Tiktok für Unternehmen
Lohnt sich Tiktok für kleine Betriebe?

Immer mehr Unternehmen legen sich einen Tiktok-Account an. Sollten auch kleinere Betriebe mitziehen? Ein Tiktok-Experte erklärt, für wen sich die Plattform lohnt – und wer es lieber sein lässt.

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Tiktok für Unternehmen
© Drew Angerer / Staff / Getty Images

Keine Social-Media-Plattform wächst aktuell so schnell wie Tiktok: 3,97 Millionen Personen in Deutschland nutzen die App im Monat. Im Vergleich zu Facebook (32 Millionen) und Instagram (21 Millionen) ist das zwar noch wenig, doch die Zahlen steigen. Spätestens jetzt sollten sich Unternehmerinnen und Unternehmer fragen: Einen Firmenaccount starten, oder es bleiben lassen? Antwort auf die wichtigsten Fragen im Überblick.

Welche Zielgruppe nutzt Tiktok?

„Tiktok ist mit einer sehr jungen Zielgruppe gestartet“, sagt Philipp Behncke, Gründer der Tiktok-Agentur Playful Media, die Unternehmen bei ihrer Social-Media-Strategie berät und bei der Erstellung von Inhalten betreut. Als Tiktok 2018 an den Start ging, war die Kernzielgruppe etwa 13 Jahre alt – doch die ist mittlerweile älter geworden. „Viele dieser Teenies sind mittlerweile 17 bis 20 Jahre alt“, erklärt Behncke.

Und es haben sich neue Zielgruppen angeschlossen. Immer mehr 20- bis 30-Jährige nutzen die Plattform, und auch bei den über 30-Jährigen wächst die Zahl. „Die Zielgruppen werden über die Jahre hinweg immer älter und auch die Inhalte verschieben sich so, dass sie für ältere Nutzergruppen interessant werden“, beobachtet Behncke.

Während Tiktok zunächst als Tanz-App bekannt wurde, gibt es mittlerweile viele Nischen-Themen: Fliesenleger, die ihren Alltag filmen. Schmuckhersteller, die zeigen, wie sie ihre Bestellungen anfertigen. Oder auch Coaches und Rechtsanwälte, die Fragen ihrer Community beantworten. Der Tiktok-Experte ist deshalb überzeugt, dass mittlerweile nahezu jedes Unternehmen seine Zielgruppe auf der Plattform findet.

Was unterscheidet Tiktok von anderen Social-Media-Plattformen?

Kanäle wie Instagram und Facebook setzen vor allem auf das Netzwerk der Nutzerinnen und Nutzer: Wer eine der beiden Apps öffnet, sieht zuerst die Inhalte der Leute, denen er oder sie folgt. Tiktok hingegen stellt das einzelne Video in den Vordergrund. „Jedes Video hat potenziell die Chance, erfolgreich zu werden“, erklärt Tiktok-Experte Behncke. Denn auf der For-You-Page (so der Name für die Startseite in der App) scrollt man durch Videos, die der Algorithmus aussucht – zwischen Videos mit mehreren Millionen Views sind immer auch solche, die nur einige hundertmal angeschaut wurden.

Ein weiterer Unterschied ist besonders zu Instagram auffällig: Dort dreht sich viel um perfekte Bilder und Videos. Auf Tiktok ist das anders. „Man muss sich nicht so viele Gedanken um Perfektion machen wie auf Instagram“, sagt Behncke. Es sind also nicht unbedingt perfekte Videos, die auf Tiktok erfolgreich sind, sondern authentische und unterhaltsame Inhalte.

Sollten sich alle Unternehmen einen Tiktok-Account anlegen?

„Ja – aber erstmal nur, um zu lernen“, sagt Behncke. Bevor Unternehmerinnen und Unternehmer entscheiden, ob ihre Firma einen aktiven Tiktok-Kanal braucht, sollte sich mindestens eine Person aus dem Team intensiv damit beschäftigen, rät der Experte: „Man muss sich erst einmal ein Bild machen. Und das geht nicht, wenn man nur Zeitungsartikel liest oder Youtube-Videos schaut. Man muss wirklich in die App reingehen und ein Gefühl dafür entwickeln.“

Langfristig erwartet Behncke, dass Video-Formate auch abseits von Tiktok relevanter werden. Die Plattform sei deshalb eine gute Chance, um das Format besser zu verstehen, Kompetenzen aufzubauen und Prozesse zu entwickeln. „Selbst wenn der Account nicht direkt erfolgreich wird, professionalisiert man sich über die Jahre in der Videoerstellung“, sagt der Tiktok-Experte.

