Win-Win-Situation
Nicht taktieren! Ein Ex-Fußballmanager verrät Verhandlungstricks für Top-Deals

In Verhandlungen nur an den eigenen Vorteil denken? Reicht nicht, sagt Ex-Hertha-Manager und Verhandlungsexperte Ingo Schiller – und erklärt, wie Sie eine echte Win-Win-Situation erzielen.

1. November 2024, 05:01 Uhr, von Sandra Kunkel

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Handschlag mit einem Fußballplatz im Hintergrund.
Hand drauf: Der Verhandlungsexperte Ingo Schiller verrät, wie Sie in Verhandlungen eine Win-Win-Situation erreichen.
© Jacob Wackerhausen / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

impulse: Herr Schiller, was ist für Sie ein guter Deal?
Ingo Schiller: Ein guter Deal ist eine Lösung, bei der alle gewinnen. So ein Win-Win-Deal ist nachhaltig, denn beide Seiten müssen auch noch mit zeitlichem Abstand sagen können, dass es ein guter Deal war. Oft ist es ja so, dass sich eine der beiden Seiten im Nachhinein sagt: „Ach, das war doch nicht so gut, wie ich mir das vorgestellt habe.“

Warum ist das wichtig?
Wenn wir über nachhaltige Geschäftsbeziehungen sprechen, haben beide Seiten ein großes Interesse daran, dass es langfristig funktioniert – auch auf persönlicher Ebene. Und wirtschaftlich geht es darum, dass beide aus der Verbindung profitieren können und man gemeinsam sogar mehr erreichen kann.

Wie erreicht man das in einer Verhandlung?
Wir sind im Geschäftsleben sehr darauf geprägt worden unsere Position in Verhandlungen durchzusetzen. Aber ich muss dem Gegenüber einen Einblick geben, worum es mir eigentlich geht. Denn hinter den Positionen liegen meist Bedürfnisse und Themen, die eigentlich eine viel größere Bedeutung haben als die Position selbst. Wenn sich zwei Positionen gegenüberstehen, bewegt man sich nur zwischen diesen beiden Polen. Aber es geht darum, diesen Lösungsraum zu erweitern.

Können Sie das an einem Beispiel erklären?
Es gibt ein klassisches Beispiel, bei dem sich zwei Menschen um einen Kürbis streiten – die Lösung:  Sie halbieren den Kürbis. Aber auf die Frage, warum die beiden den Kürbis haben wollten, sagt der eine, er möchte daraus eine Halloween-Maske machen und der andere, dass er Kürbissuppe kochen will.  Hätten also beide gesagt, worum es ihnen eigentlich ging, hätten sie eine viel bessere Lösung gefunden – die beide Bedürfnisse zu 100 Prozent erfüllt: indem der eine die Hülle zum Schnitzen und der andere das Fruchtfleisch für die Kürbissuppe bekommt.

In der Geschäftswelt geht es oft um Geld, klappt das trotzdem?
Richtig. Aber hinter einer Geldforderung können auch ganz unterschiedliche Gründe stehen. Bei einer Gehaltsverhandlung kann es zum Beispiel sein, dass es eigentlich um Anerkennung meiner Leistung geht. Wenn das offen besprochen wird, kann man über ganz andere Lösungen nachdenken.

Der Experte
Ingo Schiller im Interview: Win-Win-Situation
Ingo Schiller unterstützt seine Kunden als Wirtschaftsmediator dabei, gemeinsame Lösungen zu finden. Zuvor war er Fußballmanager bei Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach sowie Aufsichtsrat der Deutschen Fußballliga.

Haben Sie das als Fußballmanager auch selbst erlebt?
In meinen 30 Jahren im Fußball habe ich oft erlebt, dass es bei Verhandlungen nur um Positionen ging. Aber wenn ein Verein zum Beispiel über Spieler verhandelt, sollte es nicht nur um das erste Jahresgehalt gehen – sondern vor allem darum, wie sich der Spieler in seiner Spielzeit entwickeln kann. Dabei geht es um viele Faktoren, wie zum Beispiel Spieleinsätze oder auch um den Aufbau einer Personal Brand.

