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Ein Mitarbeiter bewirbt sich bei einem anderen Unternehmen und bekommt dort ein Angebot, das deutlich besser ist als die Konditionen in seinem bisherigen Job. Er konfrontiert damit seinen aktuellen Arbeitgeber und sagt: „Schau her, das bin ich der Konkurrenz wert. Wenn ich bei dir bleiben soll, dann musst du mir genauso viel zahlen.“
In Zeiten des Fachkräftemangels häufen sich Gehaltsverhandlungen aufgrund von Konkurrenzangeboten. „Der Unternehmer kommt dadurch in eine schwierige Lage“, sagt Oliver Hohmann, Leiter des Competence Centers Medien, Werbung & Digital bei der Deltacon Personalberatung. Aber wie können Chefs und Chefinnen Gehaltsverhandlungen aufgrund von Konkurrenzangeboten vorbeugen und diese meistern?
Konkurrenzangebote entkräften – aber wie?
Damit Unternehmen gelassener mit Konkurrenzangeboten umgehen können, müssen sie als ersten Schritt bestimmte Basics erfüllen – und bei den sogenannten Hygienefaktoren gut aufgestellt sein, ist Thomas Pütter überzeugt. „Sonst werde ich als Chef wahrscheinlich immer wieder mit solchen Gehaltsforderungen konfrontiert und in die Ecke gedrängt“, sagt der Unternehmensberater, der Firmen seit vielen Jahren im Hinblick auf Gehaltsstrukturen berät. Aber was sind solche Hygienefaktoren? Pütter nennt insgesamt vier Faktoren, die für Mitarbeitende und Unternehmen wichtig.
Die vier wichtigsten Hygienefaktoren:
1. Gehalt
Der wichtigste Faktor ist laut Pütter das Gehalt. Diese These stellte bereits 1959 der Arbeitswissenschaftler und Psychologe Frederik Herzberg auf. Grundsätzlich sollten Mitarbeitende das Gefühl haben, angemessen für ihre Leistung entlohnt zu werden.
Dabei sollten sich Arbeitgeber laut Pütter idealerweise an den jeweiligen Branchentarifen sowie an den regionalen Lebenshaltungskosten orientieren. „Wenn ich das nicht erfülle, werde ich immer wieder mit solchen Konkurrenzangeboten und Gehaltsforderungen konfrontiert werden. Und es wird langfristig nicht funktionieren, Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden“, ist Pütter überzeugt.
Um für Gespräche über Konkurrenzangebote besser gewappnet zu sein, empfiehlt der Unternehmensberater außerdem, Referenzgruppen für die Gehälter im eigenen Unternehmen zu bilden. Dabei werden Mitarbeitende mit vergleichbaren Tätigkeiten einer Gruppe zugeordnet und eine Gehaltsspanne festgelegt, in der sich die Gehälter bewegen können.
Ist jemand bereits am oberen Ende der Gehaltsspanne, können Arbeitgeber den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin bei einem Konkurrenzangebot darauf verweisen. Falls er oder sie sich noch nicht am oberen Ende befindet, können Vorgesetzte ihren Angestellten Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. Ab 2026 sind Unternehmen ohnehin verpflichtet ihr Vergütungsmodell offenzulegen und für Gehaltstransparenz zu sorgen.
2. Urlaub
Auch die Zahl der Urlaubstage sind ein wichtiger Hygienefaktor. Haben Teammitglieder eine unterschiedliche Zahl an Urlaubstagen – etwa, weil einer mehr ausgehandelt hat – kann das für Missstimmungen im Team sorgen.
Pütter rät deshalb, allen Beschäftigten dieselben Urlaubstage zu gewähren – und zwar auf branchenüblichem Niveau. Tun Arbeitgeber das nicht, kann das schließlich auch einem Mitarbeiter in die Hände spielen, der ein Konkurrenzangebot bekommen hat.
3. Benefits
Der dritte Punkt, den Unternehmen regeln sollten: die Benefits für Mitarbeiter. „Viele Chefs haben diese früher willkürlich vergeben. Der eine bekam einen Dienstwagen, der andere ein Jobrad oder einen Zuschuss zum Fitnessstudio.“ Um nicht angreifbar zu sein, empfiehlt Pütter, das im Betrieb zu vereinheitlichen.
„Wenn du als Unternehmer und Unternehmerin in Gesprächen über Konkurrenzangebote bestehen willst, sind das die Dinge, die du unbedingt gemacht haben musst“, sagt Pütter. „Sonst wirst du immer wieder in die Ecke gedrängt und mit solchen Gehaltsforderungen konfrontiert.“
4. Kultur
Als letzten, wichtigen Punkt sieht der Berater die Firmenkultur: „Lebe ich eine wertschätzende Führung? Habe ich eine gute Fehlerkultur?“ Könnten Unternehmen hier einen Haken dran machen, sei das ein dicker Pluspunkt in Gesprächen über Konkurrenzangebote.
Gehaltsforderung auskontern – das können Chefs sagen
Experte Pütter hält es für legitim, wenn Mitarbeiter bei einem Konkurrenzangebot ein höheres Gehalt fordern. Aber es gibt Gründe aus Unternehmersicht, dieser Forderung nicht nachzukommen, beispielsweise, weil durch ein höheres Gehalt eines Teammitglieds das Gehaltsgefüge in eine Schieflage geraten würde. Was können Chefs oder Chefinnen dann sagen?
Wer seine Hausaufgaben gemacht und sich über die oben beschriebenen Hygienefaktoren Klarheit verschafft habe, könne laut Pütter als Chef in einer Gehaltsverhandlung zum Beispiel so reagieren: „Kein Thema. Du kriegst bei einem anderen 300 Euro mehr. Wir haben einen auf unseren Betrieb angepassten Gehaltsspiegel. Und dein Gehalt ist im Rahmen deiner Tätigkeit innerhalb dieses Gehaltspiegels. Wenn deine Performance so bleibt, kann ich dir in dieser Tätigkeit nicht mehr Geld geben, weil es den anderen gegenüber sonst unfair wäre. Aber was ich dir zusagen kann: Wir haben eine wertschätzende Führung. Wir werden euch bei allen Change-Themen vernünftig und wertschätzend mitnehmen. Jetzt kannst du dich entscheiden: Gehst du für 300 Euro woanders hin?“ Das sei der magische Moment, wo man das Gespräch drehen könne.
Alternativen in der Gehaltsverhandlung ausloten
Oft wollen Mitarbeitende jedoch nicht einfach nur ein höheres Gehalt, weiß Personalberater Oliver Hohmann aus Erfahrung. „Meist geht es auch um mehr Wertschätzung, interessantere Aufgaben oder eine Karriereperspektive.“
In dem Fall sind Hohmann zufolge intensive Gespräche notwendig, in denen Fragen wie diese beantwortet werden sollten:
- Was kann ich dem Mitarbeiter jenseits einer Gehaltserhöhung bieten?
- Wohin will er sich beruflich entwickeln?
- Sind Weiterbildungsangebote eine Option?
- Bringt eine Zusatzqualifikation mehr Zufriedenheit?
- Hilft vielleicht auch mehr Urlaub oder eine Arbeitszeitreduzierung ohne Lohnverzicht?
- Könnte eine Boni-Regelung motivierend wirken?
- Ist ein höherwertiger Titel für den Mitarbeiter attraktiv?
Das Ziel: ein Paket für den Mitarbeiter schnüren. Um ihm anschließend etwas sagen zu können wie: „Wenn du dich entsprechend qualifizierst, dann ist etwa in einem halben Jahr eine Beförderung möglich mit einer entsprechenden höheren Vergütung.“
„So eine Strategie lässt sich auch intern besser verkaufen als das plumpe Erfüllen einer Gehaltsforderung“, versichert Oliver Hohmann. Denn es ist ja möglich, dass auch andere Mitarbeiter von so einer Gehaltsverhandlung erfahren, deswegen Fragen aufkommen und die Gerüchteküche brodelt. Der Rat von Experte Hohmann: „Ziel muss immer sein, eine Balance herzustellen zwischen den Interessen des Unternehmens und denen des Mitarbeiters.“
Nur realistische Versprechungen machen
Wichtig: Egal, ob die Gehaltsforderung berechtigt ist oder nicht: Unternehmen sollten Mitarbeitenden keine unrealistischen Angebote unterbreiten. Wie etwa: „Ich mache Sie zu meiner rechten Hand.“ Denn wenn diese Offerten als Luftschlösser entlarvt werden, verspielt der Unternehmer Vertrauen – und macht sich schlimmstenfalls lächerlich.
Im Fall einer Trennung: im Guten auseinandergehen
Sollten alle Verhandlungen und Angebote beim Mitarbeiter nicht verfangen und er tatsächlich zur Konkurrenz gehen, muss der Unternehmer dafür sorgen, dass diese Trennung im Guten erfolgt.
Dafür ist Personalberater Hohmann zufolge auf jeden Fall ein letztes Gespräch notwendig, in dem noch einmal deutlich werden muss, was den Mitarbeiter gestört hat. Hohmann: „Der Unternehmer bekommt in so einem Gespräch ungefilterte Informationen und kann daraus Optimierungspotenzial für seinen Betrieb ableiten.“