Zur Person
Philipp Behncke ist seit 2018 als Creator auf Tiktok unterwegs. Dabei fielen ihm viele Fehler auf, die Marken auf der Plattform machen. 2020 gründete er die Tiktok-Agentur Playful Media, die Unternehmen aus allen Branchen zu ihrer Tiktok-Strategie berät und deren Accounts betreut.

Ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um als kleines Unternehmen mit Tiktok zu starten?

„Tiktok ist eine relativ neue Plattform. Hier gibt es eine höhere organische Reichweite als auf anderen Plattformen“, sagt der Tiktok-Experte. „Jetzt hat man die Chance, mit ein paar Posts und wenigen Followern schon mehrere tausend Views zu generieren.“

Ähnliches konnte man in der Vergangenheit auch bei Facebook und Instagram beobachten: Anfangs war es einfach, mit unbezahlten – also organischen – Postings Reichweite zu generieren. Mittlerweile hat das stark nachgelassen – eine ähnliche Entwicklung vermutet der Experte auch bei Tiktok: „Wenn die Plattform weiterwächst und man in fünf Jahren entscheidet, aktiv zu werden, dann wird es sehr viel schwieriger sein, eine Community aufzubauen und Reichweite zu generieren.“ Er sieht insbesondere eine gute Gelegenheit für kleine Unternehmen, sich noch vor den großen Playern auf der Plattform zu etablieren.

Für welche Unternehmen lohnt sich Tiktok nicht?

Auch wenn Tiktok-Experte Behncke viel Potenzial für Unternehmen auf der Plattform sieht, weiß er, dass sie nicht für jeden gemacht ist: „Wer andere Social-Media-Apps noch nicht richtig verstanden hat oder beherrscht, für den lohnt sich das eher nicht.“

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Dennoch rät der Experte davon ab, vorschnell davon auszugehen, dass Tiktok fürs eigene Unternehmen ungeeignet sei, weil es nicht zum Betrieb passt. Es gebe auch Beispiele, die das Gegenteil zeigen, sagt er. Etwa das Bestattungsunternehmen Burger aus Fürth, das in Tiktok-Videos über Themen rund um Tod und Trauer aufklärt. Laut Behncke ist das eine Branche, die sich die wenigsten auf Tiktok vorstellen können. Doch das Bestattungsunternehmen erzielt mit seinen Videos hohe Reichweiten: 1,1 Millionen Nutzerinnen und Nutzer folgen dem Bestatter.

Mit welchen Zielen sollte man die Plattform nutzen?

Grundsätzlich lassen sich Marketingziele von anderen Social-Media-Kanälen auch auf Tiktok übertragen. Trotzdem müssen Unternehmer überlegen, was sinnvoll ist: „Werbung funktioniert in der App nicht besonders gut. Wenn man werbliche Inhalte zu schnell oder zu offensichtlich erkennt, haben die Videos keine guten Chancen, erfolgreich zu sein“, sagt der Tiktok-Experte. Um mit Tiktok Verkäufe zu erzielen, müssten Unternehmen sich viel Mühe geben, die Werbung kreativ zu verpacken.

Deshalb sieht Behncke Tiktok vor allem als Kanal, um die Markenbekanntheit zu erhöhen. Auch fürs Recruiting können Unternehmen die Plattform gut nutzen. Zentral sei auch hier die Kreativität der Inhalte.

Lohnt sich Tiktok auch im B2B?

Wer über Tiktok seine Business-Kontakte erreichen will, ist dort falsch. Während Geschäftskunden auf Plattformen wie Linkedin oder Xing offen für berufliche Inhalte sind, dient Tiktok vorwiegend der Unterhaltung.

Vielversprechend für B2B-Unternehmen ist hingegen, sich auf das Recruiting über Tiktok zu konzentrieren. Das zeigt etwa der Motoren- und Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg aus Künzelsau, der den Kanal ausschließlich nutzt, um als Arbeitgeber bekannt zu werden. In den Videos stellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise typische Situationen aus dem Büroalltag nach und manchmal tanzt sogar der Chef. Damit hat das Unternehmen mittlerweile rund 95.000 Follower gewinnen können. Und die Strategie geht auf: In den Kommentarspalten fragen Nutzerinnern und Nutzer nach freien Arbeitsplätzen und wie sie sich bewerben können.

