Jobs to be done
Was wünschen sich Kunden wirklich? Mit dieser Theorie finden Sie es heraus

Die Jobs-to-be-done-Theorie hilft Ihnen, Ihre Kunden besser zu verstehen und mehr zu verkaufen. Ein Experte erklärt, wie das funktioniert – plus Beispiel aus der Praxis.

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Jobs to be done
© Laurentia Negoitescu / 500px / getty images

Was ist „Jobs to be done“?

„Jobs to be done“ ist eine Wirtschaftstheorie. Sie hilft dabei zu verstehen, warum Kundinnen und Kunden beim eigenen Unternehmen kaufen – oder aber bei der Konkurrenz. Wer sich mit dieser Frage auseinandersetzt, kann sein Angebot besser auf die Bedürfnisse der Kundschaft ausrichten und mehr verkaufen.

Die Idee hinter Jobs to be done (kurz JTBD): Menschen kaufen Produkte oder Dienstleistungen nicht wegen bestimmter Funktionen oder Merkmale. Sondern vielmehr, weil sie ein Ziel erreichen oder ein Problem lösen wollen. Man könnte auch sagen: Sie beauftragen die Produkte damit, einen „Job“ für sie zu erledigen – nämlich das Problem zu lösen oder das Ziel zu erreichen.

Ein Beispiel: Eine Gartenschaufel kauft wohl kaum jemand, weil er oder sie Schaufeln so schön findet. Sondern vielmehr, um beispielsweise einen Rhododendron im Garten einzupflanzen. Und sich später jeden Tag an dem schönen Busch zu erfreuen.

Wer hat JTBD erfunden?

Die Jobs-to-be-done-Theorie wurde in den 1990er-Jahren maßgeblich vom Harvard-Wirtschaftsprofessor Clayton M. Christensen entwickelt. „Christensen ist einer der einflussreichsten Management-Vordenker unserer Zeit; die Theorie hat er zum ersten Mal in seinem Buch ‚The Innovator’s Dilemma‘ umrissen“, erläutert Peter Rochel, der sich mit seiner Innovationsberatung auf JTBD spezialisiert hat.

Bereits in den 1960er Jahren legte Harvard-Wirtschaftsprofessor Theodor Levitt den Grundstein für die Theorie. Den Job, mit dem Menschen eine Bohrmaschine beauftragen, soll er so beschrieben haben: „Menschen wollen keinen Sechs-Millimeter-Bohrer kaufen, sie wollen ein Sechs-Millimeter-Loch.“

Der Experte
Peter Rochel ist Inhaber der Innovationsberatung Oberwasser Consulting. Er hat sich auf die Jobs-to-be-done-Methode spezialisiert und mehr als 700 Unternehmen dabei unterstützt, mit Hilfe der JTBD-Theorie Produkte, Services, Marketing und Geschäftsmodelle zu verbessern und neu zu erfinden.

Berater Rochel ergänzt: „Es ist logisch, dass Leute Löcher wollen. Aber das kann man weiterdenken: Vielleicht wollen sie ein Bild aufhängen, ein Regal an der Wand befestigen und schöner wohnen. Vielleicht wollen sie auch vor ihrer Lebensgefährtin als potenter Heimwerker dastehen. Wenn man die Erkenntnis hat, dass Menschen keine Bohrer wollen, sondern Löcher, muss man sich fragen: Was mache ich jetzt mit dieser Information? Was bedeutet das für mein Produkt, für das Marketing, den Vertrieb?“

Wann lohnt es sich, JTBD einzusetzen?

Jobs to be done eignet sich:

  • um zu verstehen, was Kundinnen und Kunden bewegt und was sie sich wirklich wünschen.
  • um herauszufinden, wie man ein Produkt so verbessern kann, dass es den Bedürfnissen der Kundschaft entspricht.
  • um Produkte oder Dienstleistungen so zu vermarkten, dass sich die Zielgruppe wirklich angesprochen fühlt.
  • um neue Märkte zu erschließen.

Jobs wirklich verstehen

Die Jobs oder Fortschritte, die eine Person erreichen möchte, können einen funktionalen, emotionalen oder sozialen Nutzen haben.

Beispiel Bohrer:

  • funktionaler Nutzen: Ein Bücherregal an die Wand anbringen.
  • emotionaler Nutzen: Die Wohnung verschönern und sich wohler fühlen.
  • sozialer Nutzen: Der Partnerin zeigen, dass man ein guter Heimwerker ist. Oder auch: Gästen mit der Auswahl an Reiseführern im Regal imponieren.

