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Vertrauen, offene Gesprächskultur, Teamgeist – solche Werte zieren in vielen Unternehmen XXL-Wandbilder oder prangen auf der Startseite der Unternehmenswebsite.
Doch im Arbeitsalltag? Da wird über die Frisur des neuen Kollegen gelästert. Und Wertschätzung wird zwar durch häufiges Bedanken ausgedrückt, aber das sich stapelnde Geschirr in der Kaffeeküche muss immer dieselbe Kollegin spülen.
Für das Arbeitsklima ist das Gift. Denn wenn Werte nur an der Wand stehen, aber nicht gelebt werden, entsteht Zynismus. Was also kann man tun, wenn Anspruch und Wirklichkeit so stark auseinanderklaffen? Diese vier Schritte helfen dir, vereinbarte Werte wirklich im Team zu etablieren.
Schritt 1: Schattenwerte erkennen – im Team und bei dir selbst
Wenn im Team ganz andere Werte gelebt werden, als vereinbart wurden, spricht die Führungskräfteentwicklerin Sandra von Oehsen von Schattenwerten.
„Führungskräfte haben oftmals einen blinden Fleck, was Schattenwerte angeht“, sagt von Oehsen. Es ist bequemer, wegzugucken.
Das gilt übrigens nicht nur für das Verhalten der Teammitglieder. Auch Führungskräfte halten sich nicht immer an die abgemachten Werte. „Wer Vertrauen predigt, aber jede Mail gegenlesen will, sendet widersprüchliche Signale“, erklärt von Oehsen.
Diese Warnzeichen geben einen Hinweis darauf, dass man selbst Teil des Problems ist:
- immer mehr Gemecker im Team
- häufiges Beschweren
- Sätze wie „Ich kann es dir ja eh nicht recht machen“
Nimmt man dies wahr, sollte man hellhörig werden, rät von Oehsen. Dann gilt es, zu reflektieren, ob man sich selbst an die Teamwerte hält oder Gefahr läuft, dass die eigenen Mitarbeitenden das Vertrauen in den Chef verlieren.
Schritt 2: Der Werte-Neustart
Wenn Teamwerte nicht gelebt werden, ist es höchste Zeit, diese zu überarbeiten oder ganz neue Werte zu definieren.
Wichtig: Werte nicht von oben vorgeben.
„Mitarbeitende sollten zu Beteiligten gemacht werden und die Werte mitbestimmen“, empfiehlt von Oehsen. Wer selbst an der Festlegung der Werte mitgearbeitet hat, dem falle es auch leicht, diese zu akzeptieren und sich mit ihnen zu identifizieren, so von Oehsen.
So entwickelst du Werte mit deinem Team:
- Werte sammeln: Das Team schreibt die Wunschwerte auf Karten, etwa Respekt, Professionalität, offene Kommunikation.
- Abstimmen: Alle Teammitglieder und die Führungskräfte verteilen farbige Aufkleber und markieren damit, welche Werte für sie am wichtigsten sind. Verteilen die Führungskräfte Punkte in einer anderen Farbe als ihre Beschäftigten, wird direkt klar, wo es Meinungsverschiedenheiten gibt. Diese gilt es dann zu diskutieren. „Im nächsten Schritt einigt man sich auf eine überschaubare Anzahl, bei der es von allen die größte Zustimmung gibt.“
- Werte mit Bedeutung füllen: Hat man beispielsweise den Wert „Offene Kommunikation“ festgelegt, erarbeitet eine Kleingruppe, was alles dazugehört, etwa „Wir teilen unser Wissen und helfen einander“ oder „Wir sprechen miteinander statt übereinander“. Für die Expertin mache genau das eine gute Wertearbeit aus, nämlich ,„zu definieren, was die Werte eigentlich für uns bedeuten“.
Achtung: Sogar bei scheinbar einfachen Werten wie „Pünktlichkeit“ zeigt sich oft, wie unterschiedlich Mitarbeitende den Wert für sich empfinden. Der eine findet es bereits unhöflich, wenn jemand nicht mindestens zehn Minuten vor Arbeitsbeginn vor der Werkstatt auftaucht, für den anderen ist auch eine Verspätung von fünf Minuten noch im Rahmen. Hier gilt es, ein einheitliches Verständnis zu schaffen, was ein Wert bedeutet.
Tipp: Auch festlegen, welches Verhalten man im Miteinander nicht haben möchte. Also welche Schattenwerte man als Team ablehnt, beispielsweise Klatsch am Arbeitsplatz.
Schritt 3: Werte zugänglich machen
Damit Werte gelebt werden, müssen sie immer wieder ins Bewusstsein gerufen werden. Das kannst du tun:
- Werte visuell zugänglich machen: etwa auf Postern, Tassen, auf Shirts oder Bannern auf der Website. Aber Achtung: „Nur weil ein Wert auf einer Kaffeetasse landet, heißt es nicht, dass er auch gelebt wird“, warnt von Oehsen, „aber er ist schon mal präsenter.“
- Evaluation: Damit Werte auch wirklich Grundlage des alltäglichen Miteinanders werden, müssen sie regelmäßig evaluiert werden. Dazu kann man sich im Team Fragen stellen wie „Wie haben wir den Wert Respekt in den letzten Monaten erlebt?“ Oder: „Wie können wir noch unseren Wert Wertschätzung stärker in den Alltag bringen?“.
- Verantwortung im Team verteilen: Da es um Team(!)werte geht, muss das Team dafür auch die Verantwortung übernehmen. Das kann geschehen, indem einzelne Teammitglieder sich mit bestimmten Werten näher befassen. „Der eine Kollege kann sich beispielsweise auf den Wert Zusammenarbeit konzentrieren und darauf achten, was bereits gut läuft und wie man diesen noch mehr stärken kann“, schlägt von Oehsen vor. Ein anderer Kollege nimmt sich den Wert Gemeinschaft vor. So entwickelt das Team kontinuierlich neue Ideen, wie die gemeinsamen Werte gelebt werden können. Das könnte in der Praxis so aussehen, dass etwa der für Gemeinschaft zuständige Mitarbeiter vorschlägt, einmal monatlich ein Teamlunch zu veranstalten oder abends gemeinsam etwas trinken zu gehen.
Wichtig: Die Ergänzungen zu den Werten (also was sie bedeuten und wie sie gelebt werden) für alle zugänglich festhalten, digital oder auf einer Pinnwand im Aufenthaltsraum. Dann sind sie auch für neue Kolleginnen und Kollegen von Anfang an nachvollziehbar.
Schritt 4: Werte langfristig verankern
„Wertearbeit ist kein Einmalevent, sondern braucht kontinuierliche Pflege“, sagt Sandra von Oehsen. Das kannst du tun, um sie lebendig zu halten:
- Baue sie als feste Bestandteile in Mitarbeitergespräche oder Teammeetings ein: Frage etwa regelmäßig, welche Schattenwerte aktuell beobachtet wurden und was es braucht, um dem Wunschwert gerechter zu werden.
- Nutze die Werte im Vorstellungsgespräch: Überprüfe anhand der Werte, ob der Kandidat oder die Kandidatin ins Team passt. „Ebenso haben Bewerbende die Möglichkeit anhand der Werte gezielt zu fragen: ‚Was bedeutet denn für euch Eigenverantwortung?‘ und bekommen ein besseres Gespür dafür, was für eine Teamkultur im Unternehmen herrscht“, sagt von Oehsen.
- Gehe als gutes Beispiel voran: Bei der nächsten Entscheidung einmal kurz nachdenken, ob der Plan mit den festgelegten Werten einhergeht – oder was nötig ist, um das Team mitzunehmen: „Wer Transparenz als Wert definiert hat, kann dem Team beim nächsten Meeting erklären, warum er sich für oder gegen einen Auftrag entschieden hat“, sagt von Oehsen.
Sandra von Oehsen ist Führungskräfteentwicklerin, Teamcoach und Inhaberin der Deutschen Coaching Akademie. Sie leitet mehrere Seminare an der impulse-Akademie, unter anderem "Erfolgreich delegieren" und "Mitarbeiterführung für Team- und Abteilungsleiter".