Wie genau erreicht man seine Zielgruppe auf Tiktok?

Wie auf anderen Social-Media-Apps lässt sich auch der Tiktok-Algorithmus trainieren. Dazu sollten Unternehmen entsprechende Hashtags recherchieren, ihnen folgen und sie auch selbst nutzen. Das zeigt zum Beispiel der Online Shop Miralina’s, der halal Süßigkeiten verkauft, also Ware, die muslimischen Speisevorschriften entspricht. Unter den Videos finden sich regelmäßig die Hashtags #halalsüssigkeiten #halalsweets #muslimthings.

Wer die App fürs Recruiting nutzt, kann in den Videos nicht nur den Job beschreiben, sondern auch auf den Standort eingehen. Zum Beispiel, indem man das Video draußen dreht oder Besonderheiten der Stadt nennt. Und auch hier helfen Hashtags weiter (zum Beispiel für Bielefeld: #bielefeld #bielefeldcity #bielefelder usw.) Dann sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Videos lokal ausgespielt werden, sagt Tiktok-Experte Behncke – auch wenn man es nicht garantieren könne.

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Welche ersten Schritte gibt es zu beachten?

Bevor Unternehmen die ersten Videos hochladen, sollten sie sich mit der Plattform vertraut machen. Sie sollten beispielsweise schauen, ob die Konkurrenz oder vergleichbare Unternehmen bereits Videos produzieren. So kann man sich ein Bild machen: Wie sehen die Inhalte aus? Und vor allem: Wie kommen sie bei den Nutzerinnen und Nutzern an? Was kommentieren sie? So lässt sich besser einordnen, ob sich ein Account lohnen wird.

Nach dieser Recherche sollten Unternehmen überlegen, was sie auf der Plattform machen wollen. „Es gibt schon viele Videos auf Tiktok und man kann zum Beispiel Formate adaptieren“, rät der Experte. „Sie müssen auf jeden Fall kreativ sein und in dem Feed zwischen all den anderen herausstechen.“ Dazu zählt auch ein gewisser Qualitätsstandard. Dafür ist kein Profi-Equipment nötig: Meist reicht eine gute Handykamera, beim Ton kann ein externes Mikrofon helfen.

Wie viel Zeit muss man in die Plattform stecken?

„Wenn man startet, sollte man mindestens einmal pro Woche posten, sonst verliert man an Relevanz“, sagt Behncke. Optimal seien etwa zwei bis drei Videos pro Woche. Im Gegensatz zu Facebook oder Instagram müssen Unternehmerinnen und Unternehmer sich keine Gedanken um den besten Zeitpunkt machen, um etwas zu posten. Da die Videos nicht chronologisch ausgespielt, sondern vom Algorithmus ausgewählt werden, kann man jederzeit posten.

Der hohe zeitliche Aufwand ist eine Bedenken, die dem Tiktok-Experten immer wieder begegnet: „Viele denken, sie müssten jeden Tag zehn Stunden in der App verbringen, um jeden Trend mitzubekommen.“ Doch das sei ein Trugschluss. Anfangs müsse man zwar Zeit auf der Plattform verbringen, um sie und ihre Sprache zu verstehen, aber: „Ich kenne auch Personen, die sind jeden Tag zehn Minuten in der App und damit erfolgreich“, sagt Behncke.

Eigene Formate entwickeln

„Die meisten Unternehmen, die es richtig gut machen, folgen keinen Trends, sondern entwickeln eigene Formate“, sagt der Tiktok-Experte. Als Beispiel nennt er etwa den Account des Geldratgebers Finanztip. Statt Trends und Tänze zu kopieren, haben sich die Macherinnen eine eigene Darstellung überlegt, mit eigenem Intro und regelmäßigen Formaten.

Außerdem, warnt der Tiktok-Experte, seien viele Tiktok-Trends mit Liedern verbunden, die urheberrechtlich geschützt sind. Unternehmen, die solchen Trends folgen wollen, sollten sich über die Rechte vorab informieren.

Tiktok und Datenschutz

Tiktok steht immer wieder in Sachen Datenschutz in der Kritik. So sollen Hacker auf persönliche Daten zugegriffen haben. Im Raum steht zudem der Verdacht, Tiktok würde mit der chinesischen Regierung in Verbindung stehen. Der Algorithmus soll etwa regierungskritische Videos automatisch gelöscht haben. Die Plattform bestreitet diese Vorwürfe.

