Im Flow sein
Glück im Überfluss: Wie Sie den Flow-Zustand erreichen

Wer es schafft, regelmäßig im Flow zu sein, arbeitet konzentrierter und zufriedener. Was die Psychologie zum Flow-Konzept weiß, wie Sie öfter den Flow erleben – und bei Ihren Teammitgliedern fördern.

Aktualisiert am 24. September 2024, 15:37 Uhr, von Kathrin Halfwassen, Redakteurin

Eine Frau am Laptop in einer Büroumgebung, die im Flow zu sein scheint, während um sie herum verschwommen dargestellte Kolleginnen und Kollegen hin- und herlaufen.
Ein Traum: Im Flow sein und konzentriert in einer Aufgabe versinken statt wie die anderen hektisch durchs Büro zu tigern.
© Hispanolistic / E+ / Getty Images

Was bedeutet „im Flow sein“?

Sie beginnen eine Aufgabe – und plötzlich ist der halbe Tag um: Das ist der Flow, den viele suchen. Denn unter Flow verstehen Fachleute das Erlebnis, sich völlig in eine Tätigkeit zu vertiefen und darin komplett aufzugehen.

„Typischerweise haben Menschen im Flow-Zustand weniger Aufmerksamkeit für die Umwelt, vergessen die Uhrzeit, manchmal auch zu essen und zu trinken oder auf die Toilette zu gehen“, sagt Florian Becker, Professor für Wirtschaftspsychologie.

Wer es schafft, im Flow zu sein, dem geht die Tätigkeit „wie von selbst“ von der Hand. Die Person gerät also in eine Art Tätigkeitsrausch, handelt produktiv und effektiv. Und erlebt dabei ein Glücksgefühl.

Flow-Definition und Modelle: Der Flow in der Psychologie

Was ist ein Flow genau? Was muss gegeben sein, damit Menschen in den Flow kommen? Mit Fragen wie diesen haben sich inzwischen Dutzende Forscher und Forscherinnen befasst.

Die Flow-Theorie nach Csikszentmihalyi

Als einer der Begründer des Flow-Konzepts gilt der Psychologe und Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi. Er prägte in den 70er Jahren auch den Begriff Flow. Denn Teilnehmer seiner Studien, darunter Künstler und Wissenschaftler, hatten das, was sie erlebten, unter anderem als „spontanes Fließen“ bezeichnet. Csikszentmihalyi selbst nannte das „im Flow sein“ synonym auch „positive Sucht“.

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Wichtig für die Flow-Theorie nach Csikszentmihalyi sind die folgenden vier Kriterien, die ihm zufolge für ein Flow-Erlebnis gegeben sein müssen:

  1. Die Tätigkeit muss ein klares Ziel haben.
  2. Die Tätigkeit muss uns ein Stück weit herausfordern. Dabei sollten die Anforderungen einer Tätigkeit und unsere entsprechenden Kompetenzen in einer guten Balance sein; wir dürfen uns also weder überfordert fühlen und Angst haben noch langweilen.
  3. Wir müssen bei der Handlung sofort ein Feedback bekommen (etwa beim Musizieren – da hört sich der Ton falsch oder richtig an).
  4. Die Tätigkeit muss die Möglichkeit bieten, sich fokussieren und konzentrieren zu können.

Die Flow-Theorie, einfach erklärt:

Grafik, das die Flow-Theorie erklärt

Das Flow-Konzept nach der Selbstbestimmungstheorie

Vielen Psychologen zufolge hängt die Frage, wie wir ein Verhalten empfinden, davon ab, inwieweit es die menschlichen Grundbedürfnisse befriedigt, etwa das Bedürfnis nach Autonomie und Kompetenz. Flow-Erlebnisse erfüllen diese Bedürfnisse in hohem Maß.

Damit bildet das Flow-Erleben eine Form der sogenannten autonomen Motivation: Wir wiederholen Tätigkeiten, weil sie für uns beispielsweise interessant sind und uns Freude bereiten – nicht, weil wir sie machen müssen.

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Der Flow-Zustand nach Warwitz und Rudolf

Auch der Sportpsychologe Siegbert Arno Warwitz und die Sportwissenschaftlerin Anita Rudolf haben Kennzeichen des Flow-Zustands entwickelt – abgeleitet vom Beispiel spielender Menschen. Demnach sind wir dann im Flow, wenn:

  • wir uns den gestellten Anforderungen gewachsen fühlen
  • wir unsere Aufmerksamkeit auf eine begrenzte, bestimmte Tätigkeit fokussieren
  • wir den Erfolg unserer Handlungen sofort erkennen können
  • wir in der Tätigkeit aufgehen und die Außenwelt vergessen
  • wir voll im Moment leben und Zeit keine Rolle spielt
  • wir keine Anerkennung für unser Tun von außen brauchen, weil die Handlung an sich die Belohnung ist.