Wie sind Sie vorgegangen?
Die Entscheidungsträger setzen sich direkt an einen Tisch. Dann stelle ich die wesentlichen Fragen: Was führt Sie hierher? Welche Ziele verbinden Sie damit? Was ist Ihnen wichtig? Warum ist Ihnen das wichtig? So kommen Sie immer eine Ebene tiefer und irgendwann spüren alle im Raum: Jetzt sind wir am Kernthema angekommen.

In einer Verhandlung will man ja stark auftreten. Fällt es Menschen dann so leicht, sich zu öffnen?
Das gelingt natürlich nur schrittweise und muss von beiden Seiten gewollt sein. Vom Reden über die Zielvorstellung der einzelnen Positionen bis hin zu völliger Transparenz gibt es ein Riesenkontinuum.

Dauert das nicht ewig?
Im Gegenteil, im klassischen Prozess tauschen beide Seiten erst Papiere aus und gehen dann in Verhandlungsrunden, nur um bis ins Detail ausgefeilte Vertragsversionen mehrfach anzupassen. Wenn man sich nicht auf die Vorbereitung von Papieren, sondern gemeinsame Ziele fokussiert, geht es auch schneller. Das habe ich oft erlebt.

Erzählen Sie …
Es ging bei einer Verhandlung darum, dass zwei Unternehmen fusionieren sollten. Doch die Verhandlungen kamen nicht voran, weil einer der Geschäftsführer ein starkes Kontrollbedürfnis hatte. Als wir dann im Gespräch herausarbeiteten, dass er schon einmal von einem Geschäftspartner betrogen worden war, war das ein Schlüsselmoment. Die andere Seite dachte vorher nur: „Du vertraust mir nicht“, aber plötzlich war ein ganz anderes Verständnis da – wodurch dann in gemeinsamen Lösungen gedacht wurde und nicht mehr in Positionen.

Egal wie sehr ich den anderen verstehe, brauche ich doch aber Mindestverhandlungsziele.
Sie brauchen rote Linien und Sie sollten diese auch nie spontan überschreiten. Solche roten Linien sollten im Vorfeld für das Gesamtpaket abgesteckt werden: Also nicht nur für das Hauptziel, sondern auch für Nebenziele. Das betrifft zum Beispiel den Preis, aber auch die Zahlungs- oder Lieferbedingungen.

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Und was, wenn ich meine Grenze erreicht habe?
Es muss dann sehr, sehr gute Gründe geben, in der Verhandlung die roten Linien zu überschreiten. Wenn sie sich solche Gründe dennoch ergeben, würde ich immer eine Auszeit in der Verhandlung nehmen, um zu bewerten, ob ein ausbalanciertes Ergebnis trotzdem zu erreichen ist. Da muss man sich selber sehr ehrlich beantworten, warum man diesen Deal möchte und ob man das auch anders erreichen kann.

Und wenn es nicht zur Einigung kommt?
Es darf nicht jede Verhandlung zum Erfolg führen! Die viel größere Gefahr ist, sich in der Mitte zu treffen. Dadurch entstehen nur Taktiken, wie Mondpreise zu erfinden, um dann einen sogenannten Kompromiss einzugehen. Es gibt überhaupt keinen Zwang, sich vom eigenen Preis wegzubewegen – besonders, wenn es eigentlich um etwas ganz Anderes geht.

Was ist Ihr Erfolgstipp für Unternehmer, um eine gemeinsame Lösung zu finden?
Schaffen Sie einen Perspektivwechsel und stellen Sie Fragen – es ist wichtig, mehr zuzuhören, statt zu reden, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Das gilt auch für bestehende Geschäftsbeziehungen. Wer erst einmal echte gemeinsame Win-Win-Lösungen erschaffen hat, versteht, was für eine Kraft dem innewohnt und strebt auch eher danach.

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