Unternehmen, die Tiktok nutzen wollen, sollten sich daher auch Gedanken machen, welche Datenschutzrisiken Tiktok mit sich bringen könnte. Die Angestellten beim Motoren- und Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg nutzen die App etwa nur auf privaten Handys und dürfen sie nicht auf Diensttelefonen installieren.

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Keine Social-Media-Plattform wächst aktuell so schnell wie Tiktok: 3,97 Millionen Personen in Deutschland nutzen die App im Monat. Im Vergleich zu Facebook (32 Millionen) und Instagram (21 Millionen) ist das zwar noch wenig, doch die Zahlen steigen. Spätestens jetzt sollten sich Unternehmerinnen und Unternehmer fragen: Einen Firmenaccount starten, oder es bleiben lassen? Antwort auf die wichtigsten Fragen im Überblick. Welche Zielgruppe nutzt Tiktok? „Tiktok ist mit einer sehr jungen Zielgruppe gestartet“, sagt Philipp Behncke, Gründer der Tiktok-Agentur Playful Media, die Unternehmen bei ihrer Social-Media-Strategie berät und bei der Erstellung von Inhalten betreut. Als Tiktok 2018 an den Start ging, war die Kernzielgruppe etwa 13 Jahre alt – doch die ist mittlerweile älter geworden. „Viele dieser Teenies sind mittlerweile 17 bis 20 Jahre alt“, erklärt Behncke. Und es haben sich neue Zielgruppen angeschlossen. Immer mehr 20- bis 30-Jährige nutzen die Plattform, und auch bei den über 30-Jährigen wächst die Zahl. „Die Zielgruppen werden über die Jahre hinweg immer älter und auch die Inhalte verschieben sich so, dass sie für ältere Nutzergruppen interessant werden“, beobachtet Behncke. Während Tiktok zunächst als Tanz-App bekannt wurde, gibt es mittlerweile viele Nischen-Themen: Fliesenleger, die ihren Alltag filmen. Schmuckhersteller, die zeigen, wie sie ihre Bestellungen anfertigen. Oder auch Coaches und Rechtsanwälte, die Fragen ihrer Community beantworten. Der Tiktok-Experte ist deshalb überzeugt, dass mittlerweile nahezu jedes Unternehmen seine Zielgruppe auf der Plattform findet. Was unterscheidet Tiktok von anderen Social-Media-Plattformen? Kanäle wie Instagram und Facebook setzen vor allem auf das Netzwerk der Nutzerinnen und Nutzer: Wer eine der beiden Apps öffnet, sieht zuerst die Inhalte der Leute, denen er oder sie folgt. Tiktok hingegen stellt das einzelne Video in den Vordergrund. „Jedes Video hat potenziell die Chance, erfolgreich zu werden“, erklärt Tiktok-Experte Behncke. Denn auf der For-You-Page (so der Name für die Startseite in der App) scrollt man durch Videos, die der Algorithmus aussucht – zwischen Videos mit mehreren Millionen Views sind immer auch solche, die nur einige hundertmal angeschaut wurden. Ein weiterer Unterschied ist besonders zu Instagram auffällig: Dort dreht sich viel um perfekte Bilder und Videos. Auf Tiktok ist das anders. „Man muss sich nicht so viele Gedanken um Perfektion machen wie auf Instagram“, sagt Behncke. Es sind also nicht unbedingt perfekte Videos, die auf Tiktok erfolgreich sind, sondern authentische und unterhaltsame Inhalte. Sollten sich alle Unternehmen einen Tiktok-Account anlegen? „Ja – aber erstmal nur, um zu lernen“, sagt Behncke. Bevor Unternehmerinnen und Unternehmer entscheiden, ob ihre Firma einen aktiven Tiktok-Kanal braucht, sollte sich mindestens eine Person aus dem Team intensiv damit beschäftigen, rät der Experte: „Man muss sich erst einmal ein Bild machen. Und das geht nicht, wenn man nur Zeitungsartikel liest oder Youtube-Videos schaut. Man muss wirklich in die App reingehen und ein Gefühl dafür entwickeln.