Während der funktionale Nutzen oft auf der Hand liegt, sind der emotionale und soziale Nutzen Kundinnen und Kunden nicht immer bewusst. Sie tragen eher indirekt zur Kaufentscheidung bei – können Unternehmen aber helfen, Kunden emotional abzuholen. Etwa, indem sie nicht einzelne Funktionen eines Bohrers präsentieren. Sondern zeigen, wie schnell und unkompliziert Menschen damit ihre Wohnung verschönern können.

Was können Unternehmen konkret mit JBTD erreichen?

Mit Jobs to be done können Firmen kurzfristig kleine Änderungen vornehmen, die schnell eine große Wirkung zeigen. „Aber auch große Innovationen sind möglich, die erst mittel- oder langfristig daraus hervorgehen“, sagt Rochel.

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Praxisbeispiel: Stefan Hück, Inhaber der Yogamatten-Firma Mantrafant, hat sich mit Jobs to be done beschäftigt, um seine Verkäufe anzukurbeln. Hück verkauft seine nachhaltigen Yogamatten online. Im Vergleich zur Konkurrenz sind sie mit 120 bis 140 Euro eher teuer. Dank JTBD sammelte er Erkenntnisse über Kaufmotive von Kunden, die ihm vorher nicht bewusst waren. Er passte daraufhin seine Marketingtexte an. Dadurch – und durch weitere Maßnahmen, von denen Sie weiter unten lesen – konnte er seine Verkäufe verfünffachen.

Wie wendet man JTBD an?

Sich Kundenjobs in einem internen Workshop ausdenken? Eine schlechte Idee. Unternehmerinnen und Unternehmern sollten unbedingt mit ihren Kunden sprechen. Nur so können sie deren tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen auf den Grund gehen. „Der einzig wirklich große Fehler, den man machen kann: Nicht mit Kunden sprechen“, so Rochel.

Dabei geht es nicht um ein paar Sätze per E-Mail oder drei Minuten am Telefon: Hück hat mit jedem Interviewpartner jeweils eine Stunde geredet.

Egal ob es sich um einen Zwei-Personen-Betrieb oder einen Konzern handelt: In seinen JTBD-Beratungen nutzt Rochel stets die gleiche Struktur (ein so genanntes Framework), um Ziele zu klären, Interviews vorzubereiten und auszuwerten. Wie dieses Framework funktioniert, erfahren Sie im Folgenden anhand des Beispiels von Yoga-Unternehmer Stefan Hück.

1. Ziel klären

Zuerst gilt es, sich ein Ziel zu setzen. Geht es darum,

  • ein bestehendes Produkt zu verbessern?
  • das Vorgehen des Marketings oder Vertriebs zu optimieren, um mehr potenzielle Käuferinnen und Käufer zu erreichen?
  • ein neues Produkt zu entwickeln?

Stefan Hücks Ziel: „Ich habe gemerkt, dass ich gar nicht so richtig wusste: Warum entscheiden sich Leute für meine Yogamatten?“

2. Ein gemeinsames Verständnis von Kundenbedürfnissen entwickeln

Sind mehrere Personen am JTBD-Prozess beteiligt, ist es zunächst ratsam, allen die Theorie nahezubringen. Dabei ist Rochel zufolge auch wichtig klarzumachen, dass es für jedes Problem, das ein Kunde lösen möchte, nicht die EINE Lösung gibt. So gibt es beispielsweise für das Ziel: „Ich möchte ein Regal montieren“ auch Lösungen, die nichts mit einem Bohrer zu tun haben. Etwa ein Regal mit stark haftendem Klebeband anzubringen oder ein Standregal zu kaufen.

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Wichtig sei auch, alle Beteiligten dafür zu sensibilisieren, dass die Umstände wichtig sind, unter denen sie ein Produkt „beauftragen“. Beispiel Bohrer: „Angenommen, ich habe meiner Frau versprochen, bis Ostersonntag das Bild von ihrem Onkel Erwin im Esszimmer aufzuhängen, weil der dann zu Besuch kommt“, erklärt Rochel. „Und dann vergesse ich es. Jetzt sind die Umstände wichtig: Fällt mir das nachmittags um vier ein, hole ich meinen Bohrer und hänge das Bild auf. Fällt es mir morgens um 5 Uhr in meiner Stadtwohnung ein, werde ich wahrscheinlich eine andere Lösung suchen als den Bohrer.“

3. Arbeitshypothese entwickeln

Für die weitere Arbeit ist es hilfreich, eine Hypothese zu folgender Frage zu entwickeln: Welches Problem löst das eigene Angebot für die Kunden?

