Kobra-Effekt
Verschlimmbessert? Dieses psychologische Phänomen steckt dahinter

Gut gemeinte Maßnahmen mit fatalen Folgen: Der Kobra-Effekt zeigt, wie etwa Bonuszahlungen mehr schaden als nutzen können – und wie du das verhinderst.

Aktualisiert am 27. Mai 2025, 14:03 Uhr, von Anna Wilke, Redakteurin

Eine Hand vor einem roten Hintergrund, welche eine Schlangenzunge und Schlangenzähne besitzt.
Gift für den Unternehmensalltag: Beim Kobra-Effekt führen gut gemeinte Maßnahmen nur zu Verschlimmbesserungen.
© Boris Zhitkov / Moment RF / Getty Images

Stell dir vor, du willst ein Problem lösen – und machst es damit noch schlimmer. Genau das passiert beim Kobra-Effekt: Eine gut gemeinte Maßnahme führt zu einer Verschlimmbesserung.

Der Kobra-Effekt – einfach erklärt

Der Begriff stammt vermutlich aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft in Indien, etwa um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts. Damals wollte die Regierung die Zahl giftiger Kobra-Schlangen senken und zahlte eine Prämie pro getöteter Schlange. Zunächst schien das System zu funktionieren – bis einige Menschen begannen, Kobras extra zu züchten, um möglichst viele Prämien einzustreichen. Als die Belohnung daraufhin eingestellt wurde, ließen die Züchter die nun wertlosen Schlangen frei. Ergebnis: Die Kobra-Population war am Ende größer als zuvor.

Genauer untersucht wurde der Begriff Kobra-Effekt im gleichnamigen Werk des Ökonomen Horst Siebert. Dort führt er diverse Beispiele aus der Wirtschaft an, die zeigen, wie verfehlte Anreizsysteme am Ende zu fatalen Verschlimmbesserungen führten.

Welche Beispiele für den Kobra-Effekt gibt es in Firmen?

1. Umsatzorientierte Boni im Vertrieb

Das Prinzip hinter dem Kobra-Effekt zeigt sich vor allem, wenn Anreizsysteme nicht richtig durchdacht sind. Ein typisches Beispiel sind umsatzorientierte Boni im Vertrieb: Wenn nur auf schnelle Abschlüsse gesetzt wird, vernachlässigen Angestellte im Vertrieb oft langfristige Kundenbeziehungen. Werden ausschließlich quantitative Ziele wie die Anzahl abgeschlossener Deals belohnt, besteht die Gefahr, dass sich Verkaufsteams lieber auf viele kleine, schnelle Abschlüsse konzentrieren, statt aufwendigere, aber langfristig wertvollere Projekte anzugehen. Die Folge: Der Umsatz steigt kurzfristig, aber Kundenzufriedenheit und -bindung leiden – ein klassischer Kobra-Effekt.

2. Anwesenheitsprämien

Ein weiteres Beispiel sind Anwesenheitsprämien, bei denen Mitarbeitende für eine hohe Anwesenheitsquote entlohnt werden. Das Ziel: Fehlzeiten sollen reduziert werden. Das Problem: Solche Prämien fördern Präsentismus, bei dem Mitarbeitende trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen. Das gefährdet die Gesundheit des restlichen Teams und mindert die Produktivität. Zudem beeinträchtigen Anwesenheitsprämien die Unternehmenskultur, da sie auf Misstrauen basieren und ein negatives Arbeitsklima fördern.

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Obwohl Anwesenheitsprämien dazu gedacht sind, Fehlzeiten zu reduzieren, können sie also langfristig zu einer Zunahme von Fehlzeiten und einer verschlechterten Arbeitsatmosphäre führen.

3. Sicherheitskennzahlen in der Produktion

Noch ein typisches Beispiel für den Kobra-Effekt sind Sicherheitskennzahlen, bei denen Unternehmen ihre Mitarbeitenden dazu anregen, bestimmte Sicherheitsstandards einzuhalten. Die Idee ist, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhöhen und Unfälle zu reduzieren. Allerdings können solche Anreizsysteme unbeabsichtigte negative Konsequenzen haben.

Nehmen wir an, ein Unternehmen setzt eine Zielvorgabe, dass die Anzahl der Arbeitsunfälle unter einem bestimmten Niveau bleiben muss, um einen Bonus zu erhalten. Dies kann dazu führen, dass Mitarbeitende Unfälle bewusst nicht melden, um die Zielvorgaben zu erfüllen. Dadurch bleiben echte Sicherheitsprobleme verborgen, und die tatsächliche Sicherheit sinkt. Anstatt transparenter zu werden, fördert dieses System eine Kultur des Verschweigens, was langfristig die Gesundheit der Mitarbeitenden gefährdet.

Was können Führungskräfte tun, um Kobra-Effekte zu vermeiden?

Um Verschlimmbesserungen zu verhindern, können Führungskräfte auf die Theorie des Psychologen Daniel Kahneman zurückgreifen. Er unterscheidet zwischen „schnellem Denken“ und „langsamem Denken“. Unser Gehirn ist in der Lage, beide Denkprozesse zu nutzen, wobei das schnelle Denken evolutionär älter ist und automatisch sowie unbewusst abläuft, während das langsame Denken bewusst und reflektiert erfolgt.

In allen drei oben genannten Beispielen für den Kobra-Effekt haben die Führungskräfte vorwiegend auf ihr schnelles Denken gesetzt: Dieses ermöglicht schnelle Entscheidungen und neue Ideen, ist jedoch anfällig für Fehler und Denkfallen.

Solche Denkfallen, auch kognitive Verzerrungen genannt, können dazu führen, dass gut gemeinte Maßnahmen unbeabsichtigte negative Folgen haben. Andere Verzerrungen sind beispielsweise der Ikea-Effekt oder der Dunning-Kruger-Effekt.

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Zum Glück gibt es auch das „langsame Denken“. Das benötigt mehr Zeit und kostet das Gehirn mehr Energie, ermöglicht es aber, die Konsequenzen von Handlungen besser abzuschätzen und Denkfallen zu vermeiden. Anstatt sofort den ersten Ideen nachzugehen, ist es daher oft sinnvoll, innezuhalten und gründlicher nachzudenken.

Wenn du also den Kobra-Effekt umgehen willst, solltest du Anreizsysteme ganzheitlich gestalten. Statt dich nur auf kurzfristige Kennzahlen zu konzentrieren, solltest du versuchen, den gesamten Prozess und seine langfristigen Auswirkungen zu berücksichtigen. Wenn Vertriebsteams beispielsweise nicht nur nach Umsatz, sondern auch nach Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bewertet werden, verringert sich die Gefahr, dass die Teammitglieder die Kundenbeziehungen vernachlässigen.

Darüber hinaus solltest du auf offene Kommunikation und Transparenz setzen. Denn meist schadet es der Firma nur, wenn deine Mitarbeitenden versuchen, Schlupflöcher oder kreative Wege zu finden, um ihre Ziele zu erreichen – und so unter anderem den Kobra-Effekt auslösen können.

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