“ Langfristig erwartet Behncke, dass Video-Formate auch abseits von Tiktok relevanter werden. Die Plattform sei deshalb eine gute Chance, um das Format besser zu verstehen, Kompetenzen aufzubauen und Prozesse zu entwickeln. „Selbst wenn der Account nicht direkt erfolgreich wird, professionalisiert man sich über die Jahre in der Videoerstellung“, sagt der Tiktok-Experte. [zur-person] Ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um als kleines Unternehmen mit Tiktok zu starten? „Tiktok ist eine relativ neue Plattform. Hier gibt es eine höhere organische Reichweite als auf anderen Plattformen“, sagt der Tiktok-Experte. „Jetzt hat man die Chance, mit ein paar Posts und wenigen Followern schon mehrere tausend Views zu generieren.“ Ähnliches konnte man in der Vergangenheit auch bei Facebook und Instagram beobachten: Anfangs war es einfach, mit unbezahlten – also organischen – Postings Reichweite zu generieren. Mittlerweile hat das stark nachgelassen – eine ähnliche Entwicklung vermutet der Experte auch bei Tiktok: „Wenn die Plattform weiterwächst und man in fünf Jahren entscheidet, aktiv zu werden, dann wird es sehr viel schwieriger sein, eine Community aufzubauen und Reichweite zu generieren.“ Er sieht insbesondere eine gute Gelegenheit für kleine Unternehmen, sich noch vor den großen Playern auf der Plattform zu etablieren. Für welche Unternehmen lohnt sich Tiktok nicht? Auch wenn Tiktok-Experte Behncke viel Potenzial für Unternehmen auf der Plattform sieht, weiß er, dass sie nicht für jeden gemacht ist: „Wer andere Social-Media-Apps noch nicht richtig verstanden hat oder beherrscht, für den lohnt sich das eher nicht.“ Dennoch rät der Experte davon ab, vorschnell davon auszugehen, dass Tiktok fürs eigene Unternehmen ungeeignet sei, weil es nicht zum Betrieb passt. Es gebe auch Beispiele, die das Gegenteil zeigen, sagt er. Etwa das Bestattungsunternehmen Burger aus Fürth, das in Tiktok-Videos über Themen rund um Tod und Trauer aufklärt. Laut Behncke ist das eine Branche, die sich die wenigsten auf Tiktok vorstellen können. Doch das Bestattungsunternehmen erzielt mit seinen Videos hohe Reichweiten: 1,1 Millionen Nutzerinnen und Nutzer folgen dem Bestatter. Mit welchen Zielen sollte man die Plattform nutzen? Grundsätzlich lassen sich Marketingziele von anderen Social-Media-Kanälen auch auf Tiktok übertragen. Trotzdem müssen Unternehmer überlegen, was sinnvoll ist: „Werbung funktioniert in der App nicht besonders gut. Wenn man werbliche Inhalte zu schnell oder zu offensichtlich erkennt, haben die Videos keine guten Chancen, erfolgreich zu sein“, sagt der Tiktok-Experte. Um mit Tiktok Verkäufe zu erzielen, müssten Unternehmen sich viel Mühe geben, die Werbung kreativ zu verpacken. Deshalb sieht Behncke Tiktok vor allem als Kanal, um die Markenbekanntheit zu erhöhen. Auch fürs Recruiting können Unternehmen die Plattform gut nutzen. Zentral sei auch hier die Kreativität der Inhalte. [mehr-zum-thema] Lohnt sich Tiktok auch im B2B? Wer über Tiktok seine Business-Kontakte erreichen will, ist dort falsch. Während Geschäftskunden auf Plattformen wie Linkedin oder Xing offen für berufliche Inhalte sind, dient Tiktok vorwiegend der Unterhaltung. Vielversprechend für B2B-Unternehmen ist hingegen, sich auf das Recruiting über Tiktok zu konzentrieren. Das zeigt etwa der Motoren- und Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg aus Künzelsau, der den Kanal ausschließlich nutzt, um als Arbeitgeber bekannt zu werden. In den Videos stellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise typische Situationen aus dem Büroalltag nach und manchmal tanzt sogar der Chef. Damit hat das Unternehmen mittlerweile rund 95.000 Follower gewinnen können. Und die Strategie geht auf: In den Kommentarspalten fragen Nutzerinnern und Nutzer nach freien Arbeitsplätzen und wie sie sich bewerben können. Wie genau erreicht man seine Zielgruppe auf Tiktok? Wie auf anderen Social-Media-Apps lässt sich auch der Tiktok-Algorithmus trainieren. Dazu sollten Unternehmen entsprechende Hashtags recherchieren, ihnen folgen und sie auch selbst nutzen. Das zeigt zum Beispiel der Online