Strategische Inkompetenz
„Mach du lieber“: Das hilft, wenn Mitarbeitende nicht können wollen

"Ich kenn mich da nicht so aus, das überlasse ich dem Profi": Zwei Arbeitspsychologinnen erklären, wie du strategische Inkompetenz im Team erkennst und was dagegen hilft.

Aktualisiert am 27. Oktober 2025, 10:30 Uhr, von Mona Eichler

Mann im Anzug, Kopf in einem Loch im Boden
Duckt sich jemand bei unliebsamen Aufgaben weg? Strategische Inkompetenz kann das ganze Team belasten.
© DNY59 / iStockphoto / Getty Images/iStockphoto

„Excel ist einfach nicht mein Ding“, „Wenn du den Kaffee kochst, schmeckt er besser“ oder „Ruf du beim Kunden an, ich hab keinen Draht zu ihm“. Immer wieder lehnen Beschäftigte Aufgaben ab, weil sie etwas nicht können. Oder nicht können wollen. In diesem Fall spricht die Psychologie von strategischer Inkompetenz: vorzugeben, etwas nicht zu beherrschen, um es nicht tun zu müssen.

Die beiden Arbeitspsychologinnen Tabea Scheel und Nale Lehmann-Willenbrock erklären, wie Chefinnen und Chefs strategische Inkompetenz erkennen und ansprechen, und nennen Gegenmaßnahmen.

Was ist strategische Inkompetenz?

Tabea Scheel, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Europa-Universität Flensburg, hat eine einfache Definition von strategischer Inkompetenz: „Menschen stellen sich dumm, um bestimmte Arbeitsaufgaben nicht übernehmen zu müssen. Das heißt, sie könnten diese erfüllen oder besser erfüllen, als sie vorgeben.“ Wer strategische Inkompetenz anwendet, versteckt sich also hinter der Ausrede „Ich kann das nicht“, um eine Aufgabe nicht erledigen zu müssen. „Dies ist manipulativ, weil es passiert, um andere Menschen zu einem Verhalten zu bewegen, nämlich der Übernahme der fraglichen Aufgabe“, sagt Scheel.

Beispiele für strategische Inkompetenz

Strategische Inkompetenz findet nicht nur im Büro oder im Betrieb statt. Das Phänomen tritt auch häufig im Alltag auf. Wenn der Partner beispielsweise behauptet, die Frau könne einfach besser bügeln. Oder wenn ein Elternteil keine Windel wechselt, weil der andere es vermeintlich schneller kann. Auch Aufgaben wie die Urlaubsplanung, das Autofahren in fremden Städten oder die Zubereitung des Abendessens können mit der Aussage „Du kannst das besser als ich“ weitergereicht werden.

Wie im Alltag kann strategische Inkompetenz auch Aufgabenbereiche im Job betreffen. „Wenn mir Fachwissen fehlt und ich mir nicht die Zeit und Mühe machen will, es mir anzueignen. Aber auch, wenn es sich um vermeintliche Nebenaufgaben handelt, die wenig honoriert werden oder unangenehm sind“, sagt Tabea Scheel.

Strategische Inkompetenz erkennen

Chefinnen und Chefs können strategische Inkompetenz im Team daran erkennen, dass häufig Sätze fallen wie „Das kannst du besser“, „Das hast du letztes Mal schon so gut gemacht“ oder „Da bist du einfach Profi drin“. Dann kann strategische Inkompetenz dahinter stecken. Oder aber ein Mitarbeiter fällt durch häufiges und wiederholtes Nachfragen auf und schiebt Aufgaben ewig vor sich her. In diesem Fall ist die strategische Inkompetenz verdeckt: Aufgaben werden nicht oder solange nicht erledigt, bis ein anderer sie übernimmt.

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„Strategische Inkompetenz kann man manchmal auch erkennen, wenn man sich anschaut, wer besonders gehäuft die alltäglichen Nebenarbeiten übernimmt – und wer eben nicht“, erklärt Arbeitspsychologin Scheel. Wer hält zum Beispiel das Büro in Ordnung, organisiert Feste und Ausflüge oder pflegt Kundendatenbanken? Und wer drückt sich immer davor?

Unbewusste Inkompetenz oder Absicht?

Strategische Inkompetenz kann laut Tabea Scheel sowohl bewusst als auch unbewusst auftreten: „Entweder halten Menschen sich absichtlich bestimmte unliebsame oder eintönige Arbeit vom Leibe oder es sind angelernte Muster, mit denen sie bisher durchgekommen sind.“ Womöglich haben die Personen die Erfahrung gemacht, dass es genug Menschen gibt, die ihnen Arbeit abnehmen.

Strategische Inkompetenz wird auf Englisch „strategic incompetence“ oder auch „weaponized incompetence“ genannt, also „als Waffe eingesetzte Inkompetenz“. Doch nicht jede Person, die eine Aufgabe ablehnt, verhält sich bewusst unkollegial oder will anderen schaden. Nale Lehmann-Willenbrock, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Hamburg, gibt zu bedenken: „Wir neigen alle dazu, negatives Verhalten bei anderen Menschen als in der Person begründet zu sehen, während wir unser eigenes Verhalten in Kontexte einbetten und auch externe Gründe finden.“ Wenn eine Kollegin einen Fehler macht oder eine Aufgabe nicht übernehmen will, kann es naheliegen zu vermuten, dass sie einfach unachtsam oder wenig motiviert ist. Machen wir selbst etwas falsch, schieben wir es dagegen gern auf den stressigen Tag oder unsere ellenlange To-do-Liste. „Die tatsächlichen Gründe für das Verhalten einer anderen Person können sehr vielschichtig sein“, sagt die Psychologin.

Strukturen hinterfragen: Was heißt Inkompetenz?