Was bedeutet Flow konkret? 5 Beispiele für den Flow-Zustand

Wie Menschen in den Flow-Zustand kommen, ist individuell verschieden. Es gibt aber typische Tätigkeitsfelder, in denen Menschen häufig einen Flow erleben:

  1. Spielen
  2. Sport treiben (besonders Sportarten, bei denen man sich konzentrieren muss, etwa Skifahren, Klettern, Tanzen, aber auch Schach und Snooker)
  3. Berufliche Aufgaben erfüllen, die Konzentration erfordern und sinnhaft wirken (etwa im Handwerk oder der Medizin)
  4. Kreativ-künstlerisch tätig sein (Handarbeiten, Malen, Musizieren, Singen)
  5. Mit anderen im Kontakt sein (etwa im Buchclub einen Roman besprechen oder mit Freunden über ein Thema diskutieren)

Den Flow-Zustand erreichen: So klappt’s

Endlich mal wieder im Flow sein: Sie wünschen sich genau das? Dann sollten Sie sich laut Wirtschaftspsychologe Florian Becker eine Aufgabe suchen, die perfekt zu Ihnen passt. Das kann eine spezielle Tätigkeit bei der Arbeit sein, eine Herausforderung im Sport – oder auch beim Computerspielen. „Entscheidend ist, was man liebt“, sagt Becker.

Förderlich sei, wenn wir den Sinn hinter einer Aufgabe sehen und auch eine gewisse Verantwortung tragen.

Aus all dem folgt: Viele Unternehmer und Unternehmerinnen dürften den Flow-Zustand gut kennen – haben sie doch oft die eigene Leidenschaft zum Beruf beziehungsweise zur eigenen Firma gemacht. Häufig verwirklichen sie damit ihre eigenen Träume, lieben den Job und gehen daher, zumindest immer wieder einmal, voll in ihren Aufgaben auf.

Das Flow-Erlebnis bei anderen fördern: 5 Tipps

Im Gegensatz zu Menschen, die ein Unternehmen leiten, gehören Flow-Erlebnisse für Angestellte nicht unbedingt zum Joballtag. Daher sollten Führungskräfte Teammitglieder dabei zu unterstützen, überhaupt und öfter im Flow sein zu können. Etwa, indem sie Ablenkung am Arbeitsplatz reduzieren. Das stärkt nicht nur die Produktivität, sondern auch die Zufriedenheit – und damit die Mitarbeiterbindung.

Wichtig dabei: Gut gemeinte Vorgaben wie „Jetzt stellen Sie mal das Telefon aus, schließen Ihr E-Mail-Postfach und arbeiten drei Stunden konzentriert“ führen Wirtschaftspsychologe Becker zufolge nicht automatisch dazu, einen Flow-Effekt erleben zu können. Vielmehr gelte es, Jobprofile individuell zu gestalten und passgenau die Aufgaben zu verteilen.

„Es ist relativ gut erforscht, welche Merkmale Aufgaben erfüllen müssen, damit sie Mitarbeiter motivieren“, sagt Becker. Die folgenden fünf Punkte sollten Führungskräfte beachten, um das Flow-Erlebnis bei Teammitgliedern zu befördern.

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1. Spielräume eröffnen

„Menschen haben das Bedürfnis, selbst Verantwortung zu übernehmen und zu entscheiden“, sagt Becker. Mitarbeitern mehr Verantwortung zu geben, kann sie daher motivieren. Allerdings dürfe man dabei nicht vergessen, dass jeder andere Bedürfnisse habe und man für einzelne Mitarbeiter das passende Niveau finden müsse

Er selbst schätzt Autonomie und hat früher unter einem Chef gelitten, der ihm jeden Arbeitsschritt detailliert vorgeben hat. „Ich habe aber auch beobachtet, dass andere Menschen dieses Mikromanagement lieben“, erinnert er sich. „Manche haben Angst, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, und freuen sich, wenn jemand ihnen genau sagt, was bis wann zu tun ist.“ Typischerweise hätten langjährige, erfahrenere Mitarbeiter einen größeren Drang nach Freiraum – genaue Vorgaben dagegen demotivierten viele und nähmen ihnen so die Chance, im Flow zu sein.

2. Abwechslung bieten

Fließbandarbeit oder jeden Tag ganz unterschiedliche Aufgaben? Wie auch bei den anderen Merkmalen für Aufgaben, die ein Flow-Erleben möglich machen, gilt für die Abwechslung: Jedem tut ein anderes Maß gut. Chefs und Chefinnen sollten sich mit den individuellen Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter auseinandersetzen.

„Ich habe Kollegen, die nur Englisch unterrichten“, erzählt Becker. „Für mich wäre das ein Albtraum. Das wäre so, als ob ich jeden Tag mein Lieblingsgericht essen müsste – irgendwann schmeckt es fad. Aber manche Menschen mögen das.“

3. Feedback geben

Gärtner, Tischler oder Grafiker sehen bei ihrer Arbeit in der Regel direkt ein Ergebnis: eine gestutzte Hecke, einen neuen Stuhl oder ein Design für einen Flyer. Becker zufolge motiviert das und macht es leichter, im Flow zu sein.