Shop Miralina’s, der halal Süßigkeiten verkauft, also Ware, die muslimischen Speisevorschriften entspricht. Unter den Videos finden sich regelmäßig die Hashtags #halalsüssigkeiten #halalsweets #muslimthings. Wer die App fürs Recruiting nutzt, kann in den Videos nicht nur den Job beschreiben, sondern auch auf den Standort eingehen. Zum Beispiel, indem man das Video draußen dreht oder Besonderheiten der Stadt nennt. Und auch hier helfen Hashtags weiter (zum Beispiel für Bielefeld: #bielefeld #bielefeldcity #bielefelder usw.) Dann sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Videos lokal ausgespielt werden, sagt Tiktok-Experte Behncke – auch wenn man es nicht garantieren könne. Welche ersten Schritte gibt es zu beachten? Bevor Unternehmen die ersten Videos hochladen, sollten sie sich mit der Plattform vertraut machen. Sie sollten beispielsweise schauen, ob die Konkurrenz oder vergleichbare Unternehmen bereits Videos produzieren. So kann man sich ein Bild machen: Wie sehen die Inhalte aus? Und vor allem: Wie kommen sie bei den Nutzerinnen und Nutzern an? Was kommentieren sie? So lässt sich besser einordnen, ob sich ein Account lohnen wird. Nach dieser Recherche sollten Unternehmen überlegen, was sie auf der Plattform machen wollen. „Es gibt schon viele Videos auf Tiktok und man kann zum Beispiel Formate adaptieren“, rät der Experte. „Sie müssen auf jeden Fall kreativ sein und in dem Feed zwischen all den anderen herausstechen.“ Dazu zählt auch ein gewisser Qualitätsstandard. Dafür ist kein Profi-Equipment nötig: Meist reicht eine gute Handykamera, beim Ton kann ein externes Mikrofon helfen. Wie viel Zeit muss man in die Plattform stecken? „Wenn man startet, sollte man mindestens einmal pro Woche posten, sonst verliert man an Relevanz“, sagt Behncke. Optimal seien etwa zwei bis drei Videos pro Woche. Im Gegensatz zu Facebook oder Instagram müssen Unternehmerinnen und Unternehmer sich keine Gedanken um den besten Zeitpunkt machen, um etwas zu posten. Da die Videos nicht chronologisch ausgespielt, sondern vom Algorithmus ausgewählt werden, kann man jederzeit posten. Der hohe zeitliche Aufwand ist eine Bedenken, die dem Tiktok-Experten immer wieder begegnet: „Viele denken, sie müssten jeden Tag zehn Stunden in der App verbringen, um jeden Trend mitzubekommen.“ Doch das sei ein Trugschluss. Anfangs müsse man zwar Zeit auf der Plattform verbringen, um sie und ihre Sprache zu verstehen, aber: „Ich kenne auch Personen, die sind jeden Tag zehn Minuten in der App und damit erfolgreich“, sagt Behncke. Eigene Formate entwickeln „Die meisten Unternehmen, die es richtig gut machen, folgen keinen Trends, sondern entwickeln eigene Formate“, sagt der Tiktok-Experte. Als Beispiel nennt er etwa den Account des Geldratgebers Finanztip. Statt Trends und Tänze zu kopieren, haben sich die Macherinnen eine eigene Darstellung überlegt, mit eigenem Intro und regelmäßigen Formaten. Außerdem, warnt der Tiktok-Experte, seien viele Tiktok-Trends mit Liedern verbunden, die urheberrechtlich geschützt sind. Unternehmen, die solchen Trends folgen wollen, sollten sich über die Rechte vorab informieren. Tiktok und Datenschutz Tiktok steht immer wieder in Sachen Datenschutz in der Kritik. So sollen Hacker auf persönliche Daten zugegriffen haben. Im Raum steht zudem der Verdacht, Tiktok würde mit der chinesischen Regierung in Verbindung stehen. Der Algorithmus soll etwa regierungskritische Videos automatisch gelöscht haben. Die Plattform bestreitet diese Vorwürfe. Unternehmen, die Tiktok nutzen wollen, sollten sich daher auch Gedanken machen, welche Datenschutzrisiken Tiktok mit sich bringen könnte. Die Angestellten beim Motoren- und Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg nutzen die App etwa nur auf privaten Handys und dürfen sie nicht auf Diensttelefonen installieren.