Flexible Arbeitsmodelle
„Ich kann nicht jeden Wunsch erfüllen, ich muss auch an die Firma denken“

Flexible Arbeitszeiten und Home-Office sind bei vielen Mitarbeitern begehrt, können aber Abläufe im Betrieb durcheinanderbringen. Unternehmerin Vanessa Weber erzählt, wie sie diesen Spagat meistert.

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Einer tanzt aus der Reihe? In diesem Fall ist es Vanessa Weber wichtig, dass die betroffenen Kollegen die Regelung mittragen.
Einer tanzt aus der Reihe? In diesem Fall ist es Vanessa Weber wichtig, dass die betroffenen Kollegen die Regelung mittragen.
© -Oxford- / iStock/Getty Images Plus / Getty Images

An neuen Arbeitsmodellen kommt heute kein Unternehmer mehr vorbei. Gleitzeit, Teilzeit, Vertrauensarbeitszeit, tageweise im Home-Office arbeiten oder gleich komplett remote: Die Möglichkeiten sind endlos.

Für mich als Unternehmerin ist das ein Spagat. Einerseits möchte ich die Wünsche meiner Mitarbeiter gern erfüllen. Nicht nur damit sie motiviert arbeiten und meiner Firma treu bleiben: Meine Leute liegen mir am Herzen und ich möchte, dass sie Arbeit und Privatleben möglichst stressfrei unter einen Hut bringen.

Dennoch muss ich immer abwägen zwischen Mitarbeiterwünschen und dem, was gut für die Firma ist. Und das ist manchmal gar nicht so einfach. Im Laufe der Zeit haben sich für mich vier Prinzipien herauskristallisiert, die mir als Kompass für die neue Arbeitswelt dienen:

1. Ich probiere aus, was funktioniert

Wenn es um Arbeitszeit und Arbeitsort geht, bin ich offen für Experimente. Wir haben beispielsweise mal ausprobiert, dass ein Teil des Teams um 7:30 Uhr mit der Arbeit beginnt und der andere Teil erst um 8:30 Uhr. Allerdings haben wir schnell den Überblick darüber verloren, wer wann da ist. Und als mal ein Mitarbeiter krank war und ein anderer im Urlaub, saß plötzlich einer morgens um 7:30 Uhr alleine da. Da war uns klar: Das geht nicht. Denn wenn in so einer Situation etliche Kunden auf Antwort von uns warten, bricht der Stress aus.

Wir haben den Test dann gestoppt – und eine andere Lösung gefunden: Wer will, kann statt einer Stunde Mittagspause nur eine halbe Stunde machen und dafür freitags früher gehen. Das läuft sehr viel besser.

Ein anderes Beispiel: Mein Vertriebsleiter wollte gern tageweise im Home-Office arbeiten. Das hat aber nicht wirklich funktioniert. Wir haben festgestellt: Für uns ist wichtig, dass er vor Ort ansprechbar ist für das Team, wenn sich Fragen ergeben oder Entscheidungen zu treffen sind. Wir sind nun dabei, eine andere Lösung zu finden, mit der alle Beteiligten gut leben können.

Bei solchen Experimenten ist für mich besonders wichtig, dass wir als Team ehrlich zueinander sind. Wenn wir etwas ausprobieren und merken, es funktioniert nicht, muss es möglich sein zu sagen: Leute, so können wir das nicht dauerhaft machen, das ist nicht gut für die Firma, für unser Miteinander.

2. Ich achte auf Gerechtigkeit

Wir beginnen morgens um 7:30 Uhr mit der Arbeit, und ich weiß natürlich, dass manche Mitarbeiter gern länger schlafen würden – es gibt ja „Lerchen“ und „Eulen“. Aber ich kann nun mal nicht jeden Wunsch erfüllen, ich muss auch an die Firma denken. Unsere Industriekunden arbeiten zum Teil in Frühschicht und fangen frühmorgens an. Danach müssen wir uns natürlich richten.

Nun könnte man drüber nachdenken, dass diejenigen, die nicht ständig Kundenkontakt haben, flexibler kommen und gehen können. Aber das möchte ich nicht – hier geht es mir um Gerechtigkeit. Ich fände es einfach unfair, wenn einige Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten organisieren können, wie sie wollen, während ihre Kollegen zum Beispiel morgens um 7:30 Uhr unser Ladengeschäft aufschließen müssen.

3. Ich beziehe das Team mit ein

Keine Regel ohne Ausnahme: Einige meiner Mitarbeiter müssen morgens ihre Kinder zur Kita bringen. Mit denen habe ich individuell einen späteren Arbeitsbeginn vereinbart.

Genauso beim Thema Home-Office: Einer meiner Innendienstler wohnt in Koblenz, also 156 Kilometer entfernt von meiner Firma, die ja in Aschaffenburg ist. Der arbeitet seit Kurzem vier Tage von zu Hause aus. Die Telefonanlage ist so geschaltet, dass sie die Gespräche automatisch nach Koblenz weiterleitet.

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Solche Sonderlösungen sind schlicht vernünftig. Es gibt nun mal auch ein Leben außerhalb der Arbeit. Dennoch ist es mir wichtig, dass die betroffenen Kollegen es mittragen, wenn ich mit einem Mitarbeiter so eine individuelle Regelung vereinbaren. Daher beziehe ich das Team immer in die Entscheidung mit ein. Bisher haben wir immer eine gute Lösung gefunden – und darüber freue ich mich. Es zeigt mir, dass in meiner Firma mitdenkende und mitfühlende Menschen arbeiten.

4. Ich bin bei Notlagen flexibel

Kann ich morgen von zuhause aus arbeiten? Diese Frage stellen mir meine Mitarbeiter immer mal wieder: Weil der Heizungsableser kommt, die Kita kurzfristig schließt, ein Kind krank ist. In solchen Fällen sage ich meistens Ja – es sei denn, jemand hat direkt mit Kunden zu tun oder braucht Unterlagen in Papierform, die in der Firma bleiben müssen.

Wenn der Mitarbeiter die ganze Zeit grübelt, wer am nächsten Tag sein Kind betreuen könnte, blockiert ihn das gedanklich. Und ich finde auch, dass man diese Flexibilität als Arbeitgeber heute einfach bieten muss. Dasselbe gilt, wenn ein Mitarbeiter mal eine Stunde später anfangen oder früher gehen will, weil er zum Arzt muss.

Allerdings halte ich mich bei solchen Entscheidungen an den Grundsatz: „Wer was in die Waagschale reinlegt, der darf auch gern wieder was rausnehmen.“ Wenn jemand jeden Tag zu spät käme und dann noch früher gehen wollte, würde ich demjenigen vermutlich nicht so sehr entgegenkommen.

Wie handhaben Sie es mit flexiblen Arbeitszeiten und Home-Office? Das Thema ist ja gerade nach dem Urteil des EuGH zur Arbeitszeiterfassung sehr aktuell. Ich freue mich wie immer auf Ihre Kommentare, Sichtweisen und Tipps.

An neuen Arbeitsmodellen kommt heute kein Unternehmer mehr vorbei. Gleitzeit, Teilzeit, Vertrauensarbeitszeit, tageweise im Home-Office arbeiten oder gleich komplett remote: Die Möglichkeiten sind endlos. Für mich als Unternehmerin ist das ein Spagat. Einerseits möchte ich die Wünsche meiner Mitarbeiter gern erfüllen. Nicht nur damit sie motiviert arbeiten und meiner Firma treu bleiben: Meine Leute liegen mir am Herzen und ich möchte, dass sie Arbeit und Privatleben möglichst stressfrei unter einen Hut bringen. Dennoch muss ich immer abwägen zwischen Mitarbeiterwünschen und dem, was gut für die Firma ist. Und das ist manchmal gar nicht so einfach. Im Laufe der Zeit haben sich für mich vier Prinzipien herauskristallisiert, die mir als Kompass für die neue Arbeitswelt dienen: 1. Ich probiere aus, was funktioniert Wenn es um Arbeitszeit und Arbeitsort geht, bin ich offen für Experimente. Wir haben beispielsweise mal ausprobiert, dass ein Teil des Teams um 7:30 Uhr mit der Arbeit beginnt und der andere Teil erst um 8:30 Uhr. Allerdings haben wir schnell den Überblick darüber verloren, wer wann da ist. Und als mal ein Mitarbeiter krank war und ein anderer im Urlaub, saß plötzlich einer morgens um 7:30 Uhr alleine da. Da war uns klar: Das geht nicht. Denn wenn in so einer Situation etliche Kunden auf Antwort von uns warten, bricht der Stress aus. Wir haben den Test dann gestoppt – und eine andere Lösung gefunden: Wer will, kann statt einer Stunde Mittagspause nur eine halbe Stunde machen und dafür freitags früher gehen. Das läuft sehr viel besser. Ein anderes Beispiel: Mein Vertriebsleiter wollte gern tageweise im Home-Office arbeiten. Das hat aber nicht wirklich funktioniert. Wir haben festgestellt: Für uns ist wichtig, dass er vor Ort ansprechbar ist für das Team, wenn sich Fragen ergeben oder Entscheidungen zu treffen sind. Wir sind nun dabei, eine andere Lösung zu finden, mit der alle Beteiligten gut leben können. Bei solchen Experimenten ist für mich besonders wichtig, dass wir als Team ehrlich zueinander sind. Wenn wir etwas ausprobieren und merken, es funktioniert nicht, muss es möglich sein zu sagen: Leute, so können wir das nicht dauerhaft machen, das ist nicht gut für die Firma, für unser Miteinander. 2. Ich achte auf Gerechtigkeit Wir beginnen morgens um 7:30 Uhr mit der Arbeit, und ich weiß natürlich, dass manche Mitarbeiter gern länger schlafen würden – es gibt ja „Lerchen“ und „Eulen“. Aber ich kann nun mal nicht jeden Wunsch erfüllen, ich muss auch an die Firma denken. Unsere Industriekunden arbeiten zum Teil in Frühschicht und fangen frühmorgens an. Danach müssen wir uns natürlich richten. Nun könnte man drüber nachdenken, dass diejenigen, die nicht ständig Kundenkontakt haben, flexibler kommen und gehen können. Aber das möchte ich nicht – hier geht es mir um Gerechtigkeit. Ich fände es einfach unfair, wenn einige Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten organisieren können, wie sie wollen, während ihre Kollegen zum Beispiel morgens um 7:30 Uhr unser Ladengeschäft aufschließen müssen. 3. Ich beziehe das Team mit ein Keine Regel ohne Ausnahme: Einige meiner Mitarbeiter müssen morgens ihre Kinder zur Kita bringen. Mit denen habe ich individuell einen späteren Arbeitsbeginn vereinbart. Genauso beim Thema Home-Office: Einer meiner Innendienstler wohnt in Koblenz, also 156 Kilometer entfernt von meiner Firma, die ja in Aschaffenburg ist. Der arbeitet seit Kurzem vier Tage von zu Hause aus. Die Telefonanlage ist so geschaltet, dass sie die Gespräche automatisch nach Koblenz weiterleitet. Solche Sonderlösungen sind schlicht vernünftig. Es gibt nun mal auch ein Leben außerhalb der Arbeit. Dennoch ist es mir wichtig, dass die betroffenen Kollegen es mittragen, wenn ich mit einem Mitarbeiter so eine individuelle Regelung vereinbaren. Daher beziehe ich das Team immer in die Entscheidung mit ein. Bisher haben wir immer eine gute Lösung gefunden – und darüber freue ich mich. Es zeigt mir, dass in meiner Firma mitdenkende und mitfühlende Menschen arbeiten. 4. Ich bin bei Notlagen flexibel Kann ich morgen von zuhause aus arbeiten? Diese Frage stellen mir meine Mitarbeiter immer mal wieder: Weil der Heizungsableser kommt, die Kita kurzfristig schließt, ein Kind krank ist. In solchen Fällen sage ich meistens Ja - es sei denn, jemand hat direkt mit Kunden zu tun oder braucht Unterlagen in Papierform, die in der Firma bleiben müssen. Wenn der Mitarbeiter die ganze Zeit grübelt, wer am nächsten Tag sein Kind betreuen könnte, blockiert ihn das gedanklich. Und ich finde auch, dass man diese Flexibilität als Arbeitgeber heute einfach bieten muss. Dasselbe gilt, wenn ein Mitarbeiter mal eine Stunde später anfangen oder früher gehen will, weil er zum Arzt muss. Allerdings halte ich mich bei solchen Entscheidungen an den Grundsatz: „Wer was in die Waagschale reinlegt, der darf auch gern wieder was rausnehmen.“ Wenn jemand jeden Tag zu spät käme und dann noch früher gehen wollte, würde ich demjenigen vermutlich nicht so sehr entgegenkommen. Wie handhaben Sie es mit flexiblen Arbeitszeiten und Home-Office? Das Thema ist ja gerade nach dem Urteil des EuGH zur Arbeitszeiterfassung sehr aktuell. Ich freue mich wie immer auf Ihre Kommentare, Sichtweisen und Tipps.