Hücks Hypothese: Seine Kundinnen und Kunden wünschen sich wirklich nachhaltige Yogamatten. Und kaufen bei ihm, weil er auf seiner Website detailliert beschreibt, warum seine Matten so nachhaltig sind. Um es vorwegzunehmen: Mit dieser Hypothese lag Hück daneben. „Das ist der Klassiker“, erläutert Rochel. „Meistens sind aus Kundensicht andere Dinge relevant als das, was man sich selbst zusammengereimt hat.“

4. Interviewpartner auswählen

„Regel Nummer eins: Sprich nicht mit deinen besten Stammkunden“, warnt Rochel. „Von denen kann man nichts lernen, jedenfalls nicht zu Beginn der Interviews.“

Rochel empfiehlt, auf solche Kundinnen und Kunden zu setzen, die gerade erst von anderen Lösungen zum eigenen Angebot gewechselt sind – oder aber beschlossen haben, statt bei der eigenen Firma bei der Konkurrenz zu kaufen. Denn diese Menschen können sich noch recht gut erinnern, warum sie sich für oder gegen etwas entschieden haben.

Für JTBD-Interviews gilt: Qualität vor Quantität. Rochel befragt standardmäßig etwa zehn Kunden. Meist zeigen sich schon nach wenigen Gesprächen Muster.

Stefan Hück hat zunächst mit fünf Kundinnen gesprochen. Weil er zuvor wegen Fragen zum Produkt schon Kontakt mit ihnen hatte, waren sie gerne bereit mitzumachen. „Später haben wir auch ein paar Kunden interviewt, die nicht über meinen Webshop gekauft haben, sondern über Amazon“, erzählt der Unternehmer. Weitere Interviewpartner kauften bei Hücks Konkurrenz.

Die Konkurrenz-Käufer fand Hück, indem er seine eigenen Kunden fragte: „Kennt ihr Leute aus eurem Yogastudio, die Lust hätten, bei den Interviews mitzumachen?“.

5. Ablauf der Interviews

Grundidee der JTBD-Interviews: Kundinnen und Kunden erzählen genau nach, wie es zu der Entscheidung für den Kauf kam. Ihr Gegenüber unterstützt sie hierbei mit Fragen.

Einen Standard-Fragebogen, an dem Unternehmerinnen und Unternehmer sich orientieren können, gibt es nicht. Die Fragen entwickeln sich in jedem Gespräch individuell. Nur eine Frage eignet sich laut Rochel für den Beginn der Interviews: „Können Sie sich noch erinnern, wann Sie das erste Mal darüber nachgedacht haben, das Produkt zu kaufen?“

Für den weiteren Gesprächsverlauf können Unternehmer sich an diesen Punkten orientieren:

  • Was führt dazu, dass Kunden auf mich aufmerksam werden?
  • Warum treffen sie anschließend die Entscheidung, bei mir oder anderen zu kaufen?
  • Unter welchen Umständen handeln sie?
  • Konnten sie mit ihrer Lösung einen Fortschritt erzielen oder haben sie einen Rückschritt gemacht?

„Es gibt viele Fragen, die man nicht fragen sollte“, erklärt Rochel weiter. „Was nicht hilft, ist etwa die Frage: ‚Würden Sie dieses Produkt kaufen?‘ Wir müssen rausbekommen, wie Menschen sich verhalten – und nicht, was sie behaupten, wie sie sich verhalten würden.“

Er empfiehlt, sogenannte problemorientierte Fragen zu stellen. Im Fall von Hücks Interviews war das zum Beispiel die Frage: „Warum brauchst du eine Yogamatte? Du könntest dir doch auch ein Handtuch unterlegen?“ Hück nennt das „Fragen wie ein Kind“ – er habe durch die Interviews gelernt, sich nicht zu scheuen, vermeintlich dumme Fragen zu stellen.

Berichteten Kundinnen etwa, dass es ihnen wichtig ist, auf den Matten nicht wegzurutschen, fragte Hück: „Warum ist dir Rutschfestigkeit denn wichtig?“ Dabei, so Hück, war ihm die Antwort eigentlich klar. Und doch halfen die daraus folgenden Gespräche, die Kundinnen besser zu verstehen: Sie wollten vor anderen im Studio nicht aussehen wie eine Anfängerin.

6. Interviews auswerten

Anschließend geht es daran, aus allen Gesprächen Gemeinsamkeiten und Muster abzuleiten. Stefan Hück konnte durch seine Interviews zentrale Erkenntnisse sammeln:

  1. Nachhaltigkeit war – anders als angenommen – nicht der entscheidende Kaufgrund.
  2. Das entscheidende Kaufkriterium bei einer Yogamatte: Sie ist rutschfest.
  3. Viele Kundinnen landeten bei Hücks Matten, nachdem sie zuvor mehrere deutlich günstigere Matten gekauft hatten, auf denen sie kaum Halt fanden.
  4. Wer teure Yogamatten kauft, möchte sie zuvor anfassen und testen.

