Inhalt: Darum geht's in diesem Beitrag
- Was ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?
- Wie ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gesetzlich geregelt?
- Was sind Beispiele?
- Welche Bereiche umfasst die Fürsorgepflicht?
- Gibt es Ausnahmen oder Sonderfälle?
- Wie weit geht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?
- Kann sich ein Arbeitgeber von der Fürsorgepflicht befreien?
- Welche Konsequenzen hat eine Verletzung der Fürsorgepflicht?
Was ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?
Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu schützen. „Sie müssen grundsätzlich sicherstellen, dass ihre Arbeitnehmer gefahrlos arbeiten können“, sagt Alexander Bissels, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Köln. Dazu gehört, dass Arbeitgeber Sicherheitsrisiken frühzeitig erkennen und Maßnahmen ergreifen, wenn sie eine Gefahr erkennen, um diese abzustellen.
Wie ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gesetzlich geregelt?
Die Pflicht des Arbeitgebers zu Schutzmaßnahmen ergibt sich aus Paragraf 618 BGB. Darin steht, dass das Arbeitsumfeld so gestaltet werden muss, dass das Leben und die Gesundheit der Angestellten geschützt werden.
Im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ist dann umfassender geregelt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind zu ermitteln, ob und wie ihre Mitarbeitenden bei der Arbeit gefährdet werden. „Bestehen Gefahren für die Gesundheit, muss der Arbeitgeber entsprechende Schutzmaßnahmen treffen“, heißt es dort.
Was sind Beispiele für die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?
Die Fürsorgepflicht für Arbeitnehmer hängt sehr stark von der jeweils ausgeübten Tätigkeit und dem Arbeitsumfeld ab – ein Mitarbeitender in der Produktion braucht andere Sicherheits- und Schutzmaßnahmen, als Beschäftigte im Homeoffice. Anwalt Alexander Bissels nennt Beispiele:
- Im produzierenden Gewerbe gehört zur Fürsorgepflicht, dass die Maschinen über Sicherheitsvorrichtungen verfügen, damit der Anlagenführer oder die Anlagenführerin nicht verletzt wird.
- Im Büro können Arbeitgeber verpflichtet sein, ihren Mitarbeitenden einen ergonomisch gestalteten Arbeitsplatz anzubieten, um gesundheitlichen Schäden entgegenzuwirken.
Welche Bereiche umfasst die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?
Fürsorgepflicht bei Arbeitsräumen, Vorrichtungen oder Gerätschaften
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bezieht sich nach Paragraf 618 BGB unter anderem auf Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften, die für die Arbeit nötig sind. Dabei geht es laut Alexander Bissels vor allem um generelle Sicherheitsvorkehrungen, die Arbeitsunfälle vermeiden, wie etwa sichere Maschinen oder Gerüste.
Zusätzlich regelt die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), was Arbeitgeber beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsplätzen in Bezug auf die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit der Beschäftigten beachten müssen. Die Verordnung enthält beispielsweise Vorgaben im Hinblick auf die Temperatur, Lärm oder Beleuchtung am Arbeitsplatz.
Fürsorgepflicht bei kleineren Geräten
Die Fürsorgepflicht gilt auch für kleinere Hilfsmittel, die für die Arbeit notwendig sind. Da gehe es etwa um die Bereitstellung ergonomischer Bürostühle, Bildschirme oder auch Sehhilfen, sagt Alexander Bissels. Für viele dieser Hilfsmittel gibt es laut Alexander Bissels detaillierte technische Regelungen – wie in der Arbeitsstättenverordnung oder der Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge.
Fürsorgepflicht für die psychische Gesundheit des Arbeitnehmers
Arbeitgeber sind verpflichtet, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Dies bezieht sich nicht nur auf die körperliche, sondern auch auf die psychische Gesundheit. „Der Arbeitsstress steigt durch Faktoren wie die zunehmende Technologisierung“, sagt Alexander Bissels. Nach Paragraf 5 und 6 des Arbeitsschutzgesetzes sind Arbeitgeber verpflichtet, für mögliche psychische Belastungen eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. So würden Arbeitgeber für vergleichbare Arbeitssituationen ein Bild der Belastung erhalten, um psychischen Erkrankungen – wie Depressionen oder Burnouts – vorzubeugen.
Fürsorgepflicht bei Mobbing oder Diskriminierung
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers umfasst auch den Schutz des Persönlichkeitsrechts seiner Mitarbeitenden: „Es darf bei der Arbeit nicht zu Beleidigungen oder Diskriminierungen kommen“, sagt Alexander Bissels. Der Arbeitgeber müsse die Beschäftigten nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) insbesondere vor geschlechtsspezifischen oder sexualisierten Handlungen schützen.
Bei Mobbing sei man jedoch schnell in einem Graubereich: Nicht jeder Mitarbeiter, der nach dessen Meinung unfair oder schlecht behandelt wird, sei ein Opfer von Mobbing, sagt Alexander Bissels. Er erklärt: „Mobbing ist rechtlich erst bei einem systematischen Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte gegeben.“ Mobbing bezeichne den „Krieg am Arbeitsplatz“, indem der Betroffene systematisch durch offene Anfeindungen, grobe Scherze, Einschüchterungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen, Beleidigungen am Arbeitsplatz oder Psychoterror herabgewürdigt wird, so der Anwalt. In diesem Fall muss der Arbeitgeber eingreifen, sobald er davon Kenntnis erhält.
Fürsorgepflicht in der Arbeitsorganisation
Auch das Arbeitszeitgesetz enthält Regelungen, welche die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers betreffen beziehungsweise konkretisieren. Diese sollen den Arbeitnehmer vor Überlastung schützen: „Das sind sehr konkrete Pflichten des Arbeitgebers, damit Mitarbeiter nicht überfordert werden und sich erholen können“, so Alexander Bissels. Die Gesundheit des Arbeitnehmers solle geschützt werden, indem er Abstand von der Arbeit nehmen kann – körperlich, aber auch psychisch. So schreibt das Arbeitszeitgesetz beispielsweise vor, dass Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben müssen.
Hat die Fürsorgepflicht Ausnahmen oder Sonderfälle?
Für einige Personengruppen haben Arbeitgeber eine besondere Fürsorgepflicht. Dazu gehören etwa Mütter oder Auszubildende:
- das Mutterschutzgesetz (MuSchG) legt fest, in welchen Zeiten Schwangere und Mütter vor und nach der Entbindung arbeiten dürfen und welchen Kündigungsschutz sie haben.
- Nach dem Berufsausbildungsgesetz (BBiG) müssen Unternehmen dafür sorgen, dass Auszubildende sittlich und körperlich nicht gefährdet werden. Hierunter fällt insbesondere, dass dem Auszubildenden nur Tätigkeiten übertragen werden dürfen, die dem Ausbildungszweck dienen und „unter Berücksichtigung der körperlichen Kräfte“ angemessen sind.
- Für schwerbehinderte Mitarbeitende gilt nach dem SGB IX, dass Arbeitsplätze mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen ausgestattet werden müssen.
Wie weit geht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?
An welchem Punkt genau die Fürsorgepflicht beginnt und wo sie endet, legt das BGB nicht konkret und abschließend fest. „Generell ist es Aufgabe der Gerichte, die abstrakt gehaltenen Paragrafen im konkreten Fall auszulegen und eine Schutzpflicht daraus abzuleiten“, erklärt Alexander Bissels. Eine hundertprozentige Sicherheit der Beschäftigten sei gar nicht möglich, sagt Alexander Bissels.
Eine Einschränkung enthält zum Beispiel Paragraf 618 BGB. In ihm steht, dass der Schutz nur so weit geht, „als die Natur der Dienstleistung es gestattet“. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin einer Dachdeckerei kann sich nicht generell weigern, Dächer zu betreten, weil dies abstrakt gefährlich werden könnte. Schließlich ist das notwendig, um ein Dach zu decken oder reparieren. Der Arbeitgeber hat aber die Pflicht, für notwendige Schutzmaßnahmen, wie etwa sichere Gerüste, zu sorgen.
Die Maßnahmen müssten außerdem zumutbar für das Unternehmen sein, schließlich kosten sie auch Geld, sagt der Anwalt: Ein Mitarbeiter könne bei einem Rückenleiden zum Beispiel nicht erwarten, dass er einen ganz bestimmten höhenverstellbaren Schreibtisch vom Designer bekommt.
Kann sich ein Arbeitgeber von der Fürsorgepflicht befreien?
Die Fürsorgepflicht ist laut Paragraf 619 BGB unabdingbar. Es ist also für Arbeitgeber nicht möglich, sich über den Arbeitsvertrag von ihr zu befreien oder sie einzuschränken.
Welche Konsequenzen hat eine Verletzung der Fürsorgepflicht für den Arbeitgeber?
Wenn der Arbeitgeber seiner Verantwortung nicht nachkommt, können Mitarbeitende den Arbeitgeber wegen Verletzung der Fürsorgepflicht verklagen. Bei einer Pflichtverletzung drohen dem Unternehmen laut dem Anwalt Alexander Bissels rechtliche Konsequenzen:
- Bei Schäden, die durch eine Verletzung der Fürsorgepflicht entstehen, können Mitarbeitende Schadenersatzansprüche stellen.
- Mitarbeitende haben einen Anspruch auf Erfüllung, wenn Sicherheitsvorkehrungen fehlen. Umgekehrt können Mitarbeitende aber auch Unterlassungsansprüche geltend machen, wenn Gefährdungen vorliegen. Ein Beispiel dafür wäre, wenn der Arbeitgeber nichts gegen Mobbing unternimmt.
- Wenn der Arbeitgeber nichts unternimmt – wie etwa im Fall von Mobbing – kann der Arbeitnehmer auch die Arbeit verweigern: „Besteht eine akute Gefahr, darf er zuhause bleiben und von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen“, erklärt Alexander Bissels. Liege keine Pflichtverletzung des Arbeitgebers vor, riskiere der Arbeitnehmer jedoch, abgemahnt oder sogar gekündigt zu werden.
- Ein Mitarbeiter kann seinen Arbeitsvertrag auch außerordentlich kündigen und sich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis lösen. In der Regel ist vorher eine Abmahnung nötig.

Alexander Bissels ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner in der Kanzlei CMS Hasche Sigle.
