gerade, weil sich niemand acht Stunden konzentrieren kann (und auch nur fünf Stunden schwer am Stück).  Gerade deshalb möchte ich keinen Arbeitstag, der so verdichtet ist, dass ich nicht auch mal: „tratschen“ kann, eine Zigarette vor der Tür rauchen kann, den Sportteil in der Zeitung durchblättern kann oder eine Partie „Internet-Backgammon“ spielen kann, wenn ich das Gefühl habe: „Ich brauche diese Auszeit beziehungsweise diesen Abstand jetzt“. Im Gegenteil! Ich erachte es zuweilen sogar als meine Pflicht als Vorgesetzter, den Tratsch und das Gespräch über Dinge, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, und das gemeinsame Kaffee-Trinken in meinem Büro zu stimulieren. Und selbstverständlich sollen meine Mitarbeiter während ihrer Arbeitszeit mal mit ihrem Partner telefonieren oder eine WhatsApp-Nachricht von ihren Kindern lesen können. Alles andere wäre aus meiner Warte inhuman und würde ihrer Lebenssituation nicht gerecht; außerdem würde es weder die Effektivität, noch die Kreativität fördern, sondern nur den Arbeitsdruck erhöhen. New-Work-Protagonisten sind für mich keine Vorbilder Solche Arbeitsformen und Arbeitszeitmodelle wie etwa bei der Agentur Rheingans mögen aufgrund der Mitarbeiterstruktur und Arbeitsinhalte im Einzelfall durchaus ihre Berechtigung haben. Aber eignen sie sich als die Vorbilder die Wirtschaft? In meinen Augen nicht. Denn bei einem näheren Hinsehen handelt es sich bei den Unternehmen in der Regel um Digital-Agenturen oder Beratungsunternehmen, die maximal ein, zwei Dutzend Mitarbeiter beschäftigten. Als Vorbilder für die „Arbeit von morgen“ in größeren Unternehmen, deren Belegschaften viel heterogener sind, taugen sie meist nicht – auch weil bei einer solchen Arbeitsverdichtung wie beim propagierten 5-Stunden-Tag keine emotionale Bindung ans Unternehmen entsteht. Vielmehr reißen die Mitarbeiter, so meine Vermutung, im Idealfall hochkonzentriert ihre fünf Stunden herunter, und dann verlassen sie mit einem Seufzer der Erleichterung das Büro. Deshalb noch eine Frage an die New-Work-Protagonisten: „Wie lange ist die Verweildauer der Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen?“
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