Rochel empfiehlt, alle „Jobs“ zu sammeln, mit denen Kunden die eigenen Produkte oder Dienstleistungen beauftragen. Und sich dann zu fragen: Welcher dieser „Jobs“ hat den höchsten Wert für unser Unternehmen? Ist dieser Job identifiziert, rät er folgende Fragen zu klären:

  • Was muss ich tun, um diesen Job besser zu erledigen als die Konkurrenz?
  • Worum muss ich mich NICHT kümmern?
  • Wie machen wir Menschen besser darauf aufmerksam, dass wir eine Lösung für sie haben?
  • Wie können wir ihnen helfen zu prüfen, ob unsere Lösung besser zu ihren Anforderungen passt als Alternativen?
  • Was muss Bestandteil der Lösung sein, damit sie Kunden begeistert?
  • Wie schaffen wir eine loyale Bindung und bringen Kunden dazu, unsere Lösung mit anderen zu teilen?

Rochel: „Das ist natürlich viel Arbeit. Aber die Erfahrung zeigt: Die weiteren Schritte erscheinen einem plötzlich ganz logisch. Das macht es deutlich einfacher.“

7. Weitere Schritte ableiten und Ideen umsetzen

Stefan Hück leitete aus seinen Erkenntnissen mehrere kleine Änderungen ab: Er stellte innerhalb weniger Stunden seine Marketingtexte um. Statt auf Nachhaltigkeit setzte er auf das Thema Rutschfestigkeit. Nachhaltigkeit kommunizierte er eher nachgelagert, quasi als Sahnehäubchen.

Außerdem führte er eine 100-Tage-Test-Garantie ein. Kunden konnten zwar bereits vorher Matten zurückschicken und ihr Geld wiederbekommen, wenn sie unzufrieden waren. Doch das hatte Hück nie offensiv kommuniziert. Die Test-Garantie sollte Interessenten die Sicherheit geben, dass sie das Produkt ohne Risiko ausprobieren können.

Hück startete zudem Kooperationen mit Yogastudios. Denn durch die Interviews hatte er erfahren, dass Yogis sich häufig bei ihren Lehrern nach guten Matten erkundigen. Die Yogalehrer konnten Mantrafant-Matten so direkt zum Testen anbieten, verkaufen und von Hück eine Provision einstreichen.

Das Ergebnis dieser Änderungen: Hück konnte seine Verkäufe verfünffachen. Er habe zwar auch sehr günstige Rahmenbedingungen gehabt, so Rochel. Trotzdem sei so eine Entwicklung nicht untypisch: „Meistens sind die Verbesserungspotenziale so groß, dass man mit wenig Aufwand sehr viel machen kann. Das sind dann sprunghafte Entwicklungen, die man sehr schnell merkt.“

Wie viel Zeit sollte man für JTBD(-Interviews) einplanen?

Nach Rochels Erfahrung brauchen Unternehmen für den gesamten JTBD-Prozess zwei bis vier Wochen. Um den individuellen Aufwand zu reduzieren, empfiehlt er, mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubeziehen. Wer das Gesamtpaket in handhabbare Teilaufgaben runterbricht, könne in kurzer Zeit gute Ergebnisse erhalten.

Stefan Hück führt inzwischen regelmäßig Jobs-to-be-done-Interviews. Immer, wenn er kleinere oder größere Änderungen an seinen Produkten plant, spricht er vorab mit einer Handvoll Kunden. Und findet so heraus, welche Änderungen wirklich sinnvoll sind und was er sich sparen kann.

Zweites Praxisbeispiel: Das Milchshake-Experiment

Ein berühmtes Beispiel, wie Jobs to be done einem Unternehmen zu mehr Erfolg verhelfen konnte, ist das sogenannte Milchshake-Experiment. Dieses haben die Harvard-Business-School-Dozenten Clayton Christensen und Bob Moesta gemeinsam durchgeführt, um JTBD an einem Praxisbeispiel zu testen. Ziel war, die Milchshake-Verkäufe einer Fastfood-Kette anzukurbeln.

Wie sie dabei vorgingen und was sie herausfanden, erzählt Christensen in diesem Video.

