Fokussiert arbeiten
So schaffst du Wichtiges endlich weg

Den ganzen Tag geackert, aber die wichtigsten Aufgaben nicht erledigt? Coachin Lena Wittneben erklärt im Interview, wie du schwierige To-Dos abhakst.

Aktualisiert am 11. November 2025, 14:08 Uhr, von Verena Bast, Wirtschaftsredakteurin

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Grafische Darstellung einer Hand, die eine vollständig abgehakte To-Do-Liste in der Hand hält. Roter Hintergrund.
Wenn du ein paar entscheidende Dinge umsetzt, kannst du endlich einen Haken an wichtige To-dos machen.
© filo / DigitalVision Vectors / Getty Images

impulse: Ständig brennt’s: Ein Kunde ruft an, jemand aus dem Team braucht „nur kurz“ eine Entscheidung. Am Ende des Tages war man unfassbar beschäftigt – und hat trotzdem nichts Wichtiges geschafft. Wie gelingt es, eine wichtige Aufgabe auch wirklich zu erledigen?
Lena Wittneben: Wenn man den Tag einfach auf sich zukommen lässt, wird’s hakelig. Dann geht es direkt los mit den Chatnachrichten, Mails und Meetings. Hilfreich ist eine „Deep-Work-Phase” im Kalender zu blocken – zu einer Zeit, in der ich eine hohe Konzentration habe. Niemand kann den ganzen Tag Höchstleistungen erbringen. Es lohnt sich, darüber nachzudenken: Wann ist eigentlich meine Prime Time?

Die Expertin

Lena Wittneben ist systemische Coachin, Gedächtnistrainerin, Moderatorin und Medienfachwirtin aus Hamburg. Als freie Autorin schreibt sie unter anderem für den Spiegel, Campus Verlag oder GQ Business.

Wie finde ich das heraus?
Indem ich bewusst darauf achte, wann mir fokussiertes Arbeiten leicht fällt und ich mich nicht ablenken lasse. Ich fange zum Beispiel morgens früh an. Da bin ich voller Konzentration und mache all die Arbeiten, die wichtig sind und Hirnschmalz erfordern. Ab 18 Uhr kannst du mit mir kognitiv nicht mehr viel anfangen. Das ist bei jedem anders. Manche sind ab 16 Uhr in Top-Form. Das herauszufinden, ist wirklich wertvoll: Wer regelmäßig ablenkungsfreie Arbeitsblöcke in den Kalender schreibt, steigert nachweislich Output und Qualität.

Also sage ich zum Beispiel meiner Assistentin oder Kollegen, dass ich in dieser einen Stunde nicht gestört werden möchte, weil ich eine wichtige Aufgabe erledige?
Genau. Wir sollten aber auch in Eigenregie dafür Sorge tragen, dass wir uns nicht ablenken lassen.

Bei Chefinnen und Chefs ist der Terminkalender oft komplett voll – und keine Zeit dafür, sich eine Weile aus dem Tagesgeschäft rauszuziehen.
Eine der wichtigsten Fragen ist: Was kann und will ich weglassen? Was zahlt nicht auf meine Ziele ein? Fokus oder Produktivität bedeutet für mich nicht, noch mehr reinzuquetschen. Sondern konsequent rauszustreichen, zum Beispiel mithilfe des Eisenhower-Prinzips. Wenn etwas weder wichtig, noch dringlich ist, kann ich es streichen oder an einen Kollegen oder eine Kollegin delegieren. Und auch häufiger Nein zu sagen, sorgt für freie Kalenderflächen!

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Viele sind auch an Abläufe oder Meetings gebunden und können ihre Zeit nicht frei managen.
Das ist mir bewusst. Diese Fokus-Zeiten muss man wirklich mit Klauen verteidigen. Bestenfalls spricht man sich in kleinen Teams untereinander ab und findet Meetingslots, die nicht mit den Fokus-Zeiten der anderen kollidieren. Vielleicht ist das ohnehin ein guter Anlass, um sich zu fragen, welche Meetings man streichen könnte. Zum Beispiel, indem man Informationen über andere Kommunikationswege teilt. 

Manches kann man nicht selbst steuern. Plötzlich ruft zum Beispiel ein Top-Kunde an, den man nicht warten lassen kann.
Ja, vielleicht kommen Dinge dazwischen, die wir nicht planen können. Aber man kann es sich für jeden Tag vornehmen. Sonst sind die Erfolgschancen noch geringer. Es geht nicht darum, in Selbstoptimierungswahn zu verfallen – à la „und jetzt muss ich auch noch fokussiert und produktiv sein”. Sondern mit ein bisschen engagierter Unbekümmertheit das Thema Zeit- oder Energiemanagement anzugehen. Wenn es nicht klappt, probieren wir es am nächsten Tag neu!

Selbst wenn ich es schaffe, mir einen Zeitslot freizuräumen: Große Aufgaben erledige ich nicht in einer Stunde. 
Nein, aber ich kann mich peu à peu in Fokus-Zeiten mit der laufenden Aufgabe beschäftigen und große Aufgaben und Ziele runterbrechen. Dafür kann man beispielsweise die 3×3-Strategie des amerikanischen Bestsellerautors und Coaches Michael Hyatt nutzen. Mit der Methode behält man einen Überblick über die eigenen Ziele und sie unterstützt einen dabei, konstant auf sie hinzuarbeiten.

Manchmal sind wir selbst das Problem. Es ist verlockend, immer wieder aufs Smartphone oder in die Mails zu schauen.
Absolut. Bei Benachrichtigungen wird in unserem Hirn häufig der Botenstoff Dopamin aktiv – also der Neurotransmitter, der unter anderem mit Belohnung und Erwartung zu tun hat. Wenn wir merken, dass wir auf einen Impuls von außen reagieren wollen, können wir probieren, innezuhalten und zu sagen: Ach, diese E-Mail wird nicht schlecht. Ich arbeite weiter und gucke mir sie in einer Stunde an. 

Welche Folgen haben diese Unterbrechungen?
Wir haben immer einen mentalen Reibungsverlust. Man spricht vom sogenannten Switch-Cost-Effekt. Wenn wir uns ablenken lassen und zwischen Aufgaben und Tools hin und her wechseln, ermüden wir schneller, machen eher Fehler und müssen uns nach einer Ablenkung mit Energieaufwand wieder auf den vorherigen Stand zurückarbeiten und erneuten Fokus finden.

Viele haben sich daran gewöhnt, ständig in die Mails oder aufs Smartphone zu schauen.
Das stimmt. Aber Gewöhnung heißt nicht, dass es gut für uns ist. Viele von uns greifen wie im Autopiloten ständig zum Handy, ohne bewusst zu entscheiden, ob das gerade dran ist. Wir können unsere Aufmerksamkeit trainieren, indem wir bewusst nur einer Sache unsere Energie geben; ohne Reizüberflutung. Das ist ein Lernprozess: merken, wann ich abgelenkt werde, kurz innehalten und mich dann bewusst entscheiden, was jetzt wirklich wichtig ist.

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Aber wie schaffe ich es, mich nicht davon ablenken zu lassen?
Es hilft meistens nichts, das Handy einfach nur mit dem Display auf die Tischplatte zu legen und den Ton auszuschalten. Selbst dann zieht es noch an unserer Aufmerksamkeit. Ich lege es in eine Schublade, in ein anderes Zimmer oder stecke es in die Jacke. Wenn ich das Mail-Programm gerade nicht brauche, mache ich es zu.

Was hilft noch, wenn einen der Alltag überrollt und man auf seiner To-do-Liste keinen Haken setzen kann?
Wichtig ist, sich zu fragen: Was sind die Themen, die wirklich an meiner Aufmerksamkeit ziehen und mir Energie rauben? Und ganz ehrlich zu überlegen: Bei welchen Tätigkeiten vergeude ich Zeit? Gefährlich ist die Effizienzfalle: Wenn man denkt, ich schaffe heute nicht alle Aufgaben, also streiche ich die Pause.

Warum ist das eine Falle?
Auf den ersten Blick scheint es eine Zeitersparnis zu sein. Aber letztlich schaden wir uns damit. Wir ermüden schneller, können uns nicht mehr so gut konzentrieren, haben weniger Ideen, treffen schlechtere Entscheidungen und machen eher Fehler. Uns fehlt die Lust und Freude. Aber: In einer Pause hilft es nicht, wenn ich WhatsApp-Nachrichten beantworte, Börsenkurse checke oder durch Posts auf Instagram scrolle.

Das kann doch Spaß machen.
Klar, ich will das nicht verteufeln. Es gibt keine richtige oder falsche Pause, für jeden passt etwas anderes. Wichtig ist, dass unsere Pause einem Kontrastprogramm entspricht, auf körperlicher, mentaler, emotionaler und auch sozialer Ebene.

Was bedeutet das?
Wenn ich jemand bin, der als Wissensarbeiter am Schreibtisch sitzt, viel im strukturierten, im logischen und analytischen Denken gefordert bin, dann wäre es wenig zielführend, in der Mittagspause Börsenkurse zu checken. Das Gehirn braucht dann Dehnung: Fantasie, Leerlauf, Weite! Zum Beispiel ein paar Seiten in einem neuen Roman lesen oder durch die Lieblingszeitschrift blättern. Eine Key-Account-Managerin, die durchgängig in Kundencalls steckt, braucht in der Pause vielleicht Ruhe und keine weitere Konversation. Kurz um: Eine gute Pause ist das Gegenteil dessen, was gerade war. Nach intensiven Gesprächen Stille, nach Bildschirmzeit der Blick in die Ferne, nach Kopfarbeit Bewegung.

Was, wenn ich zum Beispiel Handwerker bin?
Für jemanden, der beruflich körperlich gefordert ist, bringt ein Spaziergang keine Erholung. Diese Person sollte sich lieber für einige Minuten hinsetzen und  durchatmen. Es geht immer um ein Kontrastprogramm.

Wenn ich vom Schreibtisch weggehe, kurz die Spülmaschine ausräume, dann kommen mir oft  Gedanken, die mich weiterbringen bei meiner Aufgabe.
Absolut. Mir geht das häufig so, wenn ich beispielsweise Altpapier wegbringe. Wenn wir Tätigkeiten ausführen, bei denen unser Gehirn routinierte Abläufe abspult und wir nicht nachdenken müssen, wechselt es in eine Art Leerlaufmodus – das sogenannte Default Mode Network. In diesem Zustand entstehen neue Ideen und Lösungen. Das ist super wertvoll, weil sich das Gehirn erholt und gleichzeitig kreativ wird.

Pausen helfen also, bei einem To-do voranzukommen?
Ja. Selbst ganz kurze Pausen können einen positiven Effekt haben. Gerade in der Videocall-Dauerbeschallung hilft es, immer kleine Puffer einzuplanen: Jede Stunde kurz aufstehen, Schultern hochziehen und kreisen lassen. Mal das Fenster aufmachen, ein paar Minuten im Raum auf und ab gehen. Oder simpel: tiefe Atemzüge, dabei die Ausatmung bewusst verlängern. Das aktiviert den Ruhenerv und holt uns wieder runter.

Antworten auf diese Fragen helfen dir, bei wichtigen To-dos voranzukommen

Lena Wittneben empfiehlt, sich diese Fragen zu stellen, um fokussiert wichtige Aufgaben erledigen zu können – und Freiräume dafür zu schaffen:

  • Wenn ich heute nur eine einzige Sache oder Aufgabe erledigen könnte, die meinen späteren Vorhaben den Weg ebnet: Welche wäre das?
  • Zu welcher Tageszeit kann ich mich am besten konzentrieren?
  • Was will ich tun? Zu wann will ich es tun? Und wozu will ich es tun?
  • Was kann oder will ich sein lassen?
  • Was oder wer zieht an meiner Aufmerksamkeit und raubt mir Zeit und Energie?
  • Was holt mich immer wieder aus dem Fokus?
  • Bei welchen Tätigkeiten oder Aufgaben vergeude ich Zeit?
  • Welche To-dos übertrage ich ständig auf den nächsten Tag oder die nächste Liste und sind somit hinfällig beziehungsweise unwichtig oder delegierbar?
  • Wie kann ich meinen morgigen Tag gestalten, damit ich meinem Ziel näher komme?
  • Was kann ich tun, damit meine Pause ein Kontrastprogramm ist?
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