Bei vielen anderen Berufen hingegen arbeitet man vor sich hin, sieht aber nicht unmittelbar, was man erreicht. In diesem Fall sollten Führungskräfte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen regelmäßig rückmelden, was das Teammitglied bereits bewirkt hat.

Becker: „Forschungen haben gezeigt, dass es schon alleine Leistungen im zweistelligen Bereich steigert, wenn man Zahlen transparent macht. Man sollte bei jeder Aufgabe versuchen, sie irgendwie messbar zu machen. Nicht, um den Mitarbeiter zu kontrollieren, sondern weil Menschen sich Feedback wünschen.“ Noch besser, als nur über Ergebnisse zu sprechen, sei es, sie grafisch zu visualisieren.

Ein weiterer Tipp des Wirtschaftspsychologen, damit Angestellte öfter im Flow sein können: Aufgaben in Teilschritte zerlegen. „Wenn ich beispielsweise ein Buch schreibe, sitze ich nicht zwei Jahre daran und dann ist es fertig – es wäre dann ziemlich schwer, sich zu motivieren. Ich schreibe an einem Kapitel, das vielleicht nicht sofort perfekt ist, und setze es dann als Blogbeitrag online. Da bekomme ich unmittelbar Feedback. Ich schaue, wie es ankommt, und optimiere nochmal. Und irgendwann ist ein Buch fertig.“

4. Fristen setzen

„Wer sich beim Schwimmen oder Laufen bestimmte Zeiten setzt, die er erreichen möchte, und sich so Druck macht, ist motivierter und kommt eher in den Flow-Zustand“, sagt Becker. Ein gewisser Zeitdruck helfe, auch bei der Arbeit in den Flow zu kommen. Führungskräfte sollten Teammitgliedern zwar nicht die Pistole auf die Brust setzen und unrealistische Deadlines bestimmen – aber ein wenig Druck könne motivieren, produktiver zu arbeiten, Aufgaben anzugehen und nicht ewig vor sich herzuschieben.

5. Sinn vermitteln

Für etwas zu arbeiten, was man als sinnvoll empfindet, motiviert ungemein. Führungskräfte sollten daher laut Becker ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine Vision geben. Und damit erklären, warum das, was sie tun, wichtig ist – und warum sie stolz auf ihre Arbeit sein könnten.

Unternehmer und Unternehmerinnen, die unsicher sind, welchen Sinn sie ihren Mitarbeitern vermitteln wollen, hilft die Frage: Warum habe ich mein Unternehmen gegründet? Was treibt mich an? Wofür stehe ich morgens auf? Für eine Programmiererin kann der Sinn beispielsweise darin bestehen, nicht nur tolle Software zu programmieren, sondern ihren Kunden damit die Arbeit oder den Alltag zu erleichtern.

Im Flow sein ist nicht immer gut – mögliche Risiken

So erstrebenswert es scheint, regelmäßig in den Flow zu kommen, so wichtig ist es, sich mögliche Grenzen des Guten klarzumachen. „Studien belegen, dass Flow-Zustände nachteilige Wirkungen haben können bei der Straßenverkehrsteilnahme, im Bereich des Extrem-Sports oder beim Glücksspiel“, schreibt etwa der Psychologe Stefan Poppelreuter in einem Artikel zum Thema Flow und Arbeitssicherheit. Der Grund: Infolge des „Tunnelblicks“ im Flow-Zustand würden möglicherweise andere relevante Informationen nicht oder nicht hinreichend wahrgenommen.

Hinzu kommt: Wer physische Bedürfnisse wie Trinken und Schlafen immer wieder vernachlässige, riskiere einen Verlust der Leistungsfähigkeit. Auch bestehe die Gefahr einer ‚Flow-Sucht‘, wenn die Tätigkeit hinter dem Flow immer wieder praktiziert werde und so eine Abhängigkeit entstehe. Dies sei etwa bei Arbeitssüchtigen häufig der Fall.

Es kommt also darauf an, ein Gleichgewicht zu suchen. Im Flow zu sein, schafft einerseits Glücksgefühle – den Flow-Zustand überall und immer wieder bewusst zu suchen, kann jedoch im Extremfall auch schaden.

Quellen:

Mihaly Csikszentmihalyi (2010): „Flow – der Weg zum Glück“, Freiburg: Herder.

Siegbert A. Warwitz/Anita Rudolf (2013): „Vom Sinn des Spielens: Reflexionen und Spielideen“, Hohengehren: Schneider.

Stefan Poppelreuter: Flow und Arbeitssicherheit – macht der positive Rausch unaufmerksam? Abrufbar unter: https://www.sifa-sibe.de/sicherheitsingenieur/macht-der-positive-rausch-unaufmerksam/. Abrufdatum: 18.09.2024

Der Experte
Florian Becker aus MünchenProf. Dr. Florian Becker ist Psychologe und Gründungsmitglied der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft in München. Er leitet den Studiengang Management und Führungskompetenz an der Technischen Hochschule Rosenheim. Sein Buch „Positive Psychologie – Wege zu Erfolg, Resilienz und Glück“ ist 2024 im Springer Verlag erschienen. (Foto: Jörg Eberl)
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