Die Geschichte hat nur einen Haken: Ganz so, wie Christensen behauptet, hat sich das Milchshake-Experiment nie zugetragen. „Im Original fand das anders statt“, sagt Rochel, der über das berühmte Experiment mit Bob Moesta gesprochen hat. „Mit ihrer Beratung sind beide nicht auf eine Fastfoodkette zugegangen, sondern auf ein Milchshake-Mix-Unternehmen, das eigentlich nur seine Maschinen auslasten wollte. Das passte nicht so recht zu der Story, die sie zu Jobs to be done erzählen wollten. Also haben sie es sich zurechtgebastelt.“

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
Machen ist wie wollen, nur krasser
Die impulse-Mitgliedschaft - Rückenwind für Unternehmerinnen und Unternehmer
Was ist „Jobs to be done“? "Jobs to be done" ist eine Wirtschaftstheorie. Sie hilft dabei zu verstehen, warum Kundinnen und Kunden beim eigenen Unternehmen kaufen – oder aber bei der Konkurrenz. Wer sich mit dieser Frage auseinandersetzt, kann sein Angebot besser auf die Bedürfnisse der Kundschaft ausrichten und mehr verkaufen. Die Idee hinter Jobs to be done (kurz JTBD): Menschen kaufen Produkte oder Dienstleistungen nicht wegen bestimmter Funktionen oder Merkmale. Sondern vielmehr, weil sie ein Ziel erreichen oder ein Problem lösen wollen. Man könnte auch sagen: Sie beauftragen die Produkte damit, einen "Job" für sie zu erledigen – nämlich das Problem zu lösen oder das Ziel zu erreichen. Ein Beispiel: Eine Gartenschaufel kauft wohl kaum jemand, weil er oder sie Schaufeln so schön findet. Sondern vielmehr, um beispielsweise einen Rhododendron im Garten einzupflanzen. Und sich später jeden Tag an dem schönen Busch zu erfreuen. Wer hat JTBD erfunden? Die Jobs-to-be-done-Theorie wurde in den 1990er-Jahren maßgeblich vom Harvard-Wirtschaftsprofessor Clayton M. Christensen entwickelt. „Christensen ist einer der einflussreichsten Management-Vordenker unserer Zeit; die Theorie hat er zum ersten Mal in seinem Buch ‚The Innovator's Dilemma‘ umrissen“, erläutert Peter Rochel, der sich mit seiner Innovationsberatung auf JTBD spezialisiert hat. Bereits in den 1960er Jahren legte Harvard-Wirtschaftsprofessor Theodor Levitt den Grundstein für die Theorie. Den Job, mit dem Menschen eine Bohrmaschine beauftragen, soll er so beschrieben haben: „Menschen wollen keinen Sechs-Millimeter-Bohrer kaufen, sie wollen ein Sechs-Millimeter-Loch.“ [zur-person] Berater Rochel ergänzt: „Es ist logisch, dass Leute Löcher wollen. Aber das kann man weiterdenken: Vielleicht wollen sie ein Bild aufhängen, ein Regal an der Wand befestigen und schöner wohnen. Vielleicht wollen sie auch vor ihrer Lebensgefährtin als potenter Heimwerker dastehen. Wenn man die Erkenntnis hat, dass Menschen keine Bohrer wollen, sondern Löcher, muss man sich fragen: Was mache ich jetzt mit dieser Information? Was bedeutet das für mein Produkt, für das Marketing, den Vertrieb?“ Wann lohnt es sich, JTBD einzusetzen? Jobs to be done eignet sich: um zu verstehen, was Kundinnen und Kunden bewegt und was sie sich wirklich wünschen. um herauszufinden, wie man ein Produkt so verbessern kann, dass es den Bedürfnissen der Kundschaft entspricht. um Produkte oder Dienstleistungen so zu vermarkten, dass sich die Zielgruppe wirklich angesprochen fühlt. um neue Märkte zu erschließen. Jobs wirklich verstehen Die Jobs oder Fortschritte, die eine Person erreichen möchte, können einen funktionalen, emotionalen oder sozialen Nutzen haben. Beispiel Bohrer: funktionaler Nutzen: Ein Bücherregal an die Wand anbringen. emotionaler Nutzen: Die Wohnung verschönern und sich wohler fühlen. sozialer Nutzen: Der Partnerin zeigen, dass man ein guter Heimwerker ist. Oder auch: Gästen mit der Auswahl an Reiseführern im Regal imponieren. Während der funktionale Nutzen oft auf der Hand liegt, sind der emotionale und soziale Nutzen Kundinnen und Kunden nicht immer bewusst. Sie tragen eher indirekt zur Kaufentscheidung bei – können Unternehmen aber helfen, Kunden emotional abzuholen. Etwa, indem sie nicht einzelne Funktionen eines Bohrers präsentieren. Sondern zeigen, wie schnell und unkompliziert Menschen damit ihre Wohnung verschönern können. Was können Unternehmen konkret mit JBTD erreichen? Mit Jobs to be done können Firmen kurzfristig kleine Änderungen vornehmen, die schnell eine große Wirkung zeigen. „Aber auch große Innovationen sind möglich, die erst mittel- oder langfristig daraus hervorgehen“, sagt Rochel. Praxisbeispiel: Stefan Hück, Inhaber der Yogamatten-Firma Mantrafant, hat sich mit Jobs to be done beschäftigt, um seine Verkäufe anzukurbeln. Hück verkauft seine nachhaltigen Yogamatten online. Im Vergleich zur Konkurrenz sind sie mit 120 bis 140 Euro eher teuer. Dank JTBD sammelte er Erkenntnisse über Kaufmotive von Kunden, die ihm vorher nicht bewusst waren. Er passte daraufhin seine Marketingtexte an. Dadurch – und durch weitere Maßnahmen, von denen Sie weiter unten lesen – konnte er seine Verkäufe verfünffachen. Wie wendet man JTBD an? Sich Kundenjobs in einem internen Workshop ausdenken? Eine schlechte Idee. Unternehmerinnen und Unternehmern sollten unbedingt mit ihren Kunden sprechen. Nur so können sie deren tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen auf den Grund gehen. „Der einzig wirklich große Fehler, den man machen kann: Nicht mit Kunden sprechen“, so Rochel. Dabei geht es nicht um ein paar Sätze per E-Mail oder drei Minuten am Telefon: Hück hat mit jedem Interviewpartner jeweils eine Stunde geredet. Egal ob es sich um einen Zwei-Personen-Betrieb oder einen Konzern handelt: In seinen JTBD-Beratungen nutzt Rochel stets die gleiche Struktur (ein so genanntes Framework), um Ziele zu klären, Interviews vorzubereiten und auszuwerten. Wie dieses Framework funktioniert, erfahren Sie im Folgenden anhand des Beispiels von Yoga-Unternehmer Stefan Hück. 1. Ziel klären Zuerst gilt es, sich ein Ziel zu setzen. Geht es darum, ein bestehendes Produkt zu verbessern? das Vorgehen des Marketings oder Vertriebs zu optimieren, um mehr potenzielle Käuferinnen und Käufer zu erreichen? ein neues Produkt zu entwickeln? Stefan Hücks Ziel: „Ich habe gemerkt, dass ich gar nicht so richtig wusste: Warum entscheiden sich Leute für meine Yogamatten?“ 2. Ein gemeinsames Verständnis von Kundenbedürfnissen entwickeln Sind mehrere Personen am JTBD-Prozess beteiligt, ist es zunächst ratsam, allen die Theorie nahezubringen. Dabei ist Rochel zufolge auch wichtig klarzumachen, dass es für jedes Problem, das ein Kunde lösen möchte, nicht die EINE Lösung gibt. So gibt es beispielsweise für das Ziel: „Ich möchte ein Regal montieren“ auch Lösungen, die nichts mit einem Bohrer zu tun haben. Etwa ein Regal mit stark haftendem Klebeband anzubringen oder ein Standregal zu kaufen. Wichtig sei auch, alle Beteiligten dafür zu sensibilisieren, dass die Umstände wichtig sind, unter denen sie ein Produkt „beauftragen“. Beispiel Bohrer: „Angenommen, ich habe meiner Frau versprochen, bis Ostersonntag das Bild von ihrem Onkel Erwin im Esszimmer aufzuhängen, weil der dann zu Besuch kommt“, erklärt Rochel. „Und dann vergesse ich es. Jetzt sind die Umstände wichtig: Fällt mir das nachmittags um vier ein, hole ich meinen Bohrer und hänge das Bild auf. Fällt es mir morgens um 5 Uhr in meiner Stadtwohnung ein, werde ich wahrscheinlich eine andere Lösung suchen als den Bohrer.“ 3. Arbeitshypothese entwickeln Für die weitere Arbeit ist es hilfreich, eine Hypothese zu folgender Frage zu entwickeln: Welches Problem löst das eigene Angebot für die Kunden? Hücks Hypothese: Seine Kundinnen und Kunden wünschen sich wirklich nachhaltige Yogamatten. Und kaufen bei ihm, weil er auf seiner Website detailliert beschreibt, warum seine Matten so nachhaltig sind. Um es vorwegzunehmen: Mit dieser Hypothese lag Hück daneben. „Das ist der Klassiker“, erläutert Rochel. „Meistens sind aus Kundensicht andere Dinge relevant als das, was man sich selbst zusammengereimt hat.“ 4. Interviewpartner auswählen „Regel Nummer eins: Sprich nicht mit deinen besten Stammkunden“, warnt Rochel. „Von denen kann man nichts lernen, jedenfalls nicht zu Beginn der Interviews.“ Rochel empfiehlt, auf solche Kundinnen und Kunden zu setzen, die gerade erst von anderen Lösungen zum eigenen Angebot gewechselt sind – oder aber beschlossen haben, statt bei der eigenen Firma bei der Konkurrenz zu kaufen. Denn diese Menschen können sich noch recht gut erinnern, warum sie sich für oder gegen etwas entschieden haben. Für JTBD-Interviews gilt: Qualität vor Quantität. Rochel befragt standardmäßig etwa zehn Kunden. Meist zeigen sich schon nach wenigen Gesprächen Muster. Stefan Hück hat zunächst mit fünf Kundinnen gesprochen. Weil er zuvor wegen Fragen zum Produkt schon Kontakt mit ihnen hatte, waren sie gerne bereit mitzumachen. „Später haben wir auch ein paar Kunden interviewt, die nicht über meinen Webshop gekauft haben, sondern über Amazon“, erzählt der Unternehmer. Weitere Interviewpartner kauften bei Hücks Konkurrenz. Die Konkurrenz-Käufer fand Hück, indem er seine eigenen Kunden fragte: „Kennt ihr Leute aus eurem Yogastudio, die Lust hätten, bei den Interviews mitzumachen?". 5. Ablauf der Interviews Grundidee der JTBD-Interviews: Kundinnen und Kunden erzählen genau nach, wie es zu der Entscheidung für den Kauf kam. Ihr Gegenüber unterstützt sie hierbei mit Fragen. Einen Standard-Fragebogen, an dem Unternehmerinnen und Unternehmer sich orientieren können, gibt es nicht. Die Fragen entwickeln sich in jedem Gespräch individuell. Nur eine Frage eignet sich laut Rochel für den Beginn der Interviews: „Können Sie sich noch erinnern, wann Sie das erste Mal darüber nachgedacht haben, das Produkt zu kaufen?“ Für den weiteren Gesprächsverlauf können Unternehmer sich an diesen Punkten orientieren: Was führt dazu, dass Kunden auf mich aufmerksam werden? Warum treffen sie anschließend die Entscheidung, bei mir oder anderen zu kaufen? Unter welchen Umständen handeln sie? Konnten sie mit ihrer Lösung einen Fortschritt erzielen oder haben sie einen Rückschritt gemacht? „Es gibt viele Fragen, die man nicht fragen sollte“, erklärt Rochel weiter. „Was nicht hilft, ist etwa die Frage: 'Würden Sie dieses Produkt kaufen?' Wir müssen rausbekommen, wie Menschen sich verhalten – und nicht, was sie behaupten, wie sie sich verhalten würden.“ Er empfiehlt, sogenannte problemorientierte Fragen zu stellen. Im Fall von Hücks Interviews war das zum Beispiel die Frage: „Warum brauchst du eine Yogamatte? Du könntest dir doch auch ein Handtuch unterlegen?“ Hück nennt das „Fragen wie ein Kind“ – er habe durch die Interviews gelernt, sich nicht zu scheuen, vermeintlich dumme Fragen zu stellen. Berichteten Kundinnen etwa, dass es ihnen wichtig ist, auf den Matten nicht wegzurutschen, fragte Hück: „Warum ist dir Rutschfestigkeit denn wichtig?“ Dabei, so Hück, war ihm die Antwort eigentlich klar. Und doch halfen die daraus folgenden Gespräche, die Kundinnen besser zu verstehen: Sie wollten vor anderen im Studio nicht aussehen wie eine Anfängerin. [mehr-zum-thema] 6. Interviews auswerten Anschließend geht es daran, aus allen Gesprächen Gemeinsamkeiten und Muster abzuleiten. Stefan Hück konnte durch seine Interviews zentrale Erkenntnisse sammeln: Nachhaltigkeit war – anders als angenommen – nicht der entscheidende Kaufgrund. Das entscheidende Kaufkriterium bei einer Yogamatte: Sie ist rutschfest. Viele Kundinnen landeten bei Hücks Matten, nachdem sie zuvor mehrere deutlich günstigere Matten gekauft hatten, auf denen sie kaum Halt fanden. Wer teure Yogamatten kauft, möchte sie zuvor anfassen und testen. Rochel empfiehlt, alle „Jobs“ zu sammeln, mit denen Kunden die eigenen Produkte oder Dienstleistungen beauftragen. Und sich dann zu fragen: Welcher dieser „Jobs“ hat den höchsten Wert für unser Unternehmen? Ist dieser Job identifiziert, rät er folgende Fragen zu klären: Was muss ich tun, um diesen Job besser zu erledigen als die Konkurrenz? Worum muss ich mich NICHT kümmern? Wie machen wir Menschen besser darauf aufmerksam, dass wir eine Lösung für sie haben? Wie können wir ihnen helfen zu prüfen, ob unsere Lösung besser zu ihren Anforderungen passt als Alternativen? Was muss Bestandteil der Lösung sein, damit sie Kunden begeistert? Wie schaffen wir eine loyale Bindung und bringen Kunden dazu, unsere Lösung mit anderen zu teilen? Rochel: „Das ist natürlich viel Arbeit. Aber die Erfahrung zeigt: Die weiteren Schritte erscheinen einem plötzlich ganz logisch. Das macht es deutlich einfacher.“ 7. Weitere Schritte ableiten und Ideen umsetzen Stefan Hück leitete aus seinen Erkenntnissen mehrere kleine Änderungen ab: Er stellte innerhalb weniger Stunden seine Marketingtexte um. Statt auf Nachhaltigkeit setzte er auf das Thema Rutschfestigkeit. Nachhaltigkeit kommunizierte er eher nachgelagert, quasi als Sahnehäubchen. Außerdem führte er eine 100-Tage-Test-Garantie ein. Kunden konnten zwar bereits vorher Matten zurückschicken und ihr Geld wiederbekommen, wenn sie unzufrieden waren. Doch das hatte Hück nie offensiv kommuniziert. Die Test-Garantie sollte Interessenten die Sicherheit geben, dass sie das Produkt ohne Risiko ausprobieren können. Hück startete zudem Kooperationen mit Yogastudios. Denn durch die Interviews hatte er erfahren, dass Yogis sich häufig bei ihren Lehrern nach guten Matten erkundigen. Die Yogalehrer konnten Mantrafant-Matten so direkt zum Testen anbieten, verkaufen und von Hück eine Provision einstreichen. Das Ergebnis dieser Änderungen: Hück konnte seine Verkäufe verfünffachen. Er habe zwar auch sehr günstige Rahmenbedingungen gehabt, so Rochel. Trotzdem sei so eine Entwicklung nicht untypisch: „Meistens sind die Verbesserungspotenziale so groß, dass man mit wenig Aufwand sehr viel machen kann. Das sind dann sprunghafte Entwicklungen, die man sehr schnell merkt.“ Wie viel Zeit sollte man für JTBD(-Interviews) einplanen? Nach Rochels Erfahrung brauchen Unternehmen für den gesamten JTBD-Prozess zwei bis vier Wochen. Um den individuellen Aufwand zu reduzieren, empfiehlt er, mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubeziehen. Wer das Gesamtpaket in handhabbare Teilaufgaben runterbricht, könne in kurzer Zeit gute Ergebnisse erhalten. Stefan Hück führt inzwischen regelmäßig Jobs-to-be-done-Interviews. Immer, wenn er kleinere oder größere Änderungen an seinen Produkten plant, spricht er vorab mit einer Handvoll Kunden. Und findet so heraus, welche Änderungen wirklich sinnvoll sind und was er sich sparen kann. Zweites Praxisbeispiel: Das Milchshake-Experiment Ein berühmtes Beispiel, wie Jobs to be done einem Unternehmen zu mehr Erfolg verhelfen konnte, ist das sogenannte Milchshake-Experiment. Dieses haben die Harvard-Business-School-Dozenten Clayton Christensen und Bob Moesta gemeinsam durchgeführt, um JTBD an einem Praxisbeispiel zu testen. Ziel war, die Milchshake-Verkäufe einer Fastfood-Kette anzukurbeln. Wie sie dabei vorgingen und was sie herausfanden, erzählt Christensen in diesem Video. [embed]https://www.youtube.com/watch?v=sfGtw2C95Ms&t=215s&ab_channel=EdwardCapaldi[/embed] Die Geschichte hat nur einen Haken: Ganz so, wie Christensen behauptet, hat sich das Milchshake-Experiment nie zugetragen. „Im Original fand das anders statt“, sagt Rochel, der über das berühmte Experiment mit Bob Moesta gesprochen hat. „Mit ihrer Beratung sind beide nicht auf eine Fastfoodkette zugegangen, sondern auf ein Milchshake-Mix-Unternehmen, das eigentlich nur seine Maschinen auslasten wollte. Das passte nicht so recht zu der Story, die sie zu Jobs to be done erzählen wollten. Also haben sie es sich zurechtgebastelt.“