Bevor man als Führungskraft einem Mitarbeiter strategische Inkompetenz unterstellt, lohnt es sich, die eigenen Strukturen und Abläufe im Team zu durchleuchten. Vielleicht ist der Betroffene den Anforderungen tatsächlich nicht gewachsen? Inkompetenz bedeutet zunächst nur, dass jemand etwas nicht kann, weil ihm entweder die Fähigkeiten für eine bestimmte Aufgabe fehlen oder das nötige Urteilsvermögen, die Aufgabe und deren Ansprüche korrekt einzuschätzen.

„Unklare Aufgaben oder Verantwortlichkeiten, unzureichendes oder nicht passgenaues Training, ein Mangel an Erfahrung, Überlastung – das alles kann zu fachlicher Inkompetenz führen“, sagt Lehmann-Willenbrock. Dann ist es die Aufgabe der Führungskraft, Schulungen anzubieten, Verantwortlichkeiten zu klären oder den Mitarbeiter zu entlasten.

Strategische Inkompetenz schadet dem Team

Natürlich ist es kein Drama, wenn jemand mal keine Lust auf eine bestimmte Aufgabe hat und diese mit einem freundlichen „Du kannst das besser“ weiterschiebt. Allerdings kann wiederholte bewusste oder unbewusste Inkompetenz die Zusammenarbeit im Team erschweren. Denn wann immer eine Aufgabe weitergeschoben wird, muss sich jemand finden, der sie stattdessen erledigt.

„Strategische Inkompetenz kann zu Frust führen“, sagt Scheel. „Schädlich ist es für die Person, die lästige Aufgaben übernimmt und dann gegebenenfalls weniger Zeit für die wichtigen oder karriereförderlichen Aufgaben hat.“ Aber auch die Person, die die Aufgabe eigentlich übernehmen sollte, tut sich laut der Expertin nicht immer einen Gefallen mit ihrem Verhalten. „Irgendwann traut sie sich bestimmte Dinge – zum Beispiel die neueste Software zu lernen oder mit Kunden zu interagieren – tatsächlich nicht mehr zu.“

Maßnahmen gegen strategische Inkompetenz

Wenn Führungskräfte feststellen, dass sich einige Mitarbeitende bei unliebsamen Aufgaben öfter aus der Affäre ziehen oder dumm stellen, können folgende Maßnahmen helfen:

1. Den Ball zurückspielen

Auf eine offene strategische Inkompetenz könne man genauso offen reagieren, sagt Tabea Scheel. Möchte jemand eine Aufgabe nicht annehmen, weil sie jemand anderes vermeintlich besser kann, dürfen Vorgesetzte auch mal sagen: „Du kannst das jetzt gern mal üben“ – egal, ob es sich um Kaffee kochen, Excel oder Kundenakquise handelt.

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2. Offene Aufgabenverteilung

Damit unliebsame Nebenaufgaben nicht immer an denselben Mitarbeitenden hängen bleiben, können Führungskräfte sie sammeln und im Team verteilen. Dabei könnten Führungskräfte natürlich Rücksicht auf persönliche Vorlieben nehmen, sagt Scheel: „Grundsätzlich spricht nichts dagegen, Aufgaben nach Präferenzen von Personen zu verteilen.“

3. Gespräch unter vier Augen

In einem Feedbackgespräch können Chefinnen und Chefs die vermeintliche strategische Inkompetenz ansprechen. Nale Lehmann-Willenbrock empfiehlt, Mitarbeitenden dabei erst einmal das Wort zu überlassen, statt mit Anschuldigungen zu starten. „In einem offenen Gespräch lassen sich die Gründe herausfinden, warum Aufgaben nicht korrekt oder fristgerecht ausgeführt werden können“, sagt die Expertin. Schließlich sei es auch möglich, dass die Person unbewusst bestimmte Aufgaben meide und hinter ihrem Verhalten keine absichtliche Strategie stecke.

Strategische Inkompetenz nicht einfach wegorganisieren

Stellt sich heraus, dass sich ein Teammitglied – bewusst oder unbewusst – vor bestimmten Aufgaben drückt, sollten Führungskräfte auf diesen Fehler hinweisen. Wichtig ist laut Nale Lehmann-Willenbrock, die Aufgaben dann nicht einfach im Team umzuverteilen, sondern mit dem Betroffenen ins Gespräch zu gehen. „Ich halte es nicht für ratsam, ohne Erläuterung andere oder neue Aufgabenfelder zuzuweisen“, sagt die Psychologin. Das vermittle im schlimmsten Fall den Eindruck, dass die Strategie der strategischen Inkompetenz aufgeht und sich unliebsame Aufgaben so umgehen lassen. „Oder ich vermittle damit: Ich bin unzufrieden mit der Arbeitsleistung und finde die Person möglicherweise nicht kompetent, halte es aber nicht für notwendig, mit ihr darüber zu sprechen. Beides kann die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden belasten und die strategische Inkompetenz unter Umständen verstärken.“

Die Expertinnen:
Tabea ScheelProf. Dr. Tabea Scheel ist Arbeits- und Organisationspsychologin und Dekanin an der Europa-Universität Flensburg. Sie forscht unter anderem zu den Auswirkungen, die Veränderungen in der Arbeitswelt wie etwa das Homeoffice mit sich bringen, und der Rolle von Humor im Arbeitskontext. Zudem arbeitet sie freiberuflich als Beraterin und Coach, unter anderem für Führungskräfte.
 
 
Lehmann-WillenbrockProf. Dr. Nale Lehmann-Willenbrock ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Hamburg. Sie forscht zu sozialen Prozessen und Interaktionsmustern in Teams sowie zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitenden und leitet das "Center for Better Work", das wